Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Berichte an die Öffentlichkeit erstattete die Lindemann-Kommission
ab Februar 1990, nachdem sich
die Kommission einen Überblick über die Aktivitäten
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung verschafft
hatte. In der Öffentlichkeit ging es dabei besonders
um die Privilegierung von Mitgliedern der Partei- und
Staatsführung.
Die Untersuchungskommission beendete ihre Arbeit
mit einem Abschlußbericht. Dieser Bericht wurde in
einer Version gegenüber dem „Runden Tisch" mündlich
vorgetragen; eine umfangreichere Version, die
u.a. den Bericht der Finanzrevision unter Hube rt Jauer
als Anlage enthielt, wurde der Regierung zugeleitet.
-
Der Bericht der Lindemann-Kommission wurde am
15. März 1990 dem Ministerrat vorgelegt und do rt verabschiedet
(Dokument-Nr. 735 und Erster Teilbericht,
BT-Drucksache 12/3462, Dokument-Nr. 239, S. 1735).
Wenige Tage zuvor, am 12. März 1990, erstatteten Dr.
Willi Lindemann und Dr. Gerstenberger vor dem
„Runden Tisch" einen entsprechenden mündlichen
Bericht. Die Akten der Untersuchungskommission
wurden in das Ministerium für Außenhandel gebracht.
Ebenso wie die Kommission wurde auch der
Bereich Kommerzielle Koordinierung als staatliche
Einrichtung aufgelöst (Dokument-Nr. 735). Der Bericht
der Lindemann-Kommission wurde auch an die
neue Regierung de Maizière weitergegeben, und
zwar persönlich von Dr. Hans Modrow an dessen
Nachfolger.
In seinem 13seitigen Bericht vor dem „Runden Tisch"
behandelte Dr. Willi Lindemann vier Bereiche, in denen
die Untersuchungskommission ermittelt hatte:
Bildung und Struktur des Bereichs Kommerzielle Koordinierung,
ökonomische Aktivitäten und damit verbundene
Formen des Machtmißbrauchs, Finanzstatus
und weiteres Vorgehen bei den Unternehmen des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung nach seiner Auflösung
(vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/
3462, Dokument-Nr. 238, S. 1717).
Die Untersuchungen hätten ergeben, daß zwischen
dem Bereich Kommerzielle Koordinierung und dem
MfS enge Beziehung bestanden hätten und der Minister
für Staatsicherheit Mielke Befehle für die sog.
operative Arbeit erlassen habe. Dr. Schalck-Golodkowski
sei als Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
hierzu Mielke direkt unterstellt und rechenschaftspflichtig
gewesen. Wie sein Stellvertreter
Manfred Seidel sei Dr. Schalck-Golodkowski OibE
des MfS gewesen.
In dem Bericht wurde betont, daß der Bereich Kommerzielle
Koordinierung durch Sonderregelungen
der Kontrolle von Parlament und Regierung entzogen
gewesen sei; insbesondere seien Transaktionen
regelmäßig nicht oder unvollständig im Volkswirtschaftsplan
erfaßt und eingebracht worden. Als Devisenausländer
habe der Bereich Kommerzielle Koordinierung
keinerlei Beschränkungen im Umgang mit
konvertierbaren Devisen unterlegen und Bankverbindungen
ins Ausland unterhalten. Außerdem habe
Dr. Schalck-Golodkowski über ein eigenes Siegelrecht
verfügt und den Einrichtungen des Zolls An-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7600
weisungen geben können (vgl. Erster Teilbericht, BT
Drucksache 12/3462, Dokument-Nr. 238, S. 1717).
Ziel der Sonderstellung des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung sei es - so der Bericht weiter - gewesen,
die Devisenerwirtschaftung mittels Waren-,
Finanz- und Börsenoperationen im sog. NSW zu
maximieren und zwar unter Einbeziehung der
Deutschen Handelsbank AG als Geschäftsbank des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung (vgl. Erster
Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462, Dokument-Nr.
238, S. 1717).
Außerdem sei es darum gegangen, die Möglichkeiten
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung für die sog.
operative Arbeit des MfS zu nutzen. Für die Koordination
und Sicherung der Geheimhaltung der MfS-Verbindung
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
sowie der entsprechenden Unternehmen und Personen
im Ausland war nach den Feststellungen der Lindemann-Kommission
die Hauptabteilung I unter
Manfred Seidel zuständig. Über diese Hauptabteilung
seien auch mit Hilfe besonderer Unternehmen
Embargowaren für die Volkswirtschaft sowie Luxusgüter
für bestimmte Personengruppen beschafft worden
(vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462,
Dokument-Nr. 238, S. 1717).
Daß zum Zwecke der Devisenerwirtschaftung Belastungen
der Volkswirtschaft bewußt in Kauf genommen
wurden, erläuterte Dr. Lindemann an den Beispielen
Kunst und Antiquitäten, Waffen- und Abfallstoffhandel
sowie Import-Exportpreiserhöhungen
aufgrund der Provisionserwirtschaftung des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung (vgl. Erster Teilbericht,
BT-Drucksache 12/3462, Dokument-Nr. 238,
S. 1717).
Insgesamt - so ermittelte die Untersuchungskommission
- sei der Bereich an 25 Unternehmen und sechs
gemischten Gesellschaften im Ausland beteiligt gewesen,
die Gewinne und Provisionen an den Bereich
Kommerzielle Koordinierung abgeführt hätten. Zu
diesen Einnahmen aus Beteiligungen kamen Einnahmen
aus Geld- und Kreditgeschäften des Bereichs.
Nach Angaben Lindesmanns betrugen die Einnahmen
für das Jahr 1989 7,2 Mrd. VM. Die vom Bereich
Kommerzielle Koordinierung gehaltenen Beteiligungen
seien dessen Eigentum und somit Staatseigentum
gewesen (vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/
3462, Dokument-Nr. 238, S. 1717).
Die erwirtschafteten Devisen waren insbesondere zur
Unterstützung der DKP in der Bundesrepublik
Deutschland vorgesehen (vgl. Erster Teilbericht, BT
Drucksache 12/3462, Dokument-Nr. 238, S. 1717). Allerdings
befand sich die DKP nicht in Dr. Lindemanns
Aufzählung unter den Verwendungspositionen von
Devisen aus dem Bereich Kommerzielle Koordinierung.
Die Gesamtausgaben wurden auf eine Summe von
9,2 Mrd. VM für 1989 geschätzt. Der Bereich Kommerzielle
Koordinierung hätte danach 1989 ein Defizit
von zwei Mrd. VM verursacht. Als Einzelpositionen
genannt wurden 5,1 Mrd. VM zur Sicherung der Zahlungsbilanz
für Kredite der Deutschen Außenhandelsbank
AG und zur Reservebildung im In- und Ausland
(Geld- und Wertpapierkäufe). 3,8 Mrd. VM wa-