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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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Drucksache 12/7600 <strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong><br />

Formell wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bereich in das Ministerium für Außenhan<strong>de</strong>l<br />

eingeglie<strong>de</strong>rt, war jedoch in Wirklichkeit<br />

eine Art Staat im Staate, <strong>de</strong>r, mit Son<strong>de</strong>rrechten ausgestattet,<br />

sich nahezu je<strong>de</strong>r Kontrolle entziehen<br />

konnte.<br />

Der Bereich Kommerzielle Koordinierung wur<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Leiters Dr. Schalck-Golodkowski, seines<br />

Stellvertreters Manfred Sei<strong>de</strong>l sowie sämtlicher<br />

strategischer Personalstellen bis hin zu Kurieren <strong>und</strong><br />

Fahrern mit Offizieren im beson<strong>de</strong>ren Einsatz <strong>de</strong>s<br />

MfS besetzt. Weitere wichtige Positionen wur<strong>de</strong>n von<br />

haupt- <strong>und</strong> nebenamtlichen Inoffiziellen Mitarbeitern<br />

wahrgenommen.<br />

Der Bereich Kommerzielle Koordinierung war unabhängig<br />

von <strong>de</strong>r formellen Zuordnung im Staatsapparat<br />

<strong>de</strong>n Politbüro-Mitglie<strong>de</strong>rn Dr. Günter Mittag, als<br />

<strong>de</strong>m für die Wirtschaft <strong>de</strong>r DDR zuständigen Sekretär<br />

<strong>de</strong>s ZK <strong>de</strong>r SED, <strong>und</strong> Erich Mielke, als <strong>de</strong>m zuständigen<br />

Minister für Staatssicherheit, unterstellt. Beim<br />

Generalsekretär <strong>de</strong>r SED <strong>und</strong> Staatsratsvorsitzen<strong>de</strong>n<br />

Erich Honecker hatte Dr. Schalck-Golodkowski direkten<br />

Zugang. Die bei Dr. Günter Mittag, E rich Mielke<br />

<strong>und</strong> Erich Honecker vorgetragenen Vorschläge zur<br />

Arbeitsweise <strong>de</strong>s Bereichs wur<strong>de</strong>n stets angenommen.<br />

Kritik <strong>de</strong>r Partei o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s MfS an seiner Arbeitsweise<br />

gab es faktisch nicht. Im Gegenteil, Dr.<br />

Schalck-Golodkowski wur<strong>de</strong> von Partei <strong>und</strong> MfS mit<br />

<strong>de</strong>n höchsten Or<strong>de</strong>n ausgezeichnet.<br />

Als verlängerter Arm <strong>de</strong>s MfS im Außenhan<strong>de</strong>l galten<br />

die Vorschriften <strong>de</strong>r DDR in weiten Teilen nicht für<br />

<strong>de</strong>n Bereich Kommerzielle Koordinierung. Er hatte<br />

Zugriff auf Informationen über seine westlichen Geschäftspartner,<br />

die mit <strong>de</strong>n personellen <strong>und</strong> technischen<br />

Mitteln <strong>de</strong>s MfS gewonnen wur<strong>de</strong>n. Für die Geschäftstätigkeit<br />

gab es keine Rechenschaftspflicht.<br />

Eine zusammenfassen<strong>de</strong> Abrechnung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Bereich<br />

niemals abverlangt. Auch das Ministerium <strong>de</strong>r<br />

Finanzen <strong>de</strong>r DDR erhielt nur Einblick in Teilbereiche<br />

<strong>de</strong>r Aktivitäten. Gleiches gilt für die Finanzverantwortlichen<br />

<strong>de</strong>r SED. Paß- <strong>und</strong> Zollkontrollen konnten<br />

nach Bedarf für Angehörige <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle<br />

Koordinierung <strong>und</strong> für Geschäfts- <strong>und</strong> Verhandlungspartner<br />

aus West <strong>und</strong> Ost auf Zuruf außer<br />

Kraft gesetzt wer<strong>de</strong>n. Dr. Schalck-Golodkowski erhielt<br />

solche Befreiungen auch für Familienangehörige.<br />

Als Devisenauslän<strong>de</strong>r war <strong>de</strong>r Bereich auch in bezug<br />

auf seine Devisenwirtschaft nicht rechenschaftspflichtig.<br />

Ein eigenes auf <strong>de</strong>n Bereich Kommerzielle<br />

Koordinierung bezogenes Bankensystem ermöglichte<br />

die Durchführung von Geldtransaktionen vorbei an<br />

<strong>de</strong>n staatlichen Kontrollen. So war Dr. Schalck-Golodkowski<br />

befugt, sogenannte Loro-Konten, das sind<br />

Konten, die eine Bank für eine an<strong>de</strong>re führt, einzurichten.<br />

Diese Konten wur<strong>de</strong>n nicht in die allgemeine<br />

Bankenkontrolle einbezogen. Für Transaktionen über<br />

diese Konten war er allein verantwortlich bzw. mußte<br />

er die Kontrolle übernehmen.<br />

Beim Aufbau <strong>und</strong> bei <strong>de</strong>n geschäftlichen Transaktionen<br />

wur<strong>de</strong>n die Mittel <strong>de</strong>r Konspiration eingesetzt.<br />

