Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

leitung der Grundorganisationen hatte die „Kreisleitung
Außenhandel" vom ZK der SED den Auftrag erhalten,
die Handelsvertretungen der DDR politischideologisch
anzuleiten, mögliche Schwachstellen in
den Betrieben aufzudecken und die dort zu leistende
Parteiarbeit mitzutragen. Schalck-Golodkowski trat
mit Nachdruck für die Verwirklichung der Wi rt
-schaftspolitik der SED über die von ihm geleitete Parteiorganisation
und über die Grundorganisationen
der Außenhandelsunternehmen ein und erfüllte alle
mit dieser verantwortlichen Funktion verbundenen
Aufgaben im Außenhandel.
Als Parteisekretär des Außenhandels saß Schalck-Golodkowski
an einer wichtigen Stelle im Ministerium,
er nahm an allen Leitungsberatungen und -sitzungen
im MAI teil, erfuhr von den Zwischenfällen in den Außenhandelsunternehmen
sowie den Leistungen und
Fehlschlägen der Außenhändler und wurde somit
zum bestinformierten Mann auf dem Sektor Außenhandel.
In seiner Funktion als Parteisekretär unterhielt
er ständige Kontakte zu zentralen staatlichen Organen,
er führte Gespräche mit dem Außenhandelsminister
und stand in Kontakt zur ZK-Abteilung Verkehr
und auch zum MfS. Dabei zeigte sich das besondere
Interesse der Abteilung Verkehr an einer Zusammenarbeit,
die über die Parteiorganisation Außenhandel
Einfluß auf der DKP nahestehende Unternehmen
in der Bundesrepublik Deutschland nehmen wollte.
Auf den Tagungen der Leitung der Parteiorganisation
Außenhandel wies Schalck-Golodkowski immer wieder
auf die angesichts der Reformmaßnahmen des
Neuen Ökonomischen Systems (NOS) dringlichste
Aufgabe des MAI hin, die Produktion der Außenhandelsunternehmen
auf devisenrentable Erzeugnisse
umzustellen, um den Nutzeffekt des Außenhandels
für die Volkswirtschaft zu erhöhen. Er forderte die
Konzentration auf devisenrentable, sich auf dem internationalen
Markt bewährende Güter, durch die allein
Gewinne erzielt werden könnten (Dokument-Nr.
29).
Schon während seiner Zeit als Erster Kreissekretär
hatte Schalck-Golodkowski sowohl mit den staatlichen
Außenhandelsunternehmen Zentral-Kommerz
Gesellschaft für internationalen Handel mbH, Intrac
Handelsgesellschaft mbH und Transinter GmbH bei
Spekulationsgeschäften und verdeckten Transaktionen
zusammengearbeitet als auch enge Geschäftskontakte
zu den sog. MfS-Vertrauensfirmen F. C. Gerlach
und Simon Industrievertretungen unterhalten.
Schalck-Golodkowskis Hauptaugenmerk galt dabei
den einträglichen Geschäften mit dem sog. Nichtsozialistischen
Wirtschaftsgebiet (NSW) und der Devisenzufuhr.
Um diesen Sektor des Außenhandels
auszudehnen und nach Schalck-Golodkowskis Vorstellungen
effizienter zu gestalten, mußte ein entsprechender
Vorschlag der politischen Führung unterbreitet
und auf dieser Ebene eine Entscheidung herbeigeführt
werden. Bei Vorschlägen von solch weitreichender
Bedeutung für den gesamten Außenhandel waren
auch die Interessen des MfS zwangsläufig berührt
und mußten folglich berücksichtigt werden. Als möglicher
Ansprechpartner in dieser Frage stand Heinz
Volpert, Offizier für sog. humanitäre Sonderaufgaben
Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode Drucksache 12/7600
und zuständig für die Devisenbeschaffung im MfS zur
Verfügung.
Während Heinz Volpert diese Vorstellungen dem Minister
für Staatssicherheit, Erich Mielke, unterbreitete,
um die Zustimmung des MIS zu erlangen, setzte
Schalck-Golodkowski das Politbüromitglied Hermann
Matern, Chef der Zentralen Parteikontrollkommission
(ZPKK) und zuständig für die Abteilung Verkehr
im ZK der SED in Kenntnis, die ihrerseits für die
Finanzierung und Anleitung der der DKP nahestehenden
Unternehmen in der Bundesrepublik
Deutschland die Verantwortung trug. Schalck-Golodkowski
hatte - laut einem vom 12. Juni 1966 datierten
handschriftlichen Lebenslauf - bereits in den Jahren
1964/65 im Auftrag Hermann Materns „eine Reihe
Operationen zur außerplanmäßigen Beschaffung von
Kapital-Valuten für das Zentralkomitee durchgeführt"
und dabei Kontakte zur ZK-Abteilung Verkehr
gehabt (Dokument-Nr. 30).
2. Gründung und Zielsetzung
Die bereits gängige Praxis der außerplanmäßigen Devisenerwirtschaftung
für Partei, Staat und Staatssicherheit
bekam Auftrieb durch die wirtschaftlichen
Reformmaßnahmen des sog. Neuen Ökonomischen
Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft
(NÖSPL). Auf der elften Tagung des Zentralkomitees
der SED (15.-18. Dezember 1965) wurden organisatorische
und planungsmethodische Maßnahmen für die
2. Phase des sog. Neuen Ökonomischen Systems vorbereitet,
wobei dem Ministerium für Außenhandel
und Innerdeutschen Handel (MAI) von seiten der Partei
mangelnde Leistungsfähigkeit bei den neuen ökonomischen
Prozessen vorgeworfen wurde. Die zeitliche
Parallelität der Tagung des Zentralkomitees mit
Schalck-Golodkowskis Vorgehen, wenige Tage nach
dem 11. Plenum Bedingungen für eine erhöhte Devisenbeschaffung
gegenüber dem Politbüro zu formulieren,
ist auffällig und legt den Schluß nahe, daß die
Weichen für die Gründung des neuen Bereiches gezielt
in dieser Zeit gestellt wurden.
Alexander Schalck-Golodkowski war die Persönlichkeit,
die in dieser besonderen wi rtschaftlichen Situation
das Potential der drei bereits bestehenden Gruppen
kommerzieller Geschäfte erkannte und nach einem
Weg zur effektiveren Nutzung durch Zusammenführung
der bestehenden Strukturen in einem
einzigen Bereich suchte und schließlich fand.
a) Schalck-Golodkowskis Initiative zur Gründung
Im Mittelpunkt stand das an Hermann Matern persönlich
gerichtete Schreiben Schalck-Golodkowskis vom
29. Dezember 1965, in dem er einerseits über die 1965
für die SED erwirtschafteten Gelder Rechenschaft ablegt
und andererseits eine verstärkte Devisenzuführung
für das Jahr 1966 bei Erfüllung bestimmter, von
ihm konkret formulierter Prämissen in Aussicht stellt.
Während Schalck-Golodkowski im ersten Teil die
Sonderfinanzierung der SED und die abgeführten Devisenbeträge
an die ZK-Abteilung Verkehr und an die
sog. Parteifirmen Nolte KG und Socoli im westlichen
Ausland bilanziert, entwirft er im zweiten Abschnitt