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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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an keinen konkreten Adressaten gerichtet. Allerdings<br />

war anhand einzelner Vermerke erkennbar, daß Dr.<br />

Schalck-Golodkowski von Honecker <strong>und</strong> Dr. Mittag<br />

mit <strong>de</strong>n Verhandlungen betraut wur<strong>de</strong>.<br />

Dr. Jenninger hat <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß mitgeteilt,<br />

daß er über die von Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Dr.<br />

Strauß mit Dr. Schalck-Golodkowski über <strong>de</strong>n Milliar<strong>de</strong>nkredit<br />

geführten Gespräche informiert gewesen<br />

sei.<br />

Dr. Strauß hatte Dr. Jenninger Notizen über Gespräche<br />

mit Dr. Schalck-Golodkowski u.a. mit Schreiben<br />

<strong>de</strong>r Bayerischen Staatskanzlei übermittelt. An diese<br />

Schreiben hat sich Dr. Jenninger erst auf Vorhalt erinnern<br />

können. Im B<strong>und</strong>eskanzleramt waren <strong>de</strong>rartige<br />

Akten nicht auffindbar. Dr. Jenninger bestritt solche<br />

Unterlagen zu haben, er habe sie auch nicht vernichtet<br />

o<strong>de</strong>r vernichten lassen.<br />

Der Untersuchungsausschuß beschäftigte sich im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Beweiserhebung zur Rolle Dr.<br />

Schalck-Golodkowskis beim Zustan<strong>de</strong>kommen <strong>de</strong>s<br />

Milliar<strong>de</strong>nkredits auch mit <strong>de</strong>n Auswirkungen <strong>de</strong>s<br />

Kredits für die Menschen in <strong>de</strong>r DDR, auf die inner<strong>de</strong>utschen<br />

Beziehungen sowie auf die Position <strong>de</strong>r<br />

DDR im West-Ost-Verhältnis. Dem Argument, <strong>de</strong>r<br />

Milliar<strong>de</strong>nkredit habe das DDR-System stabilisiert<br />

<strong>und</strong> insofern repressivere Maßnahmen <strong>de</strong>r DDR-<br />

Staatsführung nach innen bewirkt, jedoch nicht zu einer<br />

spürbaren Erleichterung <strong>de</strong>r Versorgungslage <strong>de</strong>r<br />

DDR-Bevölkerung geführt, begegnete Dr. Jenninger<br />

mit <strong>de</strong>r Feststellung, seinerzeit sei keine Alternative<br />

erkennbar gewesen. Für ihn sei die Klärung <strong>de</strong>r Frage<br />

„Wie können wir die Verhältnisse än<strong>de</strong>rn?" wichtig<br />

gewesen. (121. Sitzung, Protokoll S. 210) Dies sei nur<br />

dadurch möglich gewesen, daß die DDR wirtschaftlich<br />

von <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland abhängig<br />

gemacht wor<strong>de</strong>n sei. Dr. Jenninger wies darauf hin,<br />

daß ihm durchaus bekannt gewesen sei, daß <strong>de</strong>r Milliar<strong>de</strong>nkredit<br />

nur insofern zur Lösung <strong>de</strong>r Finanzprobleme<br />

<strong>de</strong>r DDR beigetragen habe, als die Kreditfähigkeit<br />

<strong>de</strong>r DDR wie<strong>de</strong>rhergestellt wor<strong>de</strong>n sei. So sei z.B.<br />

die Kreditblocka<strong>de</strong> seitens <strong>de</strong>r Schweiz, Japans <strong>und</strong><br />

Frankreichs aufgehoben wor<strong>de</strong>n.<br />

Es dürfe jedoch nicht übersehen wer<strong>de</strong>n, daß die DDR<br />

ein großes Zugeständnis gemacht habe, weil sie sich<br />

durch <strong>de</strong>n Milliar<strong>de</strong>nkredit in die Abhängigkeit <strong>de</strong>r<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland begeben habe. Dies sei<br />

<strong>de</strong>n Herrschen<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r DDR durchaus bewußt gewesen,<br />

weil Zugeständnisse <strong>de</strong>r DDR keineswegs als<br />

Gegenleistung für <strong>de</strong>n Kredit verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

Eine <strong>de</strong>rartige Verknüpfung von Leistung <strong>und</strong><br />

Gegenleistung sei - laut Aussage von Dr. Jenninger -<br />

schon allein aus <strong>de</strong>m Gr<strong>und</strong>e nicht möglich gewesen,<br />

weil die damalige UdSSR <strong>de</strong>n Kredit unterb<strong>und</strong>en<br />

hätte, wenn bekanntgewor<strong>de</strong>n wäre, daß <strong>de</strong>r Kredit<br />

mit einer Gegenleistung verb<strong>und</strong>en gewesen wäre.<br />

Dennoch habe Dr. Schalck-Golodkowski Maßnahmen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re menschliche Erleichterungen in<br />

<strong>de</strong>n inner<strong>de</strong>utschen Beziehungen, z.B. reibungslosere<br />

Grenzabfertigungen <strong>und</strong> verbesserte Regelungen<br />

bei Reisen in dringen<strong>de</strong>n Familienangelegenheiten,<br />

vor <strong>de</strong>r Unterzeichnung <strong>de</strong>r Vereinbarungen über<br />

