Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
Funktionäre des Partei- und Staatsapparates einbezogen.
Für verantwortlich hielt er die Politbüro-Mitglieder
Erich Mielke und Dr. Günter Mittag (Dokument-
Nr. 746a).
Im selben Schreiben kritisierte Dr. Harrland eine Verschleppung
der Ermittlungen, aus der weiterer Schaden
resultiere. Der Situation sei mit den bisher verfügbaren
Mitteln nicht beizukommen, woraus sich die Notwendigkeit
ergebe, sofort eine Regierungskommission
mit Experten aus den betroffenen Ministerien einzusetzen,
die dem Generalstaatsanwalt und nicht dem Amt
für Nationale Sicherheit unterstellt werden müsse. Die
Arbeit dieser neuen Kommission, aber auch der bereits
eingesetzten, sollte nach Harrlands Vorstellung vom -
Generalstaatsanwalt koordiniert und die Ergebnisse
umgehend an den zuständigen Volkskammerausschuß
übermitteltwerden (Dokument-Nr. 746a).
Dr. Harrland hatte sich wegen der Behinderung seiner
Ermittlungen, besonders der Ermittlungen mit Bezug
zur Hauptabteilung I durch das MfS, an Dr. Willi
Lindemann, damals noch stellvertretender Abteilungsleiter
der Rechtsabteilung im Ministerrat, gewandt.
Dr. Lindemann schlug als Lösung vor, eine
Regierungskommission mit außerordentlichen Vollmachten
einsetzen zu lassen, insbesondere um die Abschottung
der Hauptabteilung I aufheben zu können.
Daraufhin wandte sich Dr. Harrland mit diesem Vorschlag
an Ministerpräsident Dr. Modrow und weitere
Minister. Im Auftrag der Regierung wurde dann wieder
von Dr. Lindemann eine Vorlage für die Bildung
einer Regierungskommission erarbeitet, mit den Ministern
abgestimmt und im Ministerrat beschlossen.
Bereits in der Vorbereitungsphase für die Kommission
wurde festgelegt, daß Dr. Willi Lindemann den Vorsitz
dieser Kommission erhalten sollte. Er war schon bei
der Bildung der zeitweiligen Untersuchungsabteilung
des Ministerrats als Leiter im Gespräch. Den
Vorsitz jener Abteilung übernahm dann jedoch Prof.
Dr. Ulrich Dähn, weil Dr. Lindemann von seinem Vorgesetzten
nicht freigestellt wurde.
Der Beschluß des Ministerrats zur Einsetzung der sog.
Lindemann-Kommission vom 14. Dezember 1989
zählte die Aufgaben der Kommission wie folgt auf
(Dokument-Nr. 746a):
- Unterstützung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
sowie der staatlichen Untersuchungsorgane
und Gewährleistung staatlicher Sicherheitsinteressen,
- Gewährleistung der erforderlichen Weiterführung
der Tätigkeit der dem Bereich Kommerzielle Koordinierung
unterstellten Außenhandelsbetriebe und
Unternehmen zur Wahrung der Interessen der
DDR,
- Erarbeitung von Vorschlägen zur Auflösung des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung, zur Veränderung
des Unterstellungsverhältnisses der Betriebe
und Unternehmen sowie zur Auflösung einzelner
Betriebe und Unternehmen dieses Bereichs,
- Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit über Ergebnisse
der Untersuchungen und getroffener Entscheidungen.
Die Aufgaben der Lindemann-Kommission waren denen
des kommissarischen Leiters des Bereichs Kornmerzielle
Koordinierung, Prof. Dr. Gerstenberger,
ähnlich. Dr. Gerstenberger wurde auch als Mitglied
der Kommission benannt und wurde deren stellvertretender
Leiter. Sein Hauptarbeitsgebiet waren einzelkaufmännisch
organisierte Unternehmen unter dem
Einfluß des Bereichs Kommerzielle Koordinierung,
besonders F.C. Gerlach und Günther Forgber, die unmittelbar
Dr. Schalck-Golodkowski unterstellt waren.
Dr. Gerstenberger war zuständig für die Aufklärung
und Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen
sowie bestehender Verpflichtungen und parallel,
in seiner Funktion als kommissarischer Leiter, ebenfalls
für die Personalpolitik im Bereich Kommerzielle
Koordinierung. Was das Personal anging, fanden allerdings
keine systematischen Überprüfungen statt.
Solche gab es nur in Einzelfällen.
Der Vorsitzende der Kommission war direkt dem Vorsitzenden
des Ministerrats unterstellt, hatte aber Ministerin
Nickel und Minister Dr. Beil zuzuarbeiten.
Die Kommission hatte das Recht, Untersuchungen
durchzuführen sowie Leiter und Mitarbeiter des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung zu befragen.
Diese waren zu wahrheitsgemäßen Aussagen und zur
Herausgabe erforderlicher Unterlagen verpflichtet
(Dokument-Nr. 746a).
Nach Darstellung Dr. Willi Lindemanns richteten sich
die Ermittlungen der Kommission vornehmlich gegen
die persönliche Bereicherung von Einzelpersonen.
Außerdem hatte die Kommission das Ziel, durch
einen entsprechenden Vorschlag zur Auflösung des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung „ als Inkarnation
von Amts- und Machtmißbrauch" beizutragen.
Eine Aufgabe der Kommission bestand demzufolge
darin, Konzepte für die Eingliederung der Unternehmen
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung in die
Volkswirtschaft der DDR zu finden. Der Bestand der
Unternehmen sollte auch ohne Fortbestehen des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung gewährleistet
bleiben.
Die Lindemann-Kommission setzte sich aus sechs
Mitgliedern zusammen, die von den Ministern vorgeschlagen
worden waren, in deren Sachgebiet die Tätigkeit
der Kommission fallen würde. Diese Mitglieder
waren (Dokument-Nr. 746a):
- Dr. Willi Lindemann, Sekretariat des Ministerrats,
als Leiter der nach ihm benannten Lindemann
Kommission;
- Dr. Karl-Heinz Gerstenberger, kommissarischer
Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung,
als stellvertretender Leiter der Kommission;
- Dr. Kurt Krause, Bevollmächtigter der Ministerin
der Finanzen und Preise;
- Lene Trettin, Ministerium für Außenwirtschaft;
- Martin Behrend, Sekretariat des Ministerrats, dort
zuständig für Kraftfahrzeuge und die BERAG Export-Import
GmbH;
- Joachim Buchecker, Ministerium für Innere Angelegenheiten,
Kriminalpolizei.