Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

tung und Ausgestaltung des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung Einfluß, um beispielsweise die Beschaffung
von Embargo-Hochtechnologie aus dem
Westen zu erleichtern oder eine konspirative Absicherung
für die verdeckt arbeitenden sogenannten MfS-
Firmen zu schaffen. Dabei sicherte die vom MfS gesteuerte
Personalpolitik sowohl den kontrollierenden
Einfluß auf den Bereich Kommerzielle Koordinierung
als auch die nachrichtendienstliche Nutzung der im
In- und Ausland arbeitenden Mitarbeiter des Bereichs
und dessen Unternehmen.
So war Horst Roigk der erste Leiter des damals im Entstehen
begriffenen Bereichs Kommerzielle Koordinierung;
Horst Roigk war zuvor Leiter der Abteilung Koordination
in der MfS-Hauptabteilung XVIII, die für
die Sicherung der Volkswirtschaft zuständig war.
Sehr schnell wurde Roigk dann im Dezember 1966
durch Schalck-Golodkowski ersetzt, der seinerseits
zum Ministerium für Staatssicherheit gehörte, darüber
hinaus aber auch über eine Vielzahl von zum Teil
auch persönlichen und freundschaftlichen Kontakten
zu MfS-Offizieren verfügte. Bezeichnenderweise
wurde die Doktorarbeit von Dr. Schalck-Golodkowski
zur Erlangung des Doktorgrades an der MfS-Hochschule
in Potsdam vorgelegt; die Dissertation Dr.
Schalck-Golodkowskis vom Mai 1970 entstammte einer
engen Zusammenarbeit mit Heinz Volpert, einem
der Top-Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit.
In der Dissertation wurden die ökonomischen
Leitideen des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
entwickelt, die Dr. Schalck-Golodkowski später in die
Praxis umzusetzen suchte.
Entgegen den Bekundungen Dr. Schalck-Golodkowskis
vor dem Untersuchungsausschuß ist davon auszugehen,
daß er schon seit 1960 - mit hoher Wahrscheinlichkeit
als Inoffizieller Mitarbeiter - für das MfS tätig
war. Parallel zu seiner Ernennung zum Leiter des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung erfolgte im Jahr
1966 seine Ernennung („Attestierung") zum Offizier
im besonderen Einsatz des MfS im Range eines
Oberstleutnants. 1975 avancierte er zum Oberst im
MfS; seine Beförderung zum Generalmajor im MfS
wurde im Jahr 1983 nur deshalb zurückgestellt, weil
dies die Zustimmung aller Politbüromitglieder und des
gesamten Nationalen Verteidigungsrates erfordert
und somit die konspirative Zusammenarbeit Dr.
Schalck-Golodkowskis mit dem MfS gefährdet hätte.
Spätestens 1983 wurde Dr. Schalck-Golodkowski mit
dem Befehl Nr. 14/83 (vgl. Erster Teilbericht, BT
Drucksache 12/3462, Dokument-Nr. 146, S. 1104) des
MfS dem Minister für Staatssicherheit Mielke in allen
Fragen der Sicherheit und der Nutzung „des Bereichs
für die politisch-operative Arbeit des MfS" direkt unterstellt.
Davon unberührt blieb die wirtschaftspolitische
Verantwortung des Leiters des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung; insoweit unterstand der Bereich
direkt dem Politbüro-Mitglied und ZK-Sekretär
Dr. Mittag. Dabei handelte es sich um eine echte Doppelunterstellung;
eindeutig wurden Dr. Mittag und
Honecker von bestimmten Informationen Dr. Schalck-
Golodkowskis an Mielke ausgeschlossen, mit dem
auch häufige telefonische Kontakte über eine Sonderleitung
zustande kamen. Mielke genehmigte auch
Urlaubsanträge von Dr. Schalck-Golodkowski.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7600
Personalpolitik betrieb das MfS aber nicht nur hinsichtlich
der Person des Leiters des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung. Offiziere im besonderen Einsatz
(OibE) waren handverlesene absolut linientreue Mitarbeiter
und wurden in Leitungs- und Schlüsselpositionen
des Bereichs eingesetzt. Die herausragende
Bedeutung des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
als Mangelwaren- und Devisenbeschaffer und als im
„NSW” wirtschaftlich operierende Struktur erforderte
den Einsatz einer Vielzahl solcher Offiziere im besonderen
Einsatz. Allein für die sog. AG BKK (Arbeitsgruppe
Bereich Kommerzielle Koordinierung) im MfS
waren zusammen mit Dr. Schalck-Golodkowski mindestens
16 OibE und etwa 180 IM im Bereich tätig.
Die besondere Stellung Dr. Schalck-Golodkowskis eröffnete
ihm in sog. Kaderfragen ein starkes personelles
Mitspracherecht. Vor 1983 arbeiteten eine Reihe
von verschiedenen Diensteinheiten des MfS unmittelbar
im Bereich Kommerzielle Koordinierung. Diesen
Einfluß versuchte Dr. Schalck-Golodkowski dadurch
einzudämmen, daß er die Gründung der AG BKK
quasi als seine Hausmacht im MfS initiierte. Es ist
aber davon auszugehen, daß es ihm dabei nicht um
die generelle Zurückdrängung des MfS-Einflusses
aus dem Bereich Kommerzielle Koordinierung ging,
sondern um die Koordinierung dieser Interessen
durch die AG BKK mit dem Ziel, die eigene Stellung
als Oberst (bzw. Generalmajor in Wartestellung) und
Offizier im besonderen Einsatz des MfS im Bereich
Kommerzielle Koordinierung gegenüber den Führungsrängen
des MfS zu stärken.
a) Der zuvor bereits erwähnte MfS-Befehl Nr. 14/83
und dessen Nachfolgeregelung Nr. 12/88 (vgl. Erster
Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462, Dokument-Nr.
196, S. 1476) sprechen insoweit eine
deütliche Sprache:
aa) Dr. Schalck-Golodkowski wurde als Leiter
des Bereichs dem Minister für Staatssicherheit
Mielke persönlich unterstellt.
bb) Die neu geschaffene AG BKK erhielt den Auftrag,
das „politisch-operative Zusammenwirken"
der verschiedenen „operativen Diensteinheiten"
des MfS auch mittels OibE und Inoffizieller
Mitarbeiter mit dem Bereich Kommerzielle
Koordinierung zu koordinieren.
Dazu gehörte, daß Operationen anderer Diensteinheiten
mit dem Leiter der AG BKK abgestimmt
werden mußten. Der Befehl eröffnete
die IM-Arbeit im Bereich grundsätzlich nur
noch der AG BKK; insbesondere die Inoffiziellen
Mitarbeiter der für die Außenhandelsbetriebe
und Vertretergesellschaften zuständigen
Hauptabteilung XVIII waren der AG BKK
zu übergeben. Dies galt auch für die Offiziere
im besonderen Einsatz im Bereich Kommerzielle
Koordinierung mit Ausnahme der von
der Verwaltung Rückwärtige Dienste (u.a. Beschaffungen)
und der Hauptabteilung VI
(Paßkontrolle, Tourismus, Interhotel) des MfS
geführten OibE.
Ausdrücklich regelte der Befehl, daß weitere
OibE im Bereich Kommerzielle Koordinierung
nur nach vorheriger Abstimmung mit dem