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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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trafen sie am Grenzkontrollpunkt Invali<strong>de</strong>nstraße ein.<br />

Nach <strong>de</strong>r Kontrolle ihrer Pässe konnten sie ungehin<strong>de</strong>rt<br />

ausreisen.<br />

2. Dr. Schalck-Golodkowski in <strong>de</strong>r<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

a) Stationen Dr. Schalck-Golodkowskis nach seiner<br />

Flucht<br />

aa) Aufenthalt in Berlin (West)<br />

Nach <strong>de</strong>n Feststellungen <strong>de</strong>s Untersuchungsausschusses<br />

beabsichtigte Dr. Schalck-Golodkowski in<br />

<strong>de</strong>r Fluchtnacht nicht von vornherein, in Berlin (West)<br />

bzw. <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland zu bleiben,<br />

son<strong>de</strong>rn zog eine Weiterreise in die Sowjetunion in<br />

Betracht.<br />

Sigrid Schalck-Golodkowski hat vor <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß<br />

bek<strong>und</strong>et, daß sie <strong>und</strong> ihr Mann<br />

während <strong>de</strong>r Flucht überlegt hätten, am nächsten Tag<br />

von Berlin (West) aus in die Sowjetunion zu fliegen.<br />

Diese Behauptung ist ihr nicht zu wi<strong>de</strong>rlegen. Ihre Begründung,<br />

daß sie diesen Weg dann nicht mehr hätten<br />

beschreiten können, weil die Meldungen über<br />

<strong>de</strong>n „Hochverrat" schon am Morgen <strong>de</strong>s 3. Dezember<br />

1989 durch die Medien gegangen seien <strong>und</strong> die Weiterreise<br />

nicht mehr unauffällig möglich gewesen sei,<br />

ist plausibel.<br />

Der Untersuchungsausschuß hat festgestellt, daß Dr.<br />

Schalck-Golodkowski tatsächlich für <strong>de</strong>n Fall einer<br />

Flucht bereits konkrete Vorkehrungen für eine Ausreise<br />

in die UdSSR getroffen hatte. Egon Krenz, <strong>de</strong>r<br />

Dr. Schalck-Golodkowskis Auffassung teilte, daß die<br />

Chancen, die Probleme aus eigener Kraft zu lösen, immer<br />

geringer wur<strong>de</strong>n, hatte bereits Wochen vor <strong>de</strong>r<br />

Flucht mit <strong>de</strong>m sowjetischen Botschafter besprochen,<br />

wie Dr. Schalck-Golodkowski <strong>und</strong> seine Familie geschützt<br />

wer<strong>de</strong>n könnten. Am 1. Dezember 1989 hatte<br />

ein Fre<strong>und</strong> Dr. Schalck-Golodkowski überdies einen<br />

Plan <strong>und</strong> eine Skizze mit <strong>de</strong>m Weg zu einer sowjetischen<br />

Garnison überbracht. In <strong>de</strong>r Fluchtnacht führte<br />

Dr. Schalck-Golodkowski diesen Plan nicht aus, weil<br />

ihm die Zeit dafür nicht zur Verfügung stand <strong>und</strong> er<br />

zu<strong>de</strong>m befürchtete, daß es dort „Kräfte geben mußte,<br />

die ... kein Interesse an meiner Existenz hatten" . Er<br />

hoffte statt<strong>de</strong>ssen, am nächsten Tag von Berlin (West)<br />

aus direkt in die UdSSR fliegen zu können.<br />

Zwar steht auch fest, daß sich Dr. Schalck-Golodkowski<br />

angesichts <strong>de</strong>r unvorhersehbaren Entwicklung in<br />

<strong>de</strong>r DDR bereits im November 1989 gedanklich mit<br />

<strong>de</strong>r Vorstellung befaßt hatte, ob es möglich wäre, bei<br />

einer Verschlechterung seiner persönlichen Lage in<br />

<strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland Aufnahme zu fin<strong>de</strong>n.<br />

In diesem Sinne hatte er mehrere Wochen vor<br />

<strong>de</strong>r Flucht bei B<strong>und</strong>esminister Dr. Wolfgang Schäuble<br />

vorgefühlt. B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble hatte ihm<br />

auf die Frage „ob er <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik geschützt<br />

wür<strong>de</strong>, wie das <strong>de</strong>nn wäre" (24. Sitzung, Protokoll<br />

S. 40) geantwortet, daß er als <strong>Deutscher</strong> selbstverständlich<br />

Aufnahme fin<strong>de</strong>n könne. Er wer<strong>de</strong> dann<br />

gegen rechtswidrige Ang riffe genauso geschützt wie<br />

je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Bürger auch.<br />

<strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong> Drucksache 12/7600<br />

