Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
traktivität und fand Befürworter in der Parteispitze.
Auffällig ist, wie schnell die politische Führung diesen
Vorschlägen zustimmte, nämlich bereits in der
Ministerratsverfügung vom 1. April 1966, also nicht
einmal vier Monate später.
c) Entscheidungen auf politischer Ebene
Der Bereich Kommerzielle Koordinierung wurde offiziell
am 1. April 1966 durch die Verfügung Nr. 61/66
des Vorsitzenden des Ministerrates, Willi Stoph, mit
dem Ziel errichtet, Devisen in maximalem Umfange
außerhalb der staatlichen Planvorgaben zu erwirtschaften.
Hierfür erhielt der Außenhandelsminister
den Auftrag, eine einheitliche Leitung der Außenhandelsunternehmen
Zentral-Kommerz Gesellschaft für
internationalen Handel mbH, Intrac Handelsgesellschaft
mbH und Transinter GmbH - bereits in
Schalck-Golodkowskis B rief gefordert - sowie erweitert
um die Genex Geschenkdienst GmbH und Intershop
GmbH sicherzustellen und einen Bevollmächtigten
für die Durchführung der Verfügung zu ernennen.
Der Aufgabenbereich des Bevollmächtigten sah wie
folgt aus: Er sollte die Durchführung der kommerziellen
Beziehungen mit den Religionsgemeinschaften
und anderen Institutionen sicherstellen; weiterhin
sollte er ein einheitliches Auftreten der als Privatunternehmen
getarnten sog. MfS-Firmen Simon Industrievertretungen
und F. C. Gerlach, die vom Bereich
Kommerzielle Koordinierung handelspolitisch angeleitet
werden sollten, mit den staatlichen Außenhandelsbetrieben
gewährleisten. Darüber hinaus konnte
der Bevollmächtigte den Fonds der sog. Staatsreserve
B in Anspruch nehmen, um zusätzliche Valutaeinnahmen
zu sichern. Er konnte Vorschläge gemäß der Verfügung
Nr. 44/66 für den Bestand der sog. Staatsreserve
B dergestalt formulieren, daß Waren, die konjunkturellen
Schwankungen unterliegen und im Krisenfall
international gut zu vermarkten sind, diesen Bestand
erhöhen und als „echte Störreserven" , d.h. als Liquiditätsreserven
für die Volkswirtschaft, zu nutzen seien.
Diese Waren wie Rohstoffe und Gold konnten
treuhänderisch von dem Bevollmächtigten verwaltet
und international vermarktet werden. Nach Punkt 5
der Ministerratsverfügung Nr. 44/66 vom 11. März
1966 (vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462,
Dokument-Nr. 5, S. 51f.), der als Ergänzungspunkt
zur Ministerratsverfügung Nr. 61/66 zu betrachten ist,
sollten die Warenlieferungen, die sich aus Vereinbarungen
mit den Religionsgemeinschaften ergaben, ab
Januar 1967 für die Erhöhung der sog. Materiellen
Staatsreserve eingesetzt werden. Neben der sog.
Staatsreserve B, deren Fonds durch die sog. Kirchengeschäfte
gespeist wurde, gab es die sog. Staatsreserve
A, die beide zusammen die sog. Materielle Staatsreserve
bildeten. Schalck-Golodkowski als Bevollmächtigter
erhielt die Vollmacht über die sog. Materielle
Staatsreserve. Dieses Paket an Maßnahmen,
über die der Bevollmächtigte nur dem Außenhandelsminister
Rechenschaft abzulegen hatte, sollte zu einer
Erhöhung der Deviseneinnahmen führen, die wiederum
der DDR-Volkswirtschaft zugute kommen sollten
(vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462, Dokument-Nr.
7, S. 58ff.).
Gemäß der Information des Ministers für Außenhan
Handel wurde mit Wirkung
vom 1. Oktober 1966 der Bereich Kommerzielle Koordinierung
im MAI gebildet. Die Aufgabenstellung
laut Verfügung Nr. 61/66 wurde dahingehend erweitert,
daß dem neugegründeten Bereich sowohl die
Leitung und Kontrolle aller Beziehungen des Außenhandels
zur Staatlichen Verwaltung der Staatsreserve,
d.h. dem Verwaltungsorgan der sog. Materiellen
Staatsreserve, als auch die Leitung und Kontrolle bei
Genehmigungsfragen im MAI im Zusammenhang mit
den staatlichen Außenhandelsunternehmen oblagen.
Während die Zentral-Kommerz Gesellschaft für internationalen
Handel mbH, die Intrac Handelsgesellschaft
mbH, die Transinter GmbH und die Intershop
GmbH dem Bereich direkt unterstellt wurden, bekamen
die Genex Geschenkdienst GmbH und die Abteilung
Interbasar des VEB Schiffsversorgung Rostock
vom Bereich handelspolitische Direktiven.
Für den Bevollmächtigten des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung wurden eine Reihe von Rechten und
Pflichten formuliert. Er war gegenüber den Generaldirektoren
der ihm unterstellten Außenhandelsunternehmen
weisungs- und disziplinarbefugt, konnte mit
den Generaldirektoren anderer Außenhandelsunternehmen
Absprachen hinsichtlich wichtiger kommerzieller
Transaktionen treffen, sollte erforderliche Weisungen
für die Realisierung dieser Transaktionen den
jeweils zuständigen Ministern zur Bestätigung vorlegen,
besaß über die vom MAI für Sonderaufgaben des
Bereiches unterhaltenen Bankkonten Vollmacht und
nahm Koordinationsaufgaben bei Vereinbarungen
zwischen dem MAI und den für den Bereich Kommerzielle
Koordinierung zuständigen staatlichen Stellen
wahr. (Vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/
3462, Dokument-Nr. 9, S. 66f.) Mit diesen Handlungsvollmachten
und -anweisungen hatte der Leiter des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung eine gefestigte
Position im Außenhandel gewonnen.
d) Personalpolitische Entscheidungen
Als Leiter des neugegründeten Bereiches wurde zunächst
kommissarisch Horst Roigk eingesetzt, der als
Offizier im besonderen Einsatz des MfS die Kontrollabteilung
im MAI und vorübergehend den Bereich
Kirchengeschäfte geführt hatte. Unmittelbar vor seiner
Tätigkeit im Bereich Kommerzielle Koordinierung
war Horst Roigk Leiter der Koordination in der Hauptabteilung
XVIII des MfS, die für Fragen der Volkswirtschaft
zuständig war. Nachdem Schalck-Golodkowski
sein Amt als Erster Sekretär der Kreisleitung
im November 1966 niedergelegt hatte, löste er Roigk
als Bevollmächtigten des Bereichs ab.
Mit dem Ministerratsbeschluß Nr. 100/I.3/66 vom 7.
Dezember 1966 wurde Schalck-Golodkowski schließlich
als „Stellvertreter des Ministers für den Bereich
Kommerzielle Koordinierung" bestätigt, und gleichzeitig
wurde die neugeschaffene Funktion in die sog.
Nomenklatur des Ministerrats aufgenommen (vgl. Erster
Teilbericht, BT-Drucksache 12/3462, Dokument-
Nr. 10, S. 68). In der Vorlage an das Präsidium des Ministerrates
werden Schalck-Golodkowskis hervorragende
Leistungen auf dem Gebiet des Außenhandels
herausgestellt, denen zufolge er geradezu für diese
Führungsposition im Außenhandel -del und Innerdeutschen prädestiniert sei.