Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
sen sei, eine gründliche Einzelprüfung vorzunehmen.
Vielmehr habe er sich auf die Richtigkeit der Vorlagen
seiner Mitarbeiter verlassen müssen.
Dem Untersuchungsausschuß vorliegende Dokumente
machen darüber hinaus deutlich, daß es bereits
vor der Ernennung von Prof. Dr. Gerstenberger zum
kommissarischen Leiter des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung Versuche gab, die von Finanzministerin
Nickel getroffene Anweisung zur Kontensperrung
zu unterlaufen. Mit Schreiben an den Generaldirektor
der Deutschen Handelsbank AG, Ziesche, erteilte
Manfred Seidel, Leiter der Hauptabteilung I, bereits
am 4. Dezember 1989 sich selbst und Waltraud Lisowski,
Leiterin der Abteilung Firmen des Bereichs Kornmerzielle
Koordinierung, Einzelzeichnungsvollmacht
für das Konto 0584 bei der Deutschen Handelsbank
AG (Dokument-Nr. 741). Diese Vollmacht wurde erst
am 13. Dezember 1989 durch Dr. Gerstenberger widerrufen
(Dokument-Nr. 742).
Hinweise dafür, daß es zwischen dem 4. und 13. Dezember
1989 zu unrechtmäßigen Verfügungen über
dieses Konto kam, liegen dem Untersuchungsausschuß
nicht vor. Auch die Staatsanwaltschaft stellte in
einem Bericht vom 28. Januar 1992 fest, daß sich keine
Hinweise ergaben, daß Seidel nach seiner Verhaftung
am 6. Dezember 1989 noch über Vermögenswerte des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung verfügt habe.
Ob es am 4. bzw. 5. Dezember 1989 zu entsprechenden
Verfügungen kam, konnte nicht geklärt werden.
Aus einem weiteren, von Waltraud Lisowski unterzeichneten
Vermerk vom 28. Dezember 1989 über ein
Gespräch mit Max Moser von der Bank für Handel
und Effekten in Zürich ergab sich jedenfalls, daß sie
und Meta Bleßing, Leiterin der Hauptabteilung II des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung, für die Konten
12031, 12032, 12033 und 12034 weiterhin zeichnungsberechtigt
waren (Dokument-Nr. 743).
b) Tätigkeit von Dr. Gerstenberger
Nach Inhaftierung des stellvertretenden Leiters des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung, Manfred Seidel
am 6. Dezember 1989, wurde Dr. Gerstenberger
als kommissarischer Leiter des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung eingesetzt. Der Auftrag an Dr.
Gerstenberger lautete, den Bereich Kommerzielle Koordinierung
in die Volks- und Finanzwirtschaft der
DDR einzuordnen.
Dieser Auftrag änderte sich mit dem Ministerratsbeschluß
vom 21. Dezember 1989 zur Lindemann-Kommission,
aus dem hervorgeht, daß der Ministerrat
nunmehr an die Auflösung des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung dachte.
Dies beschrieb Dr. Lindemann, Leiter der Sonderkommission
des Ministerrats zur Untersuchung von Amtsmißbrauch
und Korruption, bei seiner Zeugenvernehmung
vor der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht
Berlin wie folgt:
„Der Regierung Modrow war aufgrund der öffentlichen
Empörung über den Amts- und Machtmißbrauch
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
klar, daß der Bereich aufgelöst werden sollte. Die
Aufgabe der Regierung bestand darin, einen Weg zu
-
finden, trotz entfallener Existenzberechtigung des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung Lösungen
dafür zu finden, daß eine Reihe von Unternehmen,
die dem Bereich nachgeordnet gewesen sind, ihre
normale Arbeit weiter leisten könnten. Da die DDR
Wirtschaft schwer angeschlagen war, ging es darum,
nicht belastete Teile des Bereichs, deren weiterer
Betrieb wirtschaftlich sinnvoll war, zu retten. "
Der kommissarische Leiter des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung, Dr. Gerstenberger, erstattete am
12. März 1990 dem „Runden Tisch" Bericht über den
Stand der „Eingliederung" des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung und seiner Unternehmen in die
Volkswirtschaft der DDR und das von ihm vorgeschlagene
Konzept zur Weiterführung der Aktivitäten des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung. Von diesem
Bericht lag eine 21seitige Version des mündlichen
Vortrags und eine 36seitige schriftliche Fassung, jeweils
mit Anlagen, vor (Dokument-Nr. 744).
In diesem Abschlußbericht beschrieb Dr. Gerstenberger
seine vorangegangene Tätigkeit als kommissarischer
Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
wie folgt:
„Entscheidende Kriterien für meine Tätigkeit waren:
- Schutz der volkswirtschaftlichen Interessen einschließlich
der vollen Erfüllung der Verpflichtungen
gegenüber der Zahlungsbilanz und dem
Staatshaushalt.
- Sicherung der vollen Transparenz der Geschäftstätigkeit
des gesamten Bereichs, d.h., Schluß zu
machen mit der weitgehend nach Regeln einer
geheimdienstlichen Tätigkeit organisierten Arbeit.
- Liquidierung der Bereiche und aller Unternehmen,
die in die Tätigkeit des früheren Ministeriums
für Staatssicherheit einbezogen bzw. für Bereiche
und Personen tätig wurden bzw. Aufgaben
zu erfüllen hatten, die zutiefst moralischen und
ethischen Gesetzen entgegenstanden, und
- das betone ich besonders, für Ordnung und Gesetzlichkeit
zu sorgen. "
Die Abwicklung der Verbindlichkeiten des Bereichs
Kommerziellen Koordinierung hatte nach diesem Bericht
unter strikter Einhaltung der Rechtsvorschrif ten
auf dem Gebiet der Außen- und Finanzwirtschaft so
zu erfolgen, daß der DDR möglichst kein ökonomischer
Schaden entstehen sollte. Weiter war für die Sicherung
der Vermögenswerte der DDR im Ausland zu
sorgen. Die Geschäftsunterlagen des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung waren vor unbefugtem Zugriff
zu schützen.
In seinem Bericht vom 12. März 1990 legte Prof. Dr.
Gerstenberger den Stand der Abwicklung des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung dar. Danach seien
Valutamittel und Bestände in Mark auf Konten des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung gesichert und
der Zahlungsbilanz bzw. dem Staatshaushalt zugeführt
worden. Kontoguthaben ausländischer Banken
seien ermittelt und in den möglichen Fällen, außer
Festgeldanlagen, ihre Überweisung erwirkt worden.