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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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gleitete Sigrid Schalck-Golodkowski ihren Mann<br />

auch aufgr<strong>und</strong> seines schlechten Ges<strong>und</strong>heitszustan<strong>de</strong>s,<br />

da ihm die Aufregungen <strong>de</strong>r letzten Zeit psychisch<br />

zugesetzt hatten.<br />

Dr. Schalck-Golodkowski reiste offiziell in die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland, um das Treffen von B<strong>und</strong>eskanzler<br />

Dr. Helmut Kohl mit Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Dr.<br />

Modrow in Dres<strong>de</strong>n vorzubereiten. Er flog von Berlin<br />

(West) aus aber nicht nach Bonn, son<strong>de</strong>rn nach Stuttgart,<br />

um dort im Falle seines noch offenen Entschlusses,<br />

im Westen zu bleiben, beim Diakonischen Werk<br />

<strong>de</strong>r EKD um Hilfe zu bitten.<br />

In Stuttgart suchte er Pfarrer Dr. Karl-Heinz Neukamm<br />

auf, <strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Diakonischen Werkes<br />

<strong>de</strong>r EKD <strong>und</strong> langjährigen Verhandlungspartner im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r humanitären Fragen. Dr. Neukamm fand<br />

es zwar merkwürdig, daß Dr. Schalck-Golodkowski<br />

relativ kurzfristig um diesen Besuchstermin gebeten<br />

hatte. Auch stellte Dr. Neukamm bei ihm eine große<br />

Unruhe fest. Dr. Schalck-Golodkowski brachte ihm<br />

gegenüber aber allenfalls vage zum Ausdruck, daß<br />

„bald eine ... individuelle, also eine persönliche Hilfe<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sein könnte" (70. Sitzung, Protokoll S. 45).<br />

Im übrigen habe Dr. Schalck-Golodkowski keinen<br />

Zweifel aufkommen lassen, daß er gewillt war, zurückzufliegen.<br />

Dr. Neukamm konnte <strong>de</strong>n Äußerungen<br />

Dr. Schalck-Golodkowskis auch nicht entnehmen,<br />

daß dieser beabsichtigte, noch in <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n<br />

Nacht die DDR zu verlassen.<br />

Dr. Schalck-Golodkowski hatte nach Aussage von Dr.<br />

Neukamm vorformulierte Verträge mitgebracht <strong>und</strong><br />

verhan<strong>de</strong>lte u.a. über einen Devisenfonds zur Ermöglichung<br />

von größeren Reisemöglichkeiten für Bewohner<br />

<strong>de</strong>r DDR. Er führte von Dr. Neukamms Büro aus<br />

zwei Telefongespräche.<br />

Im Telefonat mit Rudolf Seiters, seinerzeit B<strong>und</strong>esminister<br />

für beson<strong>de</strong>re Aufgaben <strong>und</strong> Chef <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>eskanzleramtes,<br />

erörterte er u.a. die Termine <strong>de</strong>r geplanten<br />

Begegnung von B<strong>und</strong>eskanzler Dr. Kohl <strong>und</strong><br />

Dr. Modrow am 19. Dezember 1989 in Dres<strong>de</strong>n.<br />

Der Inhalt <strong>de</strong>s mit Dr. Wolfgang Schäuble, damals<br />

B<strong>und</strong>esminister <strong>de</strong>s Innern, geführten Gesprächs war<br />

hingegen nicht aufklärbar. Dr. Schäuble hat vor <strong>de</strong>m<br />

Untersuchungsausschuß bek<strong>und</strong>et, er könne sich an<br />

<strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s Telefonats im einzelnen nicht erinnern.<br />

Dr. Schalck-Golodkowski habe aber mit Sicherheit<br />

nicht angekündigt, „daß er sich heute nacht in <strong>de</strong>n<br />

Westen absetzen wer<strong>de</strong>" (24. Sitzung, Protokoll S. 43).<br />

Es steht allerdings fest, daß in <strong>de</strong>m Gespräch über die<br />

Konsequenzen eines möglichen Überwechselns Dr.<br />

Schalck-Golodkowskis gere<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Das ergibt<br />

sich aus Dr. Schalck-Golodkowskis späterem Bezug<br />

auf das sog. „Versprechen vom 2. Dezember 1989".<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lte es sich - wie im einzelnen noch darzustellen<br />

sein wird - um <strong>de</strong>n Hinweis Dr. Schäubles,<br />

daß Dr. Schalck-Golodkowski in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland auf eine rechtsstaatliche Behandlung<br />

wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Bürger vertrauen könne.<br />

