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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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Drucksache 12/7600 <strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag — 12. Wahlperio<strong>de</strong><br />

Protokolle <strong>de</strong>r Zeugenvernehmungen durch die<br />

Staatsanwaltschaft <strong>de</strong>r DDR <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />

bei <strong>de</strong>m Kammergericht Berlin heran. Schließlich<br />

befragte <strong>de</strong>r Untersuchungsausschuß in seiner<br />

140. Sitzung am 17. Juni 1993 als Zeugen Gerd<br />

Schmidt, Sigrid Schalck-Golodkowski, Andreas Hil<strong>de</strong>brandt<br />

<strong>und</strong> Dr. Edwin Schwertner. Sig rid Schalck-<br />

Golodkowski leitete als Offizier im beson<strong>de</strong>ren Einsatz<br />

<strong>de</strong>s MfS eine Kuriergruppe im Bereich Kommerzielle<br />

Koordinierung, die die Politbürosiedlung Wandlitz<br />

mit Westgütern versorgte. Gerd Schmidt <strong>und</strong> Andreas<br />

Hil<strong>de</strong>brandt waren als hauptamtliche Mitarbeiter<br />

<strong>de</strong>s MfS unmittelbar für die Verwaltung <strong>und</strong> Versorgung<br />

<strong>de</strong>r Waldsiedlung Wandlitz zuständig. Dr.<br />

Edwin Schwertner war als Leiter <strong>de</strong>s Büros <strong>de</strong>s Politbüros<br />

<strong>de</strong>s ZK <strong>de</strong>r SED seit 1986 formell für Wandlitz<br />

verantwortlich.<br />

1. Einrichtung <strong>und</strong> Funktionsweise<br />

Die sog. Waldsiedlung Wandlitz war eine stark bewachte<br />

Wohnsiedlung für die Angehörigen <strong>de</strong>s Politbüros<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Familienmitglie<strong>de</strong>r in einem grünen<br />

Vorort im Nor<strong>de</strong>n Berlins. Sie war im Sommer 1960 von<br />

<strong>de</strong>r Staats- <strong>und</strong> Parteiführung <strong>de</strong>r DDR bezogen wor<strong>de</strong>n.<br />

Ausschlaggebend für <strong>de</strong>n Bau waren die Ereignisse<br />

im Herbst 1956 in Ungarn gewesen, in <strong>de</strong>ren Verlauf<br />

führen<strong>de</strong> Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ungarischen KP von einer<br />

aufgebrachten Bevölkerung gelyncht wor<strong>de</strong>n waren.<br />

Die 1960 fertiggestellte Wohnsiedlung Wandlitz sollte<br />

solche Übergriffe unmöglich machen. Wie das Politbüro<br />

<strong>de</strong>r SED im Mai 1960 im Anschluß an einen mündlichen<br />

<strong>Bericht</strong> Mielkes beschloß, unterstand <strong>de</strong>r Wohnkomplex<br />

<strong>de</strong>r Partei (Dokument-Nr. 623). Den „Sicherheitsorganen"<br />

<strong>de</strong>r DDR, wie das Politbüro 1972 in<br />

einer „Direktive ... für die Ordnung in <strong>de</strong>r Waldsiedlung"<br />

bekräftigte, oblag jedoch von Anfang an außer<br />

<strong>de</strong>m „Schutz <strong>de</strong>r Siedlung" auch „die notwendige Betreuung<br />

