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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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Nach dieser ersten Freikaufsaktion durch die B<strong>und</strong>esregierung<br />

kamen die Verhandlungen mit <strong>de</strong>r DDR ins<br />

Stocken. Auf b<strong>und</strong>es<strong>de</strong>utscher Seite war man nicht<br />

bereit, <strong>de</strong>n Häftlingsfreikauf zukünftig zu finanzieren.<br />

Die Kirchen bemühten sich jedoch weiter urn die<br />

Freilassung politischer Gefangener, <strong>und</strong> auch die<br />

DDR-Regierung war an einer Fortführung <strong>de</strong>s Häftlingsfreikaufs<br />

stark interessiert, da sich durch die Vermarktung<br />

<strong>de</strong>r Warenlieferungen Devisen erwirtschaften<br />

ließen.<br />

Nach einem <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß vorliegen<strong>de</strong>n<br />

<strong>Bericht</strong> <strong>de</strong>r Hauptabteilung XX <strong>de</strong>s Ministeriums<br />

für Staatssicherheit sprach am 15. Mai 1964 Rechtsanwalt<br />

Wolfgang Vogel erstmals mit einem Mitglied <strong>de</strong>r<br />

B<strong>und</strong>esregierung über die Freilassung politischer<br />

Häftlinge aus Gefängnissen in <strong>de</strong>r DDR. Dem von<br />

Heinz Volpert verfaßten, auf Informationen <strong>de</strong>s<br />

Rechtsanwalts Wolfgang Vogel (GM „Georg") basieren<strong>de</strong>n<br />

sog. Treffbericht zufolge, empfing <strong>de</strong>r Nachfolger<br />

von Dr. Rainer Barzel im Amt <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>esministers<br />

für gesamt<strong>de</strong>utsche Fragen, Dr. E rich Men<strong>de</strong>, Rechtsanwalt<br />

Wolfgang Vogel im B<strong>und</strong>eshaus, <strong>de</strong>m Berliner<br />

Dienstsitz <strong>de</strong>s Ministeriums in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esallee. An<br />

<strong>de</strong>m mehrstündigen Gespräch nahmen neben <strong>de</strong>m<br />

persönlichen Referenten von Minister Dr. E rich Men<strong>de</strong><br />

Rechtsanwalt Jürgen Stange <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>s politischen<br />

Referats <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>esministeriums für gesamt<strong>de</strong>utsche<br />

Fragen in Berlin, Ludwig A. Rehlinger, teil.<br />

In diesem Gespräch soll <strong>de</strong>m MfS-<strong>Bericht</strong> zufolge Minister<br />

Dr. Men<strong>de</strong> eine „Skala <strong>de</strong>r Gegenleistungen" für<br />

die Freilassung von weiteren 50 politischen Häftlingen<br />

genannt haben. In <strong>de</strong>m <strong>Bericht</strong> wur<strong>de</strong> dies so festgehalten:<br />

„ Häftlinge gegen einsitzen<strong>de</strong> Personen in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik;<br />

Häftlinge gegen Geld; Häftlinge gegen<br />

Gegenleistungen im inner<strong>de</strong>utschen Han<strong>de</strong>l" .<br />

Nach einer Veröffentlichung <strong>de</strong>s nordrhein-westfälischen<br />

Ministers Diether Posser, in <strong>de</strong>n 60er Jahren als<br />

Rechtsanwalt mit humanitären Bemühungen beschäftigt,<br />

trafen sich B<strong>und</strong>esminister Dr. Erich Men<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />

Rechtsanwalt Wolfgang Vogel am 12. Juni 1964 im<br />

Berliner Büro <strong>de</strong>s Ministers. Dabei soll Rechtsanwalt<br />

Vogel <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung das offizielle Angebot <strong>de</strong>r<br />

DDR-Regierung unterbreitet haben, politische Häftlinge<br />

gegen Barzahlung, Warenlieferungen o<strong>de</strong>r im<br />

Austausch mit Spionen vorzeitig aus DDR-Haft zu<br />

entlassen. Am Tag danach soll in einem Kreis von Mitglie<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung, zu <strong>de</strong>m neben <strong>de</strong>m<br />

B<strong>und</strong>eskanzler die B<strong>und</strong>esminister <strong>de</strong>r Justiz <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Finanzen sowie Minister Dr. Men<strong>de</strong> gehörten, die Zustimmung<br />

dazu gegeben wor<strong>de</strong>n sein.<br />

Gegen Warenlieferungen in Höhe von 32 Mio. DM<br />

wur<strong>de</strong>n 888 politische Gefangene freigekauft, die ab<br />

August 1964 bis Jahresen<strong>de</strong> aus DDR-Haft entlassen<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Parallel zu <strong>de</strong>n Verhandlungen <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung<br />

führte auch die EKD trotz beschränkter finanzieller<br />

Mittel <strong>de</strong>n Häftlingsfreikauf fort. Aus einem Vermerk<br />

von Geißel vom 20. Juli 1964, in <strong>de</strong>m er die Geschehnisse<br />

rekapitulierte, geht he rvor, daß am 2. Juli 1964<br />

die B<strong>und</strong>esregierung nicht in vollem Umfang über die<br />

Aktivitäten <strong>de</strong>r EKD informiert war. Geißel notierte:<br />

„von mir [ist] keine weitere Mitarbeit zu erwarten ...,<br />

wenn die zuständigen B<strong>und</strong>esbehör<strong>de</strong>n nicht umge<br />

<strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong> Drucksache 12/7600<br />

hend informiert wer<strong>de</strong>n" . Er schrieb weiter, es müsse<br />

die Zuständigkeit ein<strong>de</strong>utig geklärt <strong>und</strong> Einzelheiten<br />

über Form <strong>und</strong> Inhalt <strong>de</strong>r Abmachungen <strong>und</strong> die Abwicklung<br />

selbst festgelegt wer<strong>de</strong>n (Dokument-Nr.<br />

671) .<br />

In <strong>de</strong>n daraufhin am 7. <strong>und</strong> 8. Juli 1964 mit Vertretern<br />

<strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung geführten Gesprächen, an <strong>de</strong>nen<br />

u. a. die Rechtsanwälte von We<strong>de</strong>l <strong>und</strong> Stange sowie<br />

Ludwig Geißel als Bevollmächtigter von Bischof<br />

Kunst teilnahmen, erklärte die B<strong>und</strong>esregierung <strong>de</strong>n<br />

Kirchenvertretern, daß sie das von Rechtsanwalt Vogel<br />

im Namen <strong>de</strong>r DDR unterbreitete Angebot akzeptieren<br />

<strong>und</strong> zukünftig politische Häftlinge gegen Warenlieferungen<br />

an die DDR freikaufen wer<strong>de</strong>. Die Kirchen<br />

sollten sich nicht mehr aktiv am Häftlingsfreikauf<br />

beteiligen. Rechtsanwalt Jürgen Stange sollte in<br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Rechtsschutzstelle in Berlin<br />

(West) die Abstimmung <strong>de</strong>r Personenlisten mit<br />

Rechtsanwalt Vogel übernehmen <strong>und</strong> Ludwig Geißel<br />

als Treuhän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung die Warenlieferungen<br />

unter Beachtung <strong>de</strong>r CoCom-Bestimmungen<br />

aushan<strong>de</strong>ln. Dabei sollte vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß ein<br />

Pro-Kopf-Preis bezahlt wür<strong>de</strong> (Dokument-Nr. 672).<br />

Damit war <strong>de</strong>r Häftlingsfreikauf in <strong>de</strong>r Form, wie er<br />

bis 1989/90 abgewickelt wur<strong>de</strong>, institutionalisiert, die<br />

B<strong>und</strong>esregierung hatte ab diesem Zeitpunkt die volle<br />

Verantwortung hierfür übernommen.<br />

b) Abwicklungsmodalitäten<br />

Zusammen mit <strong>de</strong>n Kirchenvertretern wur<strong>de</strong> ein Verfahren<br />

entwickelt, nach <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Häftlingsfreikauf abgewickelt<br />

wer<strong>de</strong>n sollte: Nach Einigung <strong>de</strong>r Vertreter<br />

bei<strong>de</strong>r Regierungen über die -Zusammensetzung<br />

<strong>de</strong>r<br />

Freikaufslisten <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>r als Gegenleistung<br />

zu erbringen<strong>de</strong>n Warenlieferungen sollte zukünftig<br />

die Realisierung <strong>de</strong>s Verpflichtungsgeschäfts (Warenlieferungen)<br />

durch <strong>de</strong>n Bevollmächtigten <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung,<br />

Geißel, erfolgen (Dokument-Nr. 671).<br />

Die Vollmacht Geißels war personenbezogen <strong>und</strong><br />

wur<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>s hohen Geheimhaltungsgra<strong>de</strong>s<br />

nicht schriftlich fixiert.<br />

Zusammenstellung <strong>de</strong>r Listen<br />

Informationen über in <strong>de</strong>r DDR inhaftierte B<strong>und</strong>esbürger<br />

o<strong>de</strong>r Bewohner <strong>de</strong>r DDR erhielt die B<strong>und</strong>esregierung<br />

aus verschie<strong>de</strong>nen Quellen: Bei Verhaftungen<br />

im Transit- <strong>und</strong> Reiseverkehr wur<strong>de</strong> die B<strong>und</strong>esregierung<br />

durch die DDR-Regierung informiert; han<strong>de</strong>lte<br />

es sich um Bewohner <strong>de</strong>r DDR, mel<strong>de</strong>ten Verwandte,<br />

Fre<strong>und</strong>e, die Kirche o<strong>de</strong>r die in humanitären<br />

Angelegenheiten tätigen Rechtsanwälte Stange <strong>und</strong><br />

von We<strong>de</strong>l sowie die Rechtsschutzstelle in Berlin<br />

(West) die Verhaftung <strong>de</strong>m zuständigen B<strong>und</strong>esministerium<br />

für gesamt<strong>de</strong>utsche Fragen (1969 umbenannt<br />

in B<strong>und</strong>esministerium für inner<strong>de</strong>utsche Beziehungen)<br />

in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Nach Bekanntwer<strong>de</strong>n einer Verhaftung setzte das Ministerium<br />

die Rechtsschutzstelle in Berlin in Kenntnis.<br />

Die dort tätigen Anwälte beauftragten einen in <strong>de</strong>r<br />

DDR zugelassenen Anwalt - in <strong>de</strong>r Regel Rechtsanwalt<br />

Dr. Vogel - mit <strong>de</strong>r Verteidigung <strong>de</strong>s Inhaftierten.<br />

Vogel übernahm entwe<strong>de</strong>r selbst das Mandat o<strong>de</strong>r<br />

gab <strong>de</strong>n Fall an unterbevollmächtigte Anwälte ab.

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