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Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
Aufklärung erweitert. Mit der wissenschaftlich-technischen
Aufklärung wurde der SWT beauftragt. Die
Aufgaben des SWT bestanden sowohl in der „Beschaffung
von wissenschaftlich-technischen Erkenntnissen
aus hochentwickelten kapitalistischen Staaten
mit dem Ziel ihrer Nutzbarmachung in der Volkswirtschaft
der DDR" als auch im Import sog. operativer
Technik, u.a. militärischer Art, für das MfS und speziell
für die HVA. Darüber hinaus war der SWT für wissenschaftlich-technische
Auswertung und Information
im allgemeinen zuständig. Geleitet wurde der
SWT zunächst durch Generalmajor Horst Vogel und
später durch Oberst Manfred Süß. Beide Offiziere waren
außerdem Stellvertreter des Leiters der HVA,
Großmann.
Die Zusammenarbeit des SWT mit dem Bereich Kommerzielle
Koordinierung bezog sich in erster Linie auf
den Import von Embargowaren. Der Bereich Kommerzielle
Koordinierung wurde durch den SWT im Rahmen
der Beschaffung von Embargowaren sowohl als
Beschaffungsorgan als auch zur Finanzierung der Importe
eingesetzt. Außerdem wurde der Bereich Kommerzielle
Koordinierung zur Tarnung eigener Impo rt
-aktivitäten des SWT benutzt.
Der SWT hatte innerhalb des MfS eine herausragende
Stellung auf dem Gebiet der Beschaffung von Embargowaren.
Dies manifestierte sich u.a. darin, daß ihm
durch Befehl Nr. 2/87 des Ministers für Staatssicherheit,
Mielke, vom 12. März 1987 die Zuständigkeit für
die „Durchsetzung aller Maßnahmen des MfS im Zusammenhang
mit der Beschaffung von Embargowaren
aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin"
zugewiesen wurde. Zur Koordinierung der Einzelaktivitäten
der unterschiedlichen Diensteinheiten des
MfS wurde auf Grundlage dieses Befehls eine sog.
nichtstrukturelle Arbeitsgruppe „Embargo" gegründet,
die dem Leiter des SWT, Generalmajor Horst Vogel,
unterstand. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren
der Leiter bzw. der Stellvertreter des Leiters der
HA XVIII, der Leiter bzw. der Stellvertreter des Leiters
der OTS, der Leiter der AG BKK, die Leiter der Abteilungen
XIV und V des SWT sowie der Leiter der AG
XV/BV der HVA. Die Arbeitsgruppe hatte u.a. die
Aufgabe, ständig alle Möglichkeiten und Verbindungen
des MfS zur Beschaffung von Embargowaren zu
erfassen, Embargobeschaffungen einzuleiten, zu koordinieren
und zu kontrollieren sowie Maßnahmen
zur Absicherung der Beschaffungswege durchzusetzen.
Vogel mußte außerdem durch die Mitglieder der
Arbeitsgruppe über alle Aktivitäten anderer Organe
der DDR auf dem Bereich der Embargowarenbeschaffung
informiert werden. „Bei politisch-operativen oder
anderen zwingenden Erfordernissen hat[te er] zu gewährleisten,
daß entsprechender Einfluß auf diese Aktivitäten
genommen [wurde]". (Vgl. Erster Teilbericht
BT-Drucksache 12/3462, Dokument-Nr. 180, S. 1356)
Die Beschaffung von Embargowaren durch den SWT
erfolgte normalerweise derart, daß Agenten der HVA
in westlichen Staaten Unterlagen bzw. Waren beschafften
und diese auf die unterschiedlichste Weise
in die DDR brachten. Bei größeren Geräten wurden
dabei vor allem auch „Lieferlinien" aus der Schweiz
und Österreich miteinbezogen. Aufgrund immer
strengerer Kontrollen durch die westlichen Industrie
länder wurden Ende der 80er Jahre verstärkt Drittländer
aus Übersee beteiligt. Nach Erkenntnissen des
Bundeskriminalamtes (BKA) spielten dabei auch Unternehmen
aus dem Bereich Kommerzielle Koordinierung
eine Rolle. U.a. scheint die Intrac Lugano unter
Leitung von Ottokar Hermann an solchen Transaktionen
beteiligt gewesen zu sein. Dies hat Ottokar Hermann
in seiner Stellungnahme zum rechtlichen Gehör
- allerdings ohne nähere Begründung - bestritten
(vgl. Fünfter Teil, C. IV., RG 54).