<strong>de</strong>r einzelnen Häuser in bezug auf Versorgung,<br />

Stellung von Reinigungskräften etc." (vgl. Erster<br />

Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462, Dokument-<br />

Nr. 28, S. 347.) Entsprechend wur<strong>de</strong>n alle notwendigen<br />

Sicherungs- <strong>und</strong> Betreuungskräfte in Wandlitz<br />

von <strong>de</strong>m 1950 geschaffenen Ministerium für Staatssicherheit<br />

gestellt. Zuständig waren im einzelnen das<br />

Wachregiment Feliks Dzierzynski <strong>de</strong>s MfS <strong>und</strong> vor allem<br />

die Hauptabteilung Personenschutz (HA PS) <strong>de</strong>s<br />

MfS, die in <strong>de</strong>n 80er Jahren 3.500 bis 3.750 Mitarbeiter<br />

zählte. Das Wachregiment, eine Verfügungstruppe<br />

<strong>de</strong>s MfS mit zuletzt über 10.900 Mann, war ähnlich wie<br />

die Abteilung II <strong>de</strong>r HA PS für <strong>de</strong>n militärischen Personen-<br />

<strong>und</strong> Objektschutz in Wandlitz verantwortlich.<br />

Der Abteilung V <strong>de</strong>r HA PS, <strong>de</strong>ren Mitarbeiterbestand<br />

von r<strong>und</strong> 450 im Jahre 1975 auf zuletzt 650 Mitarbeiter<br />

stieg, oblag die Verwaltung <strong>und</strong> Instandhaltung sowie<br />

die Ver- <strong>und</strong> Entsorgung <strong>de</strong>r Wohnsiedlung. Die jeweiligen<br />

Fahrer <strong>und</strong> Begleiter <strong>de</strong>r Politbüro-Mitglie<strong>de</strong>r<br />

stellte die Abteilung VII <strong>de</strong>r HA PS.<br />

Entsprechend einer „Direktive" <strong>de</strong>s Politbüros <strong>de</strong>r<br />

SED von 1972 unterstand die Waldsiedlung offiziell<br />

<strong>de</strong>m Leiter <strong>de</strong>s Büros <strong>de</strong>s Politbüros, also <strong>de</strong>m Leiter<br />

<strong>de</strong>s Verwaltungssekretariats <strong>de</strong>s Politbüros <strong>de</strong>r SED.<br />

„Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Regimes in <strong>de</strong>r Waldsiedlung" bedurften<br />

seiner „Zustimmung", heißt es in <strong>de</strong>r „Direktive".<br />

Die Funktionen <strong>de</strong>s Leiters <strong>de</strong>s Verwal<br />

tungsbüros <strong>de</strong>s Politbüros scheinen sich jedoch in <strong>de</strong>r<br />

Realität darauf beschränkt zu haben, die Versorgung<br />

<strong>de</strong>r Hinterbliebenen von Politbüro-Mitglie<strong>de</strong>rn zu regeln.<br />

Erst im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r<br />

Prominentensiedlung im Herbst 1989 wuchsen die<br />

Kompetenzen <strong>de</strong>s damaligen Leiters <strong>de</strong>s Büros <strong>de</strong>s<br />

Politbüros Dr. Edwin Schwertner. Über alle Gr<strong>und</strong>fragen<br />

<strong>de</strong>r Verwaltung <strong>und</strong> Betreuung, die Wandlitz berührten,<br />

entschie<strong>de</strong>n vielmehr bis 1989 <strong>de</strong>r ehemalige<br />

Staatsratsvorsitzen<strong>de</strong> <strong>und</strong> SED-Generalsekretär Erich<br />

Honecker <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Minister für Staatssicherheit E rich<br />

Mielke. Bei<strong>de</strong> kümmerten sich auch häufig unmittelbar<br />

um die Organisation von Wandlitz. Wie Schwertner<br />

am 6. März 1990 gegenüber <strong>de</strong>m Militäroberstaatsanwalt<br />

<strong>de</strong>r DDR ausführte, wur<strong>de</strong>n die wichtigsten<br />

Entscheidungen zur Waldsiedlung Wandlitz entwe<strong>de</strong>r<br />

durch Erich Mielke direkt o<strong>de</strong>r in Absprache<br />

mit Erich Honecker getroffen. Gegenüber <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />

bei <strong>de</strong>m Kammergericht Berlin gab<br />

Schwertners Amtsvorgängerin Gisela Glen<strong>de</strong> am 22.<br />

November 1990 an, daß Honecker zu ihr 1972 gesagt<br />

habe, „daß er alles direkt mit Mielke" abspreche.<br />

Mielkes Befehle <strong>und</strong> Anweisungen waren die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die Art <strong>und</strong> Weise <strong>de</strong>r konkreten Betreuung<br />

