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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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Drucksache 12/7600 <strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong><br />

Am Sonntag, <strong>de</strong>m 3. Dezember 1989, kehrte Sigrid<br />

Schalck-Golodkowski kurzzeitig nach Berlin (Ost) zurück,<br />

um persönliche Gegenstän<strong>de</strong> zu holen. Gegen<br />

7.30 Uhr rief sie ihren Bru<strong>de</strong>r an <strong>und</strong> bat ihn, sie an<br />

<strong>de</strong>r Tierklinik <strong>de</strong>r Charité abzuholen. Zusammen fuhren<br />

sie zur Wohnung in <strong>de</strong>r Manetstraße <strong>und</strong> packten<br />

zwei Koffer mit Kleidung. Gegen 9.30 Uhr setzte Prof.<br />

Gutmann seine Schwester an <strong>de</strong>r Schlegelstraße ab,<br />

<strong>und</strong> sie kehrte in <strong>de</strong>n Westteil <strong>de</strong>r Stadt zurück.<br />

Gegen 10.00 Uhr ging die Nachricht von <strong>de</strong>r Flucht<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>s „Hochverrats" Dr. Schalck-Golodkowskis<br />

durch die Medien.<br />

Dr. Schalck-Golodkowski versuchte noch am selben<br />

Tag, B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble vergeblich telefonisch<br />

zu erreichen. Von seiner Sekretärin über <strong>de</strong>n<br />

Anruf unterrichtet, nahm B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble<br />

noch am späten Abend <strong>de</strong>s 3. Dezember 1989 telefonisch<br />

Kontakt zu Dr. Neukamm auf <strong>und</strong> bat ihn, sich<br />

um Dr. Schalck-Golodkowski zu kümmern. Dieser erklärte<br />

sich dazu bereit. B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble<br />

selbst vermied in <strong>de</strong>r Folgezeit jeglichen persönlichen<br />

Kontakt.<br />

Dr. Neukamm suchte Dr. Schalck-Golodkowski am<br />

Abend <strong>de</strong>s 4. Dezember 1989 in Begleitung <strong>de</strong>s Direktors<br />

Steinhäuser vom Diakonischen Werk Berlin in<br />

<strong>de</strong>r besagten Wohnung auf. Dr. Schalck-Golodkowski<br />

schil<strong>de</strong>rte seine schwierige Situation <strong>und</strong> brachte zum<br />

Ausdruck, daß er sich von B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble<br />

Hilfe erhoffe. Dr. Neukamm versprach ihm, mit Dr.<br />

Schäuble zu re<strong>de</strong>n. Dr. Schalck-Golodkowski versuchte<br />

seinerseits noch am selben Abend, B<strong>und</strong>esminister<br />

Dr. Schäuble telefonisch zu erreichen, hatte jedoch<br />

keinen Erfolg.<br />

Am nächsten o<strong>de</strong>r übernächsten Tag führte Dr. Neukamm<br />

mit B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble eine Unterredung.<br />

Dieser bat ihn, Dr. Schalck-Golodkowski auszurichten,<br />

er solle sich <strong>de</strong>m Schutz <strong>de</strong>r b<strong>und</strong>es<strong>de</strong>utschen<br />

Justiz anvertrauen. Dr. Neukamm vermittelte<br />

diesen Rat über Steinhäuser weiter.<br />

Eckhard Steinhäuser empfahl Dr. Schalck-Golodkowski<br />

überdies Dr. Peter Danckert als Rechtsanwalt. Dr.<br />

Danckert suchte Dr. Schalck-Golodkowski am 6. Dezember<br />

an seinem Aufenthaltsort auf. Während <strong>de</strong>r<br />

Beratung mit seinem Anwalt faßte Dr. Schalck-Golodkowski<br />

<strong>de</strong>n Entschluß, sich noch an diesem Abend<br />

<strong>de</strong>r Justiz in Berlin (West) zu stellen. Zu jener Zeit<br />

fürchtete er, daß auch in Berlin (West) Gefahr für sein<br />

Leben durch Mitarbeiter <strong>de</strong>s früheren MfS bestand.<br />

Eine Ausreise aus Berlin (West) sah er als praktisch<br />

unmöglich an, weil bereits ein Haftbefehl <strong>de</strong>r DDR gegen<br />

ihn vorlag <strong>und</strong> eine Fahndung über Interpol ausgeschrieben<br />

war. Eine West-Berliner Haftanstalt erschien<br />

ihm als letzter sicherer Zufluchtsort.<br />

Vor diesem Schritt regelte Dr. Schalck-Golodkowski<br />

die Rückführung <strong>de</strong>s im Ausland befindlichen Vermögens<br />

<strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle Koordinierung, über<br />

das er selbst verfügungsberechtigt war. Ob sämtliche<br />

Vermögenswerte vollständig zurückgeführt wur<strong>de</strong>n,<br />

ist ungewiß.<br />

-<br />

Der Bereich Kommerzielle Koordinierung hatte nach<br />

Aussage von Dr. Schalck-Golodkowski zwei feste<br />

Bankverbindungen im Ausland.<br />

Zum einen waren mehrere Konten <strong>und</strong> Depots bei <strong>de</strong>r<br />

