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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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Drucksache 12/7600 <strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong><br />

Insgesamt ist festzustellen, daß im Bereich <strong>de</strong>s Waffenhan<strong>de</strong>ls<br />

die Diskrepanz zwischen <strong>de</strong>n öffentlich<br />

reklamierten moralischen Ansprüchen <strong>de</strong>r DDR <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>n tatsächlichen Handlungen <strong>de</strong>s SED-Regimes beson<strong>de</strong>rs<br />

groß war. In <strong>de</strong>r Realität hatte die Leitung <strong>de</strong>s<br />

Bereichs Kommerzielle Koordinierung keine Be<strong>de</strong>nken,<br />

mit ausdrücklicher Zustimmung <strong>de</strong>r Partei- <strong>und</strong><br />

Staatsführung, im Bereich <strong>de</strong>s Waffenhan<strong>de</strong>ls gegen<br />

gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> humanitäre <strong>und</strong> völkerrechtliche Prinzipien<br />

zu verstoßen.<br />

6. Embargoverstöße<br />

Han<strong>de</strong>l mit embargobehin<strong>de</strong>rter Ware war eine Erweiterung<br />

<strong>de</strong>r Aufgabenstellung <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle<br />

Koordinierung. Während die Aufgaben <strong>de</strong>s<br />

Bereichs Kommerzielle Koordinierung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

in <strong>de</strong>r Erwirtschaftung <strong>de</strong>r für die DDR-Wirtschaft notwendigen<br />

Devisen lagen, war <strong>de</strong>r Komplex „Han<strong>de</strong>l<br />

mit embargobehin<strong>de</strong>rter Ware" dadurch gekennzeichnet,<br />

daß <strong>de</strong>r Bereich Kommerzielle Koordinierung<br />

vorhan<strong>de</strong>ne Devisen zum Impo rt dringend benötigter<br />

westlicher Güter einsetzte, die in <strong>de</strong>r DDR-<br />

Volkswirtschaft Verwendung fin<strong>de</strong>n sollten.<br />

Die Einschränkung von Lieferungen von Hochtechnologieprodukten<br />

aus <strong>de</strong>n westlichen Industrielän<strong>de</strong>rn<br />

in die Staaten <strong>de</strong>s Warschauer Paktes hat eine<br />

lange Geschichte. Die sogenannten CoCom-Listen<br />

bil<strong>de</strong>ten die Basis für Exportverbote von Hochtechnologie<br />

insbeson<strong>de</strong>re in die Ostblock-Staaten. Hochtechnologie<br />

war daher von jeher ein bevorzugtes Objekt<br />

<strong>de</strong>r Militär- <strong>und</strong> Industriespionage aller Staaten<br />

<strong>de</strong>s Warschauer Paktes, darunter auch <strong>de</strong>r DDR. Sie<br />

gehört zu <strong>de</strong>n klassischen Aufgaben <strong>de</strong>r östlichen<br />

Nachrichtendienste <strong>und</strong> war innerhalb <strong>de</strong>s Ministeriums<br />

für Staatssicherheit ein Hauptaufgabenfeld <strong>de</strong>r<br />

Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Mit <strong>de</strong>r Einbeziehung<br />

<strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle Koordinierung in<br />

die Beschaffung von Embargowaren gewann erstmals<br />

<strong>de</strong>r volkswirtschaftliche Aspekt Priorität. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

die Beschlüsse <strong>de</strong>s Zentralkomitees <strong>de</strong>r SED Mitte<br />

<strong>de</strong>r 80er Jahre setzten einen Schwerpunkt <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r DDR-Volkswirtschaft in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Mikroelektronik <strong>und</strong> Computertechnologie. Die Wi rt<br />

-schaftspolitik <strong>de</strong>r SED unter Führung von Dr. Günter<br />

Mittag sah hier offensichtlich erhebliche Entwicklungschancen,<br />

die Wirtschaft <strong>de</strong>r DDR auf eine qualitativ<br />

höhere Stufe zu heben <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Anschluß an die<br />

internationale technologische <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Entwicklung zu gewinnen.<br />

In Ausführung dieser wirtschaftspolitischen Strategie<br />

<strong>de</strong>r SED erfolgte eine Konzentration <strong>de</strong>r bis dahin vorwiegend<br />

unter nachrichtendienstlichen Aspekten erfolgten<br />

Beschaffung von Hochtechnologie aus <strong>de</strong>m<br />

westlichen Ausland auf <strong>de</strong>n Bereich Kommerzielle<br />

Koordinierung unter Dr. Schalck-Golodkowski. Die<br />

SED-Führung hatte erkannt, daß die Industrie <strong>de</strong>r<br />

DDR nur dann auf <strong>de</strong>m Weltmarkt konkurrenzfähig<br />

wer<strong>de</strong>n konnte, wenn sie insbeson<strong>de</strong>re im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Mikroelektronik das Niveau westlicher Industriestaaten<br />

erreichen wür<strong>de</strong>. Zugleich war <strong>de</strong>r Partei-<br />

