Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
toplottern, Software, Plastverarbeitungsmaschinen
und Bildwandlern eine hochpräzise Tiefdruckmaschine
umfaßte, die die Abteilung 35 des OTS zur Nachahmung
des sog. fälschungssicheren Personalausweises
der Bundesrepublik Deutschland und von behelfsmäßigen
West-Berliner Ausweisen einsetzen wollte
(Dokument-Nr. 130). Laut Aussage des Mitarbeiters
des OTS, Dr. Werner Roitzsch, vor dem Generalbundesanwalt
am 21. September 1991, fand dieses Projekt
in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung VI
der HVA statt. Während der OTS für die Lieferung der
Blankodokumente zuständig war, setzte die Abteilung
VI der HVA die zu benutzenden Personalien und
Lichtbilder ein.
Der Auftrag zur Realisierung des „Objekts X" wurde
dem Handelsbereich 4 des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
durch Dr. Schalck-Golodkowski persönlich
erteilt. Innerhalb des MfS wurde der 1. Stellvertreter
des Leiters des OTS, Manfred Hanewald, mit
der Durchführung des Projekts beauftragt. Auf seiten
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung erfolgte
die Beschaffung des „Objekts X" in enger Zusammenarbeit
zwischen dem stellvertretenden Leiter des
HB 4, Dietrich Kupfer, Heinz-Fred Sredzki und Dr.
Schalck-Golodkowski. Zur Beschaffung der Druckmaschine
wurde vom HB 4 die Intrac S.A. in Lugano
eingesetzt.
Die Finanzierung des Objekts, das einen Gesamtwert
von über zehn Mio. DM hatte, fand zumindest teilweise
über den Leiter der HA I des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung, Manfred Seidel, statt, der zu
diesem Zweck Beträge von zwei Mio. USD und vier
Mio. CHF vom „Mielke-Konto" 0528 auf das Konto
0745 bei der Deutschen Handelsbank AG überwies.
Die übrige Finanzierung erfolgte über die HA II des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung. „Aufgrund
der hohen Vertraulichkeit und Spezifik dieser Importe"
wurde die „inlandsseitige und auslandsseitige
Zahlung und Realisierung außerhalb jeder betriebswirtschaftlichen
Erfassung im HB 4 vorgenommen",
hieß es in einem internen Bericht (Dokument-Nr. 131).
Die Realisierung des „Objekts X" stand unter der persönlichen
Kontrolle von Dr. Schalck-Golodkowski.
Aus einem Protokoll vom 20. Februar 1989 geht hervor,
daß Dr. Schalck-Golodkowski vom HB 4 verlangte,
ihn monatlich über den Stand der Realisierung der
Importe und mögliche Probleme zu unterrichten.
Ob eine abschließende Realisierung des Projekts stattfand,
konnte von Ronneberger, der den HB 4 am 31.
März 1990 verließ, nicht gesagt werden. Seiner Aussage
bei dem Bundeskriminalamt am 15. Oktober 1991
nach waren bis zu seinem Ausscheiden lediglich Einzelteile,
nicht aber z.B. die Druckmaschine, geliefert
worden. Ronneberger schloß nicht aus, daß die abschließende
Vertragsabwicklung möglicherweise mit
der Nachfolgeeinrichtung des OTS, dem „Institut für
wissenschaftlichen Gerätebau" , durchgeführt wurde.
Neben dieser einmaligen Beschaffung für den OTS,
bei der Dr. Schalck-Golodkowski persönlich stark engagiert
war, realisierte der Bereich Kommerzielle Koordinierung
in Zusammenarbeit mit der AG Baude
(auch AG MAH genannt), Wolfram Zahn und der HA
XVIII/8 des MfS weitere Importe aller Art für das
MfS. Es handelte sich dabei sowohl um Embargowaren
als auch um Ersatzteile für PKW, Büromaterial etc.
Bei der AG Baude handelte es sich um eine Diensteinheit
der Abteilung Planung der Verwaltung Rückwärtige
Dienste (VRD) des MfS, die aus Gründen der Tarnung
zunächst in den Dienstgebäuden des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung und später in den Geschäftsräumen
des Unternehmens Dr. Günther Forgber
untergebracht war. Aufgabe der Arbeitsgruppe
war die schnelle und unbürokratische Beschaffung
von Waren aller Art für das MfS, die NVA und das Ministerium
des Innern (MdI). Die Beschaffungsaufträge
erhielt die AG MAH vom MfS über den Mitarbeiter
der VRD, Major Klaus Jokiel, oder von Dr. Schalck-Golodkowski.
Die Größenordnungen für die Beschaffungen
lagen zwischen fünf und sechs Mio. DM pro Jahr.
Leiter der AG MAH war zunächst Oberst Willi Böhme
und ab 1981 der hauptamtliche Mitarbeiter des MfS,
Oberstleutnant Heinz Baude, der Ende der 50er Jahre
unter dem Aliasnamen „Dietrich Schröder" als Agent
der HVA in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt
war und dort 1962 vom Oberlandesgericht Koblenz
wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit
verurteilt wurde. Neben Baude waren auch alle anderen
Mitglieder der Arbeitsgruppe hauptamtliche Mitarbeiter
des MfS und dem Leiter der Abteilung Planung
disziplinarisch unterstellt. Zur Tarnung ihrer Tätigkeit
wurden sie im Bereich Kommerzielle Koordinierung
als OibE geführt (Dokument-Nr. 132).
Laut einem Brief des Leiters der VRD, Generalmajor
Günter Müller, an den Minister für Staatssicherheit
Erich Mielke vom 18. Oktober 1984 diente die Zusammenarbeit
der AG MAH mit dem Bereich Kommerzielle
Koordinierung insbesondere der Beschaffung
von sog. kommerziellen Importen für das
MfS. Aufgrund der wachsenden Anforderungen des
MfS nach „modernen Geräten, Ausrüstungen und
Bauelementen" , sollten diese „entsprechend den verschärften
Außenwirtschaftsbedingungen außerhalb
der offiziellen Außenhandelsbeziehungen als kommerzielle
Importe beschafft werden" . (Dokument-Nr. 133)
Die Wahrung der „Konspiration" und Geheimhaltung
stellte für die AG MAH eine grundlegende Arbeitsbedingung
dar. Der eigentliche Zweck und Inhalt ihrer
Tätigkeit sollte sogar den Mitarbeitern des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung nicht bekannt werden.
Nach außen trat die AG MAH daher ausschließlich als
Diensteinheit des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
zur Erfüllung von Außenhandelsaufgaben auf
(Dokument-Nr. 132). Lediglich Dr. Schalck-Golodkowski,
seine Sekretärin und OibE Gisela Brachaus
sowie der OibE Manfred Seidel, der für die Aufrechterhaltung
der Arbeitsbeziehungen des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung zur AG MAH zuständig war,
waren über die tatsächlichen Aktivitäten der Arbeitsgruppe
informiert.
Welchen Einfluß der Bereich Kommerzielle Koordinierung
bzw. Dr. Schalck-Golodkowski auf die Geschäftstätigkeit
der AG MAH nahm, konnte vom Untersuchungsausschuß
nicht abschließend geklärt werden.
Während Baude, laut Aussage von Zahn bei dem
Bundeskriminalamt am 18. Februar 1992, gegenüber
Dr. Schalck-Golodkowski bei der Durchführung be-