Bank für Han<strong>de</strong>l <strong>und</strong> Effekten in Zürich (BHE) eingerichtet<br />

wor<strong>de</strong>n, auf <strong>de</strong>nen sich zum Stichtag 4. Dezember<br />

1989 Vermögenswerte in Höhe von umgerechnet<br />

r<strong>und</strong> 62 Mio. DM befan<strong>de</strong>n. Dr. Schalck-Golodkowski<br />

selbst hatte nur für einen Teil <strong>de</strong>r Konten<br />

<strong>und</strong> Depots Zeichnungsberechtigung.<br />

Zum an<strong>de</strong>ren existierte bei <strong>de</strong>r Otto Scheurmann<br />

Bank-KG in Berlin (West) ein sog. Arbeits- <strong>und</strong> Durchlaufkonto<br />

für die Einreichung von Bargeld sowie Bar<strong>und</strong><br />

Inhaberschecks, auf <strong>de</strong>m sich zuletzt ein Guthaben<br />

von r<strong>und</strong> 2 Mio. DM befand. Dieses Konto diente<br />

dazu, <strong>de</strong>n aufwendigen Weg über Zürich zu verkürzen.<br />

Kontoinhaberin war die in Liechtenstein ansässige<br />

<strong>und</strong> zum Bereich Kommerzielle Koordinierung gehören<strong>de</strong><br />

Anstalt Mon<strong>de</strong>ssa. Alleinige Konto-Vollmacht<br />

besaß Dr. Schalck-Golodkowski unter <strong>de</strong>m<br />

Decknamen „Jürgen Keller" . Bei <strong>de</strong>r Scheurmann<br />

Bank befan<strong>de</strong>n sich darüber hinaus mehrere Unterkonten,<br />

die u.a. für Festgeldanlagen benutzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Bevor Dr. Schalck-Golodkowski sich zur Justizvollzugsanstalt<br />

(JVA) Moabit begab, rief er gegen 21.30<br />

Uhr bei Max Moser an. Moser, freier Mitarbeiter bei<br />

<strong>de</strong>r BHE, war als Vermögensberater <strong>de</strong>s Bereichs<br />

Kommerzielle Koordinierung über Auslandskonten<br />

Dr. Schalck-Golodkowskis informiert. Dr. Schalck-<br />

Golodkowski erteilte ihm <strong>de</strong>n Auftrag, sämtliche Vermögenswerte<br />

auf Konten <strong>und</strong> Depots, für die er zeichnungsberechtigt<br />

war, <strong>de</strong>r Deutschen Außenhan<strong>de</strong>lsbank<br />

AG in Berlin (DABA) unverzüglich zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

Moser unterrichtete hierüber schon am nächsten Tag,<br />

<strong>de</strong>m 7. Dezember 1989, die DABA sowie <strong>de</strong>n Direktor<br />

<strong>de</strong>r Scheurmann Bank, Hans-Jürgen Laborn. Die<br />

Rückführung <strong>de</strong>r Vermögenswerte wur<strong>de</strong> seitens <strong>de</strong>r<br />

BHE umgehend veranlaßt; seitens <strong>de</strong>r Otto Scheurmann<br />

Bank wur<strong>de</strong>n die Guthaben bis zum Mai 1990<br />

via Zürich an das Ministerium <strong>de</strong>r Finanzen <strong>de</strong>r DDR<br />

zurückgeführt (Dokument-Nr. 799).<br />

Am späten Abend <strong>de</strong>s 6. Dezember 1989 stellte sich<br />

Dr. Schalck-Golodkowski <strong>de</strong>r Justiz in <strong>de</strong>r JVA Moa<br />

bit. Da von b<strong>und</strong>es<strong>de</strong>utscher Seite gegen ihn kein<br />

Haftbefehl vorlag, mußte er schriftlich bestätigen, daß<br />

er sich freiwillig in Haft begab.<br />

Dr. Schalck-Golodkowski blieb bis zum 9. Januar<br />

1990 in <strong>de</strong>r Haftanstalt Moabit. Die West-Berliner Justizbehör<strong>de</strong><br />

prüfte in dieser Zeit ein Fahndungs- <strong>und</strong><br />

Auslieferungsersuchen <strong>de</strong>r DDR. Bereits am 4. Dezember<br />

1989 war vom Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte<br />

ein Haftbefehl gegen Dr. Schalck-Golodkowski erlassen<br />

wor<strong>de</strong>n. In einem Schreiben vom 7. Dezember<br />

1989 hatte <strong>de</strong>r Generalstaatsanwalt <strong>de</strong>r DDR ein<br />

Übergabeersuchen an <strong>de</strong>n Generalstaatsanwalt bei<br />

<strong>de</strong>m Kammergericht Berlin gerichtet. Noch am selben<br />

Tag war <strong>de</strong>r bisherige Haftbefehl gegen Dr. Schalck-<br />

Golodkowski aufgehoben <strong>und</strong> ein neuer Haftbefehl<br />

gegen ihn erlassen wor<strong>de</strong>n; dieser enthielt nicht mehr<br />

<strong>de</strong>n Vorwurf <strong>de</strong>s Vertrauensmißbrauchs gemäß § 165<br />

DDR-StGB, <strong>de</strong>r eine Übergabe <strong>de</strong>s Beschuldigten an<br />

die DDR von vornherein ausgeschlossen hätte.

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