<strong>und</strong> Staatsführung <strong>de</strong>r DDR klar gewor<strong>de</strong>n, daß dies<br />

aus ausschließlich eigenen Kräften o<strong>de</strong>r innerhalb <strong>de</strong>s<br />

planwirtschaftlichen Systems <strong>de</strong>r Warschauer Ver-<br />

tragsstaaten nicht zu erreichen war. Die Konsequenz<br />

konnte nur lauten, sich die technologische Hilfe für<br />

<strong>de</strong>n Anschluß an <strong>de</strong>n Standard <strong>de</strong>r Weltmärkte dort<br />

zu beschaffen, wo sie vorhan<strong>de</strong>n waren: im westlichen<br />

Ausland.<br />

Den Entscheidungsträgern <strong>de</strong>r Partei- <strong>und</strong> Staatsführung<br />

<strong>de</strong>r DDR, insbeson<strong>de</strong>re auch Dr. Schalck-Golodkowski,<br />

war klar, daß es unter <strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>r<br />

Ost-West-Konfrontation nicht einfach sein wür<strong>de</strong>,<br />

westliche Hochtechnologie über die Grenze zwischen<br />

<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n wirtschaftlichen <strong>und</strong> militärpolitischen<br />

Blöcken zu transferieren. Unter <strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>s<br />

CoCom-Systems unterlag die Lieferung <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Hochtechnologie in die Staaten <strong>de</strong>s Warschauer<br />

Paktes strengsten Ausfuhrbegrenzungen.<br />

Die Beschaffung solcher Technologie unter diesen erschwerten<br />

Bedingungen erfor<strong>de</strong>rte eine <strong>de</strong>utliche<br />

Schwerpunktsetzung <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle Koordinierung<br />

- sowohl was <strong>de</strong>n hohen Deviseneinsatz<br />

angeht, als auch durch Schaffung höchst komplizierter<br />

Organisationsformen. Innerhalb <strong>de</strong>r DDR <strong>und</strong><br />

auch innerhalb <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle Koordinierung<br />

selbst waren die Strukturen zur Beschaffung von<br />

Embargoware durch eine Mischung von Planwirtschaft<br />

<strong>und</strong> Konspiration gekennzeichnet. Der 1. Untersuchungsausschuß<br />

hat festgestellt, daß insbeson<strong>de</strong>re<br />

in <strong>de</strong>n letzten Jahren <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r DDR die<br />

Beschaffung von Mikroelektronik tatsächlich einer<br />

<strong>de</strong>r Schwerpunkte <strong>de</strong>r Aufgaben <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle<br />

Koordinierung war. So ist dies auch durch<br />

Dr. Schalck-Golodkowski selbst gesehen <strong>und</strong> im<br />

nachhinein dargestellt wor<strong>de</strong>n. Sein eigener Einfluß<br />

beschränkte sich dabei gr<strong>und</strong>sätzlich auf die Schaffung<br />

<strong>de</strong>r notwendigen Organisationsstrukturen. Dr.<br />

Schalck-Golodkowski errichtete das organisatorische<br />

Geflecht von Aufgaben<strong>de</strong>finition, Beschaffungslinien<br />

<strong>und</strong> Abrechnungsmodalitäten, das <strong>de</strong>n Import von<br />

Hochtechnologie unter <strong>de</strong>n han<strong>de</strong>lspolitischen Bedingungen<br />

überhaupt erst ermöglichte. Nur in wenigen<br />

Fällen konnte <strong>de</strong>r Untersuchungsausschuß feststellen,<br />

daß Dr. Schalck-Golodkowski sich um Einzelfälle<br />

<strong>de</strong>r Beschaffung von Hochtechnologie selbst gekümmert<br />

hat.<br />

Insgesamt erfuhr <strong>de</strong>r Bereich Kommerzielle Koordinierung<br />

durch diese Entwicklung einen erheblichen<br />

Zuwachs an Macht, insbeson<strong>de</strong>rs ab Mitte <strong>de</strong>r 80er<br />

Jahre. Beispielsweise verstand es Dr. Schalck-Golodkowski,<br />

das bis dahin bestehen<strong>de</strong> Direktorat Anlagenimport<br />

aus <strong>de</strong>m Kombinat Mikroelektronik herauszulösen<br />

<strong>und</strong> unter an<strong>de</strong>ren organisatorischen Bedingungen<br />

<strong>de</strong>m Bereich Kommerzielle Koordinierung<br />

zuzuordnen. Ferner gelang es ihm, die eigentlichen<br />

Bedarfsträger dieser Importe in die Rolle von bloßen<br />

„Abnehmern" importierter Ware zu drängen, so daß<br />

<strong>de</strong>r Bereich Kommerzielle Koordinierung erhebliche<br />

Einflußmöglichkeiten in bezug auf Art <strong>und</strong> Umfang<br />

von Technologieimporten gewann.<br />

Diese Konzentration wirtschaftlicher Macht auf <strong>de</strong>n<br />

Bereich Kommerzielle Koordinierung ging einher mit<br />

<strong>de</strong>r Konzentration sicherheitspolitischer Macht, insbeson<strong>de</strong>re<br />

durch die Verflechtung mit <strong>de</strong>m Ministerium<br />

für Staatssicherheit. Diese Verflechtung war gera<strong>de</strong>zu<br />

eine wesentliche Vorbedingung für eine erfolgreiche<br />

Tätigkeit <strong>de</strong>s Bereichs Kommerzielle Koor-

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