Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Bereich Kommerzielle Koordinierung einen wachsenden
Beitrag zur Versorgung der Waldsiedlung und ihrer
Bewohner mit westlichen Konsumgütern. Zudem
übernahm eine vom Bereich Kommerzielle Koordinierung
organisierte Arbeitsgruppe Sonderbeschaffung
die Aufgabe, westliche Waren und Konsumgüter, die
über das Unternehmen Letex und deren zum Bereich
Kommerzielle Koordinierung gehörenden Lieferanten
Asimex und Delta nicht zu erhalten waren, in kürzester
Zeit zu beschaffen. Die Gruppe von mit Fahrzeugen
ausgestatteten „Kurieren" oder „Beschaffern"
wurde von Sigrid Schalck-Golodkowski geleitet, der
Ehefrau Dr. Schalck-Golodkowskis, des Leiters des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung.
Der Umfang des Personenkreises, der in den Genuß
der Wandlitzer Sonderversorgung kam, wuchs im
Laufe der Jahre. Alle Versuche, ihn einzuschränken,
scheiterten. Nach einer von Dr. Schwertner im Ap ril
1988 dem Minister für Staatssicherheit, Mielke, zur
Vervollständigung übergebenen Liste war ein Kreis
von über 150 „Repräsentanten" und 227 Angestellten
des MfS berechtigt, sich in der Wandlitzer Verkaufseinrichtung
zu versorgen (Dokument-Nr. 627). Im
September 1988 beklagte der Leiter der HA PS, Generalleutnant
Günter Wolf, in einem Schreiben an den
Minister der Staatssicherheit E rich Mielke die
„wachsende Zahl des zu versorgenden und zu betreuenden
Personenkreises" sowie die „gestiegene
Nutzung der Einrichtungen des Objektes Waldsiedlung
durch weitere Verwandte und Bekannte" . (Dokument-Nr.
628) Auch zahlreiche Personen außerhalb
der Nomenklatur wurden mitversorgt (Dokument-Nr.
629-630). Von Wandlitz aus wurden ferner der Amtssitz
des Staatsrates und rund 15 Freizeitobjekte der
Partei- und Staatsführung der DDR mit Nahrungsund
Genußmitteln, mit Konsum- und Verbrauchsgütern
mitversorgt.
2. Rolle des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung
Bis zu Beginn der 70er Jahre wurden die Ladeneinrichtung
und die verschiedenen gastronomischen
Einrichtungen in Wandlitz über die in der DDR hergestellten
Nahrungsmittel, Konsum- und Gebrauchsgüter
hinaus auch mit sog. AZKW-Waren versorgt, also
mit Waren, die im Päckchen- und Paketverkehr mit
der Bundesrepublik Deutschland durch das Amt für
Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs (AZKW) bzw.
die Zollverwaltung der DDR beschlagnahmt worden
waren. Der Leiter der HA PS des MfS, Günter Wolf,
sagte am 14. Februar 1990 gegenüber dem Militärstaatsanwalt
der DDR aus: „Als ich 1964 in die Hauptabteilung
Personenschutz kam, war es bereits üblich,
daß in der Waldsiedlung NSW-Artikel verkauft wurden,
die vom AZKW (Amt für Zoll und Kontrolle des
Warenverkehrs) kamen. Mit der Bildung des Handelsunternehmens
'LETEX' gehörte es zu deren Aufgabe,
diese Waren vom AZKW heranzuschaffen." Die
Waren, vor allem Lebens- und Genußmittel sowie
Textilien, wurden für Wandlitz vom Zollager in Berlin-
Rummelsburg zur Verfügung gestellt. (Anmerkung:
Im Jahre 1961 soll Honecker, damals als Sicherheitssekretär
des ZK, angeordnet haben, alle von der Zollverwaltung
der DDR beschlagnahmten und eingezo
Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode Drucksache 12/7600
genen Konsumartikel nach Wandlitz zu verbringen
und hier für einen symbolischen Preis anzubieten.