In <strong>de</strong>n vorsorglichen Überlegungen <strong>de</strong>r Eheleute<br />

Schalck-Golodkowski hatte die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland als Zufluchtsort bis zum 2. Dezember<br />

1989 aber keine bevorzugte Rolle gespielt. Vielmehr<br />

kam für sie im Fall <strong>de</strong>r Flucht vorrangig Pine Ausreise<br />

nach Jugoslawien o<strong>de</strong>r in die UdSSR in Betracht, weil<br />

sie dort Fre<strong>und</strong>e besaßen.<br />

Hierfür spricht auch <strong>de</strong>r Umstand, daß Dr. Schalck-<br />

Golodkowski nicht bereits bei <strong>de</strong>m Flug nach Stuttgart<br />

am 2. Dezember 1989 in Begleitung seiner Frau<br />

in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland geblieben war.<br />

Daraus kann abgeleitet wer<strong>de</strong>n, daß eine Flucht in<br />

<strong>de</strong>n Westen nicht vorgeplant war. Zwar ist es <strong>de</strong>nkbar,<br />

daß diese Reise die spätere Flucht vorbereiten<br />

sollte, ein Überwechseln nach Berlin (West) nunmehr<br />

also geplant war. Dem steht jedoch an<strong>de</strong>rerseits die<br />

Tatsache entgegen, daß Sig rid Schalck-Golodkowski<br />

am Morgen nach <strong>de</strong>r Flucht unter großer Gefahr nach<br />

Berlin (Ost) zurückkehrte, um wichtige persönliche<br />

Dinge aus ihrem Haus zu holen. Wenn die Flucht bereits<br />

konkret in Stuttgart geplant gewesen wäre, hätte<br />

sie diese Dinge unauffällig nach <strong>de</strong>r Rückkehr am<br />

Nachmittag einpacken können.<br />

Die Aussage, daß Berlin (West) zunächst nur als Übergangsstation<br />

gedacht war, steht überdies mit <strong>de</strong>r weiteren<br />

Einlassung von Sigrid Schalck-Golodkowski im<br />

Einklang, daß sie <strong>und</strong> ihr Mann beim Überwechseln<br />

von Berlin (Ost) nach Berlin (West) noch nicht wußten,<br />

wo sie in <strong>de</strong>r Nacht bleiben wür<strong>de</strong>n.<br />

Nach <strong>de</strong>r Ankunft in Berlin (West) rief Sig rid Schalck-<br />

Golodkowski eine Person an, <strong>de</strong>r sie ihre Situation<br />

schil<strong>de</strong>rte <strong>und</strong> die sie um Hilfe bat. Nach <strong>de</strong>n Feststellungen<br />

<strong>de</strong>s Untersuchungsausschusses ist das Ehepaar<br />

Schalck-Golodkowski bei einer west<strong>de</strong>utschen<br />

Mitarbeiterin <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle Koordinierung<br />

in Berlin (West) untergekommen. Dies hat Dr.<br />

Schalck-Golodkowski zwar bestritten. Er hat sich vor<br />

<strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß dahingehend eingelassen,<br />

daß sie bei einer „ganz unscheinbaren Ch ristenfrau<br />

" Aufnahme gef<strong>und</strong>en hätten, die mit Sicherheit<br />

nie Mitarbeiterin <strong>de</strong>s Bereichs gewesen sei. Dem stehen<br />

jedoch die Aussagen von B<strong>und</strong>esminister Dr.<br />

Schäuble <strong>und</strong> Dr. Neukamm gegenüber.<br />

Dr. Neukamm hat vor <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß<br />

bek<strong>und</strong>et, daß ihm jene Frau als eine in Berlin (West)<br />

wohnen<strong>de</strong> Mitarbeiterin aus Dr. Schalck-Golodkowskis<br />

Verantwortungsbereich vorgestellt wor<strong>de</strong>n sei.<br />

Auch B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble hat ausgesagt, Dr.<br />

Schalck-Golodkowski sei in Berlin (West) in <strong>de</strong>r Wohnung<br />

einer Mitarbeiterin seines wi rtschaftlichen<br />

Komplexes untergekommen.<br />

Der Wahrheitsgehalt <strong>de</strong>r Aussagen von Dr. Neukamm<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esminister Dr. Schäuble ist nicht zu bezweifeln,<br />

da für sie kein Interesse ersichtlich ist, falsch auszusagen<br />

<strong>und</strong> sich damit strafbar zu machen. Demgegenüber<br />

liegt nahe, daß Dr. Schalck-Golodkowski<br />

eine Mitarbeiterin, die ihm in einer schwierigen Situation<br />

Hilfe leistete, nicht bloßstellen wollte <strong>und</strong> er zu<br />

einer Schutzbehauptung griff.

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