Der Bereich hatte ungehin<strong>de</strong>rten Zugriff auf die<br />

Transporteinrichtungen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s, wie Deutrans<br />

<strong>und</strong> Deutsche Seeree<strong>de</strong>rei. Die Flughäfen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

<strong>und</strong> Son<strong>de</strong>reinheiten <strong>de</strong>s MfS stan<strong>de</strong>n zur Verfügung,<br />

wenn beson<strong>de</strong>rs geheimhaltungsbedürftige Transak-<br />

tionen durchzuführen waren. Er konnte nach Gutdünken<br />

Dokumente fälschen o<strong>de</strong>r fälschen lassen. Verplombte<br />

Transportbehälter wie Container o<strong>de</strong>r Lastwagen<br />

konnten im In- <strong>und</strong> Ausland nach Belieben<br />

entplombt <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r verplombt wer<strong>de</strong>n.<br />

Für geschäftliche Transaktionen bediente sich <strong>de</strong>r Bereich<br />

bewußt <strong>und</strong>urchschaubar gehaltener Konstruktionen<br />

von hintereinan<strong>de</strong>rgeschalteten Holding- <strong>und</strong><br />

Scheingesellschaften, die sich in <strong>de</strong>r Hand von MfSo<strong>de</strong>r<br />

vom Bereich Kommerzielle Koordinierung abhängigen<br />

Strohmännern befan<strong>de</strong>n. Die Schweiz,<br />

Liechtenstein, Luxemburg <strong>und</strong> Österreich lieferten<br />

das Gesellschafts- <strong>und</strong> Bankenrecht, das mafiatypische<br />

Konstruktionen zur Verschleierung von Geld-<br />

<strong>und</strong> Warentransaktionen zuließ. Fast überall, wo<br />

Steuer- <strong>und</strong> Geldwaschparadiese auf <strong>de</strong>r Welt existieren,<br />

war <strong>de</strong>r Bereich Kommerzielle Koordinierung mit<br />

Unternehmenskonstruktionen vertreten o<strong>de</strong>r unterhielt<br />

dort Bankkonten. Dem Untersuchungsausschuß<br />

ist es nur ansatzweise gelungen, die entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Zusammenhänge aufzuklären.<br />

Die Son<strong>de</strong>rstellung Dr. Schalck-Golodkowskis <strong>und</strong><br />

die Organisationsform seines Bereichs war nur möglich,<br />

weil seine Aktivitäten sowohl von <strong>de</strong>r Parteispitze<br />

als auch vom MfS ge<strong>de</strong>ckt waren. Dr. Schalck-Golodkowski<br />

hatte sich eine Machtposition erworben,<br />

die ihn vom übrigen Außenhan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>r DDR unabhängig<br />

machte. Bei Streitfällen mit <strong>de</strong>m Ministerium für<br />

Außenhan<strong>de</strong>l <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren staatlichen Organisationen<br />

wur<strong>de</strong> letztlich für Dr. Schalck-Golodkowskis Bereich<br />

Kommerzielle Koordinierung entschie<strong>de</strong>n.<br />

2. Einbindung <strong>und</strong> Zusammenarbeit <strong>de</strong>s<br />

Bereichs Kommerzielle Koordinierung <strong>und</strong><br />

Dr. Schalck-Golodkowskis in das MfS<br />

Hinsichtlich seiner Beziehung zum MfS hat sich Dr.<br />

Schalck-Golodkowski vor <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß<br />

im wesentlichen dahingehend eingelassen, daß<br />

das MfS lediglich zur Absicherung <strong>de</strong>s Bereichs <strong>und</strong><br />

seiner Mitarbeiter gegen nachrichtendienstliche Aktivitäten<br />

<strong>de</strong>s Westens verantwortlich gewesen sei. Zu<br />

diesem Zweck seien die vielfältigen Arbeitsbeziehungen<br />

einzelner MfS-Abteilungen zum Bereich Kommerzielle<br />

Koordinierung in <strong>de</strong>r Arbeitsgruppe BKK<br />

gebün<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n. E rich Mielke habe lediglich in seiner<br />

Funktion als Mitglied <strong>de</strong>s Politbüros Kopien von<br />

seinen Verhandlungsprotokollen - <strong>und</strong> dies auf Weisung<br />

Dr. Günter Mittags - erhalten. Dies sei notwendig<br />

gewesen, um die sicherheitsrelevanten Fragen<br />

mit Zustimmung aller Beteiligten zu regeln. Deshalb<br />

sei es auch seiner Entscheidung unterworfen gewesen,<br />

ob wichtige Fragen <strong>de</strong>m Politbüro o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Ministerrat<br />

vorgelegt wür<strong>de</strong>n.<br />

Diese eher „geschäftsmäßige" Darstellung <strong>de</strong>r Beziehungen<br />

zwischen Erich Mielke <strong>und</strong> Dr. Schalck-Golodkowski<br />

ist für die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r SPD im Untersuchungsausschuß<br />

so nicht nachvollziehbar <strong>und</strong> entspricht<br />

auch nicht <strong>de</strong>r Aktenlage. MfS-Generalmajor<br />

Hans Carlsohn hat vor <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß<br />

ausgesagt, daß über seinen Schreibtisch an Erich<br />

Mielke nur persönlich zu öffnen<strong>de</strong> Briefe von Dr.<br />

Schalck-Golodkowski gelaufen seien. Der Zeuge

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