Dr. Schalck-Golodkowski kehrte mit seiner Frau am<br />

frühen Nachmittag <strong>de</strong>s 2. Dezember nach Berlin (Ost)<br />

zurück. Den Gedanken, möglicherweise in Stuttgart<br />

zu bleiben, hatte er nach eingehen<strong>de</strong>r Beratung mit<br />

<strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong> Drucksache 12/7600<br />

seiner Frau, die noch immer Hoffnung hatte, die Situation<br />

in <strong>de</strong>r DDR bewältigen zu können, fallen lassen.<br />

Nach <strong>de</strong>r Rückkehr fertigte Dr. Schalck-Golodkowski<br />

in <strong>de</strong>r Wallstraße Nie<strong>de</strong>rschriften über sein Gespräch<br />

mit B<strong>und</strong>esminister Seiters an, die er später Dr. Modrow<br />

<strong>und</strong> Krenz per Boten zustellen ließ.<br />

Um 15.00 Uhr erhielt Dr. Schalck-Golodkowski einen<br />

Anruf von Dr. Schwanitz. Dieser teilte ihm mit, daß<br />

<strong>de</strong>r tags zuvor durch die Partei zugesagte Schutz<br />

nicht gewährt wer<strong>de</strong>n könne. Die Zusicherung <strong>de</strong>s<br />

Politbüros, nicht vor <strong>de</strong>m Ausschuß <strong>de</strong>r Volkskammer<br />

aussagen zu müssen, sei lediglich auf <strong>de</strong>n Teil beschränkt,<br />

<strong>de</strong>r die Beschaffung von Embargo-Mate rial<br />

für das MfS betreffe. Er solle sich nicht darauf berufen,<br />

OibE <strong>de</strong>s MfS zu sein, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong> Zusammenarbeit<br />

mit <strong>de</strong>m MfS leugnen. Dies wür<strong>de</strong> auch seiner eigenen<br />

Sicherheit dienen.<br />

Die Anweisung Dr. Schwanitz' war für das Ehepaar<br />

Schalck-Golodkowski nicht nachvollziehbar, da bei<strong>de</strong><br />

die Gehaltsabrechnungen als Nachweis über ihre<br />

Einkünfte gegenüber <strong>de</strong>r Volkskammer bzw. <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft benötigten. Außer<strong>de</strong>m erschien<br />

ihnen das Abstreiten <strong>de</strong>r MfS-Beziehungen von vornherein<br />

aussichtslos, weil ihre Gehaltsabrechnungen<br />

nachkontrollierbar waren <strong>und</strong> - wie Sigrid Schalck-<br />

Golodkowski vor <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß bek<strong>und</strong>et<br />

hat - je<strong>de</strong>r auf Gr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Arbeitsbuches sehen<br />

konnte, wo sie gearbeitet habe (140. Sitzung, Protokoll<br />

S. 193 f.).<br />

Nach Aussage von Dr. Schalck-Golodkowski war dieser<br />

Anruf von Dr. Schwanitz <strong>de</strong>r Anlaß, daß er die<br />

DDR flüchtig verlassen habe, da er nun das sichere<br />

Gefühl gehabt habe, um sein Leben bangen zu müssen<br />

(11. Sitzung, Protokoll S. 125). Er zog <strong>de</strong>n Schluß,<br />

daß hinter Dr. Schwanitz „eine an<strong>de</strong>re Konstellation,<br />

die nicht von Krenz geleitet wur<strong>de</strong>" (177. Sitzung,<br />

Protokoll S. 187), stand, die gegen ihn operierte. Dieser<br />

Vorgang bestärkte seinen Eindruck, <strong>de</strong>n er seit<br />

<strong>de</strong>r Politbürositzung vom 1. Dezember 1989 hatte, daß<br />

Krenz zunehmend an Macht <strong>und</strong> Einfluß verlor. Nach<br />

eigener Aussage ahnte Dr. Schalck-Golodkowski voraus,<br />

daß Krenz auf <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n 3. Dezember 1989 einberufenen<br />

Son<strong>de</strong>rsitzung <strong>de</strong>s ZK - wie dann auch geschehen<br />

- zurücktreten wür<strong>de</strong>.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> mußte er nun auch die Äußerung<br />

von Dr. Beil in <strong>de</strong>r Volkskammer-Sitzung vom 1.<br />

Dezember 1989 sehr ernst nehmen, er - Dr. Beil - wer<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>n Bereich Kommerzielle Koordinierung gemäß<br />

Dr. Modrows Auftrag innerhalb <strong>de</strong>r nächsten acht Tage<br />

in <strong>de</strong>n Außenhan<strong>de</strong>l einglie<strong>de</strong>rn. Diese Ankündigung<br />

Dr. Beils verstand Dr. Schalck-Golodkowski<br />

jetzt dahingehend, daß er <strong>de</strong>mnächst als Staatssekretär<br />

<strong>und</strong> Leiter <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle Koordinierung<br />

abgelöst wer<strong>de</strong>n solle, wie seinem B rief vom 2.<br />

Dezember 1989 an Werner Eberlein, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Zentralen Parteikontrollkommission, zu entnehmen<br />

ist.<br />

Der Eindruck, daß alles um ihn herum zusammenzubrechen<br />

begann, wur<strong>de</strong> für Dr. Schalck-Golodkowski<br />

durch zwei weitere Ereignisse noch verstärkt.

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