Auf dem Gebiet der Beschaffung von embargobehinderter
Elektrotechnik und Elektronik, für das die Abteilung
XIV des SWT unter Leitung von Oberst Horst
Müller zuständig war, existierte über die genannte
Kooperation hinaus eine umfangreiche Arbeitsteilung
zwischen dem Bereich Kommerzielle Koordinierung
und der HVA. Nach Erkenntnissen des BKA hatten
alle Bedarfsträger der DDR bei Bedarf von Embargowaren
dieser Art zunächst einen förmlichen Antrag
auf Beschaffung zu stellen, der vorn SWT auf seinen
Nutzen hin überprüft wurde. Wurde die Beschaffung
durch den SWT bejaht, erfolgte in einer Koordinierungsgruppe
im Ministerium für Elektrotechnik und
Elektronik (MfEE), der der Staatssekretär in diesem
Ministerium, Karl Nendel, der Leiter des Handelsbereichs
4, Gerhardt Ronneberger (IMS „Saale" der HA
XVIII/8), Wolfram Zahn (IMS „Rolf" der HA XVIII/8)
und der Vertreter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung,
Siegfried Stöckert (IMS „Leo" der AG BKK),
angehörten, die Entscheidung darüber, welche Institution
mit der Beschaffung der Ware beauftragt werden
sollte. Nendel und der stellvertretende Leiter der
Abteilung V des SWT, Klaus Rösener, klärten dabei
jeweils im Vorfeld, welche Beschaffungen -
der SWT
über seine sog. Speziellen Beschaffungsorgane (SBO)
selbst übernehmen wollte. Die SBO, die vorn Bereich
Kommerzielle Koordinierung zum Großteil kontrolliert
und finanziert wurden, konzentrierten sich dabei
auf Waren, die strengsten Embargobestimmungen
unterlagen, und auf Importe für den Eigenbedarf des
MfS. Von einem Gesamtimportvolumen an Embargowaren
von jährlich ungefähr 600 Mio. DM wurden
von den SBO Waren im Wert von etwa 150 Mio. DM
beschafft. War eine Beschaffung über die eigenen Beschaffungsorgane
nicht möglich, wurde der Handelsbereich
4 des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
eingeschaltet.
Die einzelnen Beschaffungsaufträge für die SBO wurden
in sog. Kontrollisten festgehalten (Dokument-Nr.
100). In diesen Listen waren die zu beschaffenden
Waren exakt definiert. Aus Gründen der Geheimhaltung
wurde jede Ware mit einer Objektnummer versehen,
unter der die weitere Abwicklung erfolgte. Über
den tatsächlichen Inhalt der als „Geheime Verschlußsache"
eingestuften Listen waren neben Mitarbeitern
des SWT lediglich Dr. Schalck-Golodkowski, Nendel,
der Mitarbeiter des MfEE Werner Engler, Zahn und
Ronneberger informiert.
Für die Realisierung der den SBO zugewiesenen Beschaffungsaufträge
war der stellvertretende Generaldirektor
des VEB Kombinats Mikroelektronik, Wolfram
Zahn, verantwortlich. Zahn war für diese Aufgabe
eingesetzt worden, um den Beschaffungen einen
seriösen Anstrich zu geben und jeden direkten Kon-