Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

ZWEITER TEIL
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7600
Feststellungen des Untersuchungsausschusses
A. Entstehung, Organisation und Leitung des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung
I. Politische und wirtschaftliche
Rahmenbedingungen
1. Politisches und wirtschaftliches
System der DDR
Der Bereich Kommerzielle Koordinierung wurde
1966 als Teil des Außenhandelsministeriums der
DDR gegründet. Zur Aufgabe hatte der Bereich von
Anfang an die „maximale Erwirtschaftung kapitalistischer
Valuten außerhalb des Staatsplanes", wie es
in der entsprechenden Ministerratsverfügung vom
1. April 1966 heißt (vgl. Zweiter Teilbericht, BT-
Drucksache 12/3920, Dokument-Nr. 3, S. 96-98). Der
zunächst noch überschaubare Bereich entwickelte
sich unter seinem Leiter Staatssekretär Dr. Schalck-
-Golodkowski in den 70er und 80er Jahren zu einem
eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit verflochtenen
Unternehmenskomplex, der im Wi rt
-schaftsgefüge der DDR eine wirtschaftliche, rechtliche
und politische Sonderstellung einnahm. Ende
1976 wurde der Bereich Kommerzielle Koordinierung
aus dem Ministerium für Außenhandel der
DDR herausgelöst und unter Beibehaltung der offiziellen
Bezeichnung 'Ministerium für Außenhandel,
Bereich Kommerzielle Koordinierung' als selbständiger
Dienstbereich unmittelbar dem Sekretär des
Zentralkomitees (ZK) und Mitglied des Politbüros
der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
(SED) Dr. Günter Mittag unterstellt, seit 1981 sollte
dies auch im Krieg oder Verteidigungsfalle gelten
(vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462, Dokument-Nr.
121, S. 901). Der Bereich, der auf einer
bereits jahrelang geübten Praxis der außerplanmäßigen
Devisenerwirtschaftung für die SED, aber auch
für Staat und Staatssicherheit in der DDR aufbauen
konnte, institutionalisierte und effektivierte die verschiedensten
legalen und illegalen Methoden der
Devisenbeschaffung für die Machthaber der ehemaligen
DDR.
Die Entstehung, Entwicklung und Bedeutung des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung ist vor dem
Hintergrund einer Reihe politischer und rechtlicher
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zu
sehen. Hierzu sind zunächst das politische und wirtschaftliche
System der DDR und dessen Strukturschwächen
zu zählen. Struktur und Arbeitsweise
des Bereichs spiegelten die Gegebenheiten des politischen,
wirtschaftlichen und militärischen Systems
der DDR wider; die erhebliche Ausdehnung des Bereichs
stellte eine Antwort auf die sich wandelnden
Anforderungen, Sachzwänge und Notwendigkeiten
des kommunistischen Herrschafts- und Staatsplansystems
dar.
Eine zentrale Bedeutung hatte ferner, daß zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in politischer
und wirtschaftlicher Hinsicht ein Verhältnis
ganz besonderer Art bestand. Während der gesamten
Dauer der Teilung blieben trotz der Abgrenzungspolitik
der DDR zahlreiche Bindungen bestehen. Auf seiten
der Bundesrepublik Deutschland standen auf der
Grundlage historisch gewachsener Gemeinsamkeiten
und des rechtlichen Fortbestandes Deutschlands
als Ganzes die Bemühungen im Vordergrund, Bindungen
soweit wie möglich zu erhalten und auszubauen.
Die DDR konzentrierte ihr Interesse darauf,
die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu nutzen, die sich
aus dieser politischen Situation ergaben. Die vielfältigen
wirtschaftlichen Aktivitäten des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung können nur vor dem Hintergrund
des komplexen und komplizierten Netzes der
innerdeutschen Wirtschafts- und politischen Beziehungen
verstanden werden. Die Sonderbedingungen
des innerdeutschen Handels begünstigten die Wirtschaftsgeschäfte
des von SED, Staat und Staatssicherheit
der DDR gestützten Bereichs Kommerzielle Koordinierung.
Die widerrechtliche Ausnutzung der im innerdeutschen
Handel gewährten Vergünstigungen
oder die Umgehung der Vorschriften, die diesen Han-