<strong>de</strong>n Milliar<strong>de</strong>nkredit zugesagt. Diese seien dann<br />

auch tatsächlich kurze Zeit später in Kraft gesetzt<br />

wor<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong> Drucksache 12/7600<br />

Die Problematik, daß die Wie<strong>de</strong>rerlangung <strong>de</strong>r Kreditwürdigkeit<br />

<strong>und</strong> Zahlungsfähigkeit <strong>de</strong>r DDR mit einer<br />

größeren Abhängigkeit von <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland verb<strong>und</strong>en war, soll nach Aussage von<br />

Dr. Jenninger zu Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen im Politbüro<br />

<strong>de</strong>s ZK <strong>de</strong>r SED geführt haben. Gegner <strong>de</strong>s Kredits im<br />

Politbüro - u.a. auch Kurt Hager - hätten <strong>de</strong>n Kredit<br />

scharf kritisiert, wie Dr. Jenninger später von Gesprächspartnern<br />

versichert wor<strong>de</strong>n sei. Darüber hinaus<br />

soll nach Angaben von Dr. Jenninger diese Politik<br />

zu großen Schwierigkeiten <strong>de</strong>r DDR-Führung mit<br />

Moskau geführt haben, weil die Breschnew-Doktrin<br />

unterlaufen wor<strong>de</strong>n sei.<br />

B<strong>und</strong>eskanzler Dr. Kohl habe <strong>de</strong>n Milliar<strong>de</strong>nkredit an<br />

die DDR akzeptiert, um einen positiven Akzent in <strong>de</strong>r<br />

damaligen außen- <strong>und</strong> sicherheitspolitischen Situation<br />

zu setzen <strong>und</strong> die inner<strong>de</strong>utschen Beziehungen zu<br />

verbessern. Während seines Staatsbesuchs in Moskau<br />

habe <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>eskanzler eine Entspannung <strong>de</strong>r Lage<br />

erzielen können, weil er darauf hingewiesen habe,<br />

daß die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>de</strong>r DDR <strong>de</strong>n<br />

Milliar<strong>de</strong>nkredit als Zeichen <strong>de</strong>s guten Willens gewährt<br />

habe. Die Kreditgewährung habe außer<strong>de</strong>m<br />

bewirkt, daß die Diskussion über die Raketenstationierung<br />

in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland keine<br />

Rolle mehr spielte. Ferner habe aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r<br />

DDR gewährten Milliar<strong>de</strong>nkredits ein neues Verhältnis<br />

zwischen <strong>de</strong>r DDR <strong>und</strong> <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland entwickelt wer<strong>de</strong>n können. Nach Aussage<br />

von Dr. Jenninger haben die Verhandlungen über<br />

<strong>de</strong>n Milliar<strong>de</strong>nkredit mit <strong>de</strong>r DDR, insbeson<strong>de</strong>re mit<br />

Dr. Schalck-Golodkowski, nicht nur dazu geführt, daß<br />

<strong>de</strong>r Reiseverkehr reibungsloser abgewickelt <strong>und</strong><br />

Selbstschußautomaten sowie Minen an <strong>de</strong>r inner<strong>de</strong>utschen<br />

Grenze abgebaut wor<strong>de</strong>n seien, auch an<strong>de</strong>re<br />

Probleme, z.B. Umweltschutz, S-Bahn <strong>und</strong> Fragen<br />

<strong>de</strong>s Gewässerschutzes in Berlin, hätten gelöst<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

3. Zusammenfassung<br />

Über einen Zeitraum von mehr als 22 Jahren, von Mai<br />

1967 bis En<strong>de</strong> 1989, führte <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>s Bereichs<br />

Kommerzielle Koordinierung, Dr. Schalck-Golodkowski,<br />

für die DDR geheime Gespräche <strong>und</strong> Verhandlungen<br />

mit Vertretern <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> Politikern<br />

aus <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Beziehungen zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschen Staaten in Deutschland spielte er in mehrfacher<br />

Hinsicht eine beson<strong>de</strong>re Rolle: Über ihn steuerte<br />

die SED-Spitze, insbeson<strong>de</strong>re Generalsekretär Honecker<br />

<strong>und</strong> Politbüro-Mitglied Dr. Günter Mittag, vor<br />

allem dann die inner<strong>de</strong>utschen Verhandlungen mit<br />

<strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung, wenn es darauf ankam, von <strong>de</strong>r<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland finanzielle Leistungen<br />

zu erreichen.<br />

In <strong>de</strong>r Disse rtation Dr. Schalck-Golodkowskis aus<br />

<strong>de</strong>m Jahre 1970 wur<strong>de</strong> anhand erster Verhandlungserfahrungen<br />

Strategie <strong>und</strong> Vorgehensweise für die<br />

Gespräche beschrieben, die <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>s Bereichs<br />

Kommerzielle Koordinierung verfolgte. Ausgehend<br />

von angeblichen Schul<strong>de</strong>nfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r DDR gegenüber<br />

<strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland in mehrstelliger<br />

Milliar<strong>de</strong>nhöhe nannte er als „entschei<strong>de</strong>nd

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