Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

schäfte mit der Kirche als Vorläufer des Bereichs zu
betrachten. Auch die Aussage Prof. Dr. Gerstenberbers
vor dem Untersuchungsausschuß impliziert, daß
die Kirchengeschäfte am Anfang der Entwicklungsgeschichte
des Bereichs gestanden hätten. Der Zeuge
Dr. Lindemann berichtete, daß die kommerziellen Aktivitäten
mit der Kirche eine organisatorische Grundlage
für die Tätigkeit des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
gewesen seien. Festzustellen ist, daß der
Verantwortungsbereich des Oberst Volpert, nämlich
die Geschäfte mit der Kirche und die humanitären
Sonderaufgaben, eine wichtige Grundlage für den
Bereich Kommerzielle Koordinierung gebildet hat.
Nach Dr. Schalck-Golodkowskis Aussage vor der
Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht Berlin
wurden im Kreis um den stellvertretenden Leiter der
HVA Hans Fruck, den ZK-Sekretär für Wirtschaft Dr.
Günter Mittag und Heinz Volpert die Grundideen entwickelt,
die letztlich zur Gründung des Bereichs Kornmerzielle
Koordinierung führten. Ihr Plan sei es gewesen,
auf der einen Seite dem Interesse des MfS nach
einem verstärkten Einfluß auf den Außenhandel
Rechnung zu tragen, andererseits die vom MfS geführten
Unternehmen wi rtschaftlich effektiver zu organisieren
und einer selbständigen Wirtschaftsinstitution
zu unterstellen. Für die Wahrnehmung dieser
Aufgaben sollte nach den Vorstellungen des Triumvirats
der Posten eines stellvertretenden Ministers im
MAI geschaffen werden. Durch Volpert, dem Verbindungsglied
zur MfS-Spitze, sei er, Dr. Schalck-Golodkowski,
im Dezember 1966 Mielke vorgestellt worden.
Wenn die genannten drei Personen - Fruck, Dr. Volpert
und Dr. Mittag - auch nach Dr. Schalck-Golodkowskis
Darstellung als die geistigen Väter des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung zu betrachten
sind, so bleibt doch die Frage, warum schließlich Dr.
Schalck-Golodkowski die Initiative ergriff und dem
Politbüro das entwickelte Konzept unterbreitete. Der
Schluß liegt nahe, daß Volpert angesichts seiner
Funktion im MfS die inhaltliche Abstimmung dieses
Konzeptes mit dem MfS vornahm.
Alle von Dr. Schalck-Golodkowski vorgebrachten Bedenken
gegenüber der Echtheit des Schreibens unterstreichen
den Wert dieses Dokuments. Wird dieser
Brief Dr. Schalck-Golodkowskis allgemeinhin als die
politische Geburtsurkunde des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung betrachtet, so muß allerdings
auch der Beitrag der vorgenannten Personen um Dr.
Schalck-Golodkowski Beachtung finden.
b) Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)
bei der Gründung
Die Frage nach einer Mitwirkung des MfS bei der
Gründung des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
ist eng verknüpft mit der von Schalck-Golodkowski
geforderten Koordination mit dem MfS bei den Geschäftspraktiken
des neuen Bereichs und dem besonderen
Vertrauensverhältnis Schalck-Golodkowskis
mit Hans Fruck, Heinz Volpert, Simon Goldenberg
und Michael Wischniewski. Die persönlichen Beziehungen
zu Fruck, der nach Schalck-Golodkowskis eigenen
Aussagen vor der Staatsanwaltschaft bei dem
Kammergericht Berlin eine Art Mentorfunktion bei
Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode Drucksache 12/7600
ihm wahrgenommen habe, legen den Schluß nahe,
daß Fruck einen entscheidenden Anteil an der Initiative
zur Gründung des Bereichs hatte, was sich jedoch
aus den bisher vorliegenden Akten des Untersuchungsausschusses
nicht sicher belegen läßt. Dr.
Schalck-Golodkowski selbst hat in seinen Vernehmungen
betont, daß Fruck eine wichtige Rolle in seiner
beruflichen Laufbahn gespielt habe. Sowohl
Oberst Volpert als auch Generalmajor Fruck hatte
Schalck-Golodkowski in seiner Zeit als Erster Sekretär
der Kreisleitung kennengelernt, und aus diesen
Arbeitsbeziehungen waren persönliche Vertrauensverhältnisse
erwachsen. Durch Fruck und Volpert
werden auch Schalck-Golodkowskis frühe Beziehungen
zur Staatssicherheit verständlich. An entscheidenden
Punkten in Dr. Schalck-Golodkowskis beruflichem
Lebensweg tauchen die Namen von Fruck und
Volpert auf. Angesichts ihrer Erfahrungen könnten
u.a. sie zu den Geburtshelfern bei der Etablierung des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung gehört haben.
Für die Beantwortung der Frage, welchen konkreten
Einfluß sie genommen haben, liegen dem Untersuchungsausschuß
bisher keine aussagekräftigen Dokumente
vor.
Von Bedeutung ist ohne Zweifel auch die frühe Beziehung
Schalck-Golodkowskis zu Simon Goldenberg
und Michael Wischniewski und ihre geschäftliche Zusammenarbeit
in der Zeit, als Schalck-Golodkowski
noch das Amt des Ersten Sekretärs der SED-Kreisleitung
bekleidete. Wischniewski wie auch Goldenberg
waren bereits Ende der 50er Jahre im Tätigkeitsbereich
der Berliner Verwaltung unter Hans Fruck im Zigarettenschmuggel
und später auch im Handel von
Embargowaren gefragte Geschäftsleute (Dokument-
Nr. 31). Nach Unterlagen des Landesamtes für Verfassungsschutz
Berlin aus dem Zeitraum 1965 bis 1967
soll Schalck-Golodkowski engen Kontakt zu Libermann
alias Wischniewski gepflegt und ihm Spezialaufträge
hinsichtlich der Beschaffung von Embargogütern
erteilt haben, die Wischniewski zuvor von Generalmajor
Fruck bekommen hatte. Es liegt nahe, daß
zwischen beiden auch ein reger Gedankenaustausch
über den neugegründeten Bereich stattgefunden hat,
zumal Wischniewski selbst auf reiche Erfahrungen
und Kenntnisse im Ost-West-Handel zurückgreifen
konnte (Dokument-Nr. 32). Es ist auffallend, daß zu
dem Zeitpunkt, als der Bereich Kommerzielle Koordinierung
kurz vor seiner Gründung stand, die vorgenannnten
Personen in Schalck-Golodkowskis persönlicher
Umgebung zu finden waren und zu ihm geschäftliche
Kontakte unterhielten.
Dem Untersuchungsausschuß liegen zwar keine Dokumente
vor, die eine direkte Einflußnahme des MfS
auf die Tätigkeit des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
in dessen Gründungsphase belegen, gleichwohl
ist jedoch eine dominierende Rolle des MfS erkennbar,
vor allem in Personalfragen wie bei der Besetzung
von Führungspositionen in den dem Bereich
unterstellten Außenhandelsunternehmen.
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden
Schwächen des sog. Neuen Ökonomischen Systems
(NÖS) und der mit den Reformmaßnahmen einhergehenden
Devisenknappheit gewann Schalck-Golodkowskis
dargelegtes Konzept zwangsläufig an At-