(Vgl. Peter Przybylski: Tatort Politbüro. Die Akte Honecker,
Reinbeck bei Hamburg 1992, S.150, ohne
Quellenangabe.)
Im Gefolge der Aufnahme der deutsch-deutschen
Verhandlungen im Jahre 1971 mußte diese Praxis eingestellt
werden. Nach bundesdeutscher Beobachtung
ging die Zahl der beschlagnahmten Pakete von
96.000 im Jahre 1970 auf 54.000 im Jahre 1971 und
31.000 im Jahre 1972 zurück. Den wachsenden Bedarf
an westlichen Nahrungsmitteln und Konsumgütern in
Wandlitz versuchten daraufhin die MfS-Mitarbeiter,
die für die Verwaltung der Politbürosiedlung verantwortlich
waren, anderweitig zu decken. Versuche,
das Angebot mit Waren aus der DDR-Produktion zu
erweitern, scheiterten an der Kritik der Wandlitz-Bewohner.
Daraufhin übernahm im Laufe des Jahres
1972 schließlich der Bereich Kommerzielle Koordinierung
die Aufgabe, den Dienstleistungskomplex
Wandlitz mit westlichen Nahrungsmitteln und Konsumgütern
zu versorgen. (vgl. Erster Teilbericht, BT
Drucksache 12/3462, Dokument-Nr. 39, S. 395.)
Dr. Schalck-Golodkowski hat bei seiner Befragung
durch den BND jede „sachliche und inhaltliche Verantwortung"
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
für die Privilegien in Wandlitz bestritten, die
über die Finanzierung der Valutaimporte, er nennt es
„Zwischenfinanzierung", von jährlich vier Mio. DM
für die Jahre 1980 bis 1984 und von sechs Mio. DM für
die Jahre 1985 bis 1989 hinausging. Nach seiner Darstellung
war der ehemalige Bereich Kommerzielle Koordinierung
„ausschließlich für die Finanzierung der
Valutaimporte" von Letex zuständig - und nahm darüber
hinaus „keinerlei weitere sachliche und inhaltliche
Verantwortung" wahr. Der Bereich habe weder
auf das gehandelte Sortiment Einfluß genommen
noch auf die Preisbildung für die importierten Waren.
Den Grundsatzauftrag zur Finanzierung der Valutaimporte
habe er mündlich von Dr. Mittag und Mielke
erhalten. Die organisatorische und finanztechnische
Abwicklung habe er seinem Stellvertreter, Manfred
Seidel, übertragen (Dokument-Nr. 631). Aber bei dieser
Finanzierung der Importe für Wandlitz handelte es
sich keineswegs nur um einen rein „finanztechnischen
Vorgang" . Die angebliche „Zwischenfinanzierung"
stellte in Wirklichkeit eine vollständige Finanzierung
der Versorgung der Wandlitz-Bewohner
mit Westimporten aus den knappen Devisenfonds des
Staates dar. Während alle übrigen DDR-Bürger die
begehrten Westwaren höchstens im Intershop-Handel
nur gegen harte Devisen kaufen konnten, konnte
die Politprominenz der DDR und ihre Angehörigen,
ein Personenkreis von mindestens 260 Personen, die
vom Bereich Kommerzielle Koordinierung finanzierten
Importwaren in Wandlitz gegen Mark der DDR erstehen,
wobei die Preise in Mark der DDR auch nicht
annährend dem realen Valutaaufwand entsprachen.
Der Bereich Kommerzielle Koordinierung leistete
aber auch einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer
Infrastruktur der Sonderversorgung. Der Bereich
Kommerzielle Koordinierung unterhielt allein zwei
Kuriergruppen, um jederzeit auch die ausgefallensten
Sonderwünsche der Politprominenz befriedigen zu
können. Zudem nahm man seitens des Bereichs Ein-