<strong>und</strong> Versorgung in Wandlitz.<br />

In <strong>de</strong>r Waldsiedlung Wandlitz selbst war <strong>de</strong>r Wohnbereich<br />

<strong>de</strong>r Funktionäre, <strong>de</strong>r sog. Innenring, vom<br />

Dienstleistungsteil, <strong>de</strong>m sog. Außenring, wo die Fahrer,<br />

Betreuer <strong>und</strong> Dienstleistungskräfte wohnten,<br />

durch eine Mauer getrennt. Neben technischen Sicherungseinrichtungen<br />

versahen auf Doppelposten<br />

Angehörige <strong>de</strong>s Wachregiments Feliks Dzierzynski<br />

<strong>de</strong>s MfS ihren regelmäßigen Sicherungsdienst. Im<br />

sog. Innenring befan<strong>de</strong>n sich mehr als zwanzig<br />

-<br />

Wohnhäuser, die von Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s ehemaligen Politbüros<br />

bewohnt wur<strong>de</strong>n. Zur Wohnsiedlung zählten<br />

eine Reihe von Dienstleistungseinrichtungen <strong>und</strong><br />

zwar eine Schwimmhalle, ein Kinosaal, medizinische<br />

Einrichtungen, ein Funktionärsclub <strong>und</strong> nicht zuletzt<br />

eine Verkaufsstelle. Den Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> Kandidaten<br />

<strong>de</strong>s Politbüros <strong>und</strong> ihren Familien stan<strong>de</strong>n ferner ein<br />

Fuhrpark <strong>und</strong> eine Tankstelle zur Verfügung, die sie<br />

bis 1988 kostenlos benutzen konnten. Seit 1988 wur<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n außerhalb <strong>de</strong>s Innenrings von Wandlitz leben<strong>de</strong>n<br />

Parteiführern <strong>und</strong> Familienangehörigen die<br />

Tank- <strong>und</strong> Reparaturkosten in Rechnung gestellt<br />

(Dokument-Nr. 624-625).<br />

Durch die La<strong>de</strong>neinrichtung wie auch durch die gastronomischen<br />

Einrichtungen hatten die Bewohner<br />

<strong>de</strong>r Waldsiedlung unbeschränkten Zugang zu Konsum-<br />

<strong>und</strong> Gebrauchsgütern, die sonst in <strong>de</strong>r DDR nur<br />

schwer o<strong>de</strong>r gar nicht zu erhalten waren. Die Warenbereitstellung<br />

wur<strong>de</strong> durch das 1965 gegrün<strong>de</strong>te Unternehmen<br />

Letex organisiert. Offiziell han<strong>de</strong>lte es sich<br />

bei Letex um ein staatliches Han<strong>de</strong>lsobjekt, nach internem<br />

Statut vom 20. Dezember 1965 (Dokument-Nr.<br />

626) war das Unternehmen aber <strong>de</strong>m MfS unterstellt<br />

<strong>und</strong> vollständig von ihm abhängig: „Das Han<strong>de</strong>lsobjekt<br />

ist <strong>de</strong>m Ministerium für Staatssicherheit unterstellt<br />

<strong>und</strong> ... an <strong>de</strong>n Haushalt <strong>de</strong>s Ministeriums für<br />

Staatssicherheit angeschlossen (Dokument-Nr. 626).<br />

Alle Mitarbeiter von Letex waren Angehörige <strong>de</strong>s<br />

MfS, durften aber als solche nach außen nicht in Erscheinung<br />

treten (vgl. Zweiter Teilbericht, BT-Drucksache<br />

12/3920, S. 55.) Seit spätestens 1972 leistete <strong>de</strong>r

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