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Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

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Drucksache 12/7600 <strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag —12. Wahlperio<strong>de</strong><br />

Die Geschäftstätigkeit <strong>de</strong>r F.C. Gerlach Expo rt-Import<br />

erstreckte sich in erster Linie auf die (Zwangs-) Vertretung<br />

westlicher Unternehmen aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r<br />

Stahl-, Textil- <strong>und</strong> Maschinenindustrie. Die Vertreterfunktion<br />

beruhte darauf, daß für Unternehmen aus<br />

<strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wie F riedrich Krupp<br />

AG, Hoesch Krupp, Mannesmann Demag <strong>und</strong> die<br />

Klöckner-Werke Geschäftsabschlüsse in <strong>de</strong>r DDR nur<br />

mit <strong>de</strong>r provisionspflichtigen Einschaltung <strong>de</strong>s Unternehmens<br />

F.C. Gerlach Export-Import o<strong>de</strong>r vergleichbarer<br />

Gebil<strong>de</strong> zulässig waren. Das Unternehmen F.C.<br />

Gerlach Export-Import war darüber hinaus auch bei<br />

<strong>de</strong>r Beschaffung von Embargo-Waren sowie <strong>de</strong>r Realisierung<br />

spezifischer Aufgaben <strong>de</strong>s MfS tätig. Außer<strong>de</strong>m<br />

betrieb das Unternehmen Außenhan<strong>de</strong>lsgeschäfte<br />

mit Zimbabwe <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren Staaten <strong>de</strong>s Rates<br />

für gegenseitige Wirtschaftshilfe <strong>und</strong> war weiterhin<br />

<strong>de</strong>r wichtigste Ersatzteil-Importeur <strong>de</strong>r metallurgischen<br />

Industrie <strong>de</strong>r DDR sowie <strong>de</strong>s VE Kombinats<br />

Seeverkehr <strong>und</strong> Hafenwirtschaft in Rostock (Dokument-Nr.<br />

113). In geringem Umfang beschaffte die F.<br />

C. Gerlach außer<strong>de</strong>m Waren für die MfS-Siedlung<br />

Wandlitz <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Ministerrat <strong>de</strong>r DDR. Die Belege<br />

über letztere Beschaffungen wur<strong>de</strong>n laut Aussage Wischniewskis<br />

auf Weisung Dr. Schalck-Golodkowskis<br />

vernichtet.<br />

Bei <strong>de</strong>r F.C. Gerlach Export-Import han<strong>de</strong>lte es sich<br />

um die einzige Vertretergesellschaft, die berechtigt<br />

war, selbständig Außenhan<strong>de</strong>lsverträge abzuschließen,<br />

<strong>und</strong> die auch sonst in ihrer Geschäftstätigkeit<br />

völlig frei war (Dokument-Nr. 114). Die Geschäfte mit<br />

<strong>de</strong>m RGW, die für das Unternehmen große Gewinne<br />

einbrachten, wur<strong>de</strong>n vermutlich über das liechtensteinische<br />

Tochterunternehmen getätigt. Bezüglich<br />

<strong>de</strong>s Geschäfsvolumens war die F.C. Gerlach Export-<br />

Import die be<strong>de</strong>utendste <strong>de</strong>r sog. HVA-Firmen. Mit<br />

etwa 30 Mitarbeitern erwirtschaftete sie zuletzt einen<br />

jährlichen Gewinn von ca. 28 Mio. DM, von <strong>de</strong>m etwa<br />

1,5 Mio. an die HVA abgeführt wur<strong>de</strong>n. 80% <strong>de</strong>r Einnahmen<br />

hatte das Unternehmen an <strong>de</strong>n Bereich Kommerzielle<br />

Koordinierung abzuführen. 20% stan<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>m Unternehmen selbst zu. Die Gewinne mußten<br />

dabei nicht ausgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Gewinnabführungen erfolgten entwe<strong>de</strong>r in bar<br />

persönlich an Dr. Schalck-Golodkowski o<strong>de</strong>r in Form<br />

von Überweisungen. Von 1974 bis April 1980 flossen<br />

von <strong>de</strong>n Abführungen etwa 28 Mio. DM <strong>und</strong> 4 Mio.<br />

USD auf das Konto 0548 bei <strong>de</strong>r Deutschen Han<strong>de</strong>lsbank<br />

AG, d.h. in <strong>de</strong>n sog. Disponiblen Parteifonds.<br />

Der Rest wur<strong>de</strong> auf Anweisung von Dr. Schalck-Golodkowski<br />

entwe<strong>de</strong>r auf das Konto 0745 bei <strong>de</strong>r DHB<br />

o<strong>de</strong>r das Konto „Max Moser" bei <strong>de</strong>r Bank für Han<strong>de</strong>l<br />

<strong>und</strong> Effekten in Zürich überwiesen. Von <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />

bei <strong>de</strong>m Kammergericht Berlin wird in diesem<br />

Zusammenhang ermittelt, ob alle empfangenen<br />

Barzahlungen von Dr. Schalck-Golodkowski <strong>und</strong><br />

Manfred Sei<strong>de</strong>l ordnungsgemäß abgeführt wur<strong>de</strong>n.<br />

Ungeklärt war insbeson<strong>de</strong>re eine Barzahlung von<br />

drei Mio. DM kurz vor <strong>de</strong>r Flucht Dr. Schalck-Golodkowskis,<br />

von <strong>de</strong>r zunächst nur die Hälfte als Verbleib<br />

nachgewiesen wer<strong>de</strong>n konnte. Inzwischen hat die<br />

Staatsanwaltschaft jedoch auch <strong>de</strong>n Verbleib <strong>de</strong>r restlichen<br />

1,5 Mio. DM geklärt. Dr. Schalck-Golodkowski<br />

hatte das Geld noch vor seiner Flucht eingezahlt. Das<br />

Verfahren wird daher eingestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Über die Abführung von Gel<strong>de</strong>rn hinaus diente das<br />

Unternehmen F.C. Gerlach Export-Import <strong>de</strong>r HVA<br />

insbeson<strong>de</strong>re zur Beschaffung von Embargowaren.<br />

Das Unternehmen arbeitete auf diesem Gebiet jedoch<br />

nicht ausschließlich für das MfS, son<strong>de</strong>rn auch für die<br />

Industrie. In welchem Umfang <strong>und</strong> auf welchem Weg<br />

die Embargogüter beschafft wur<strong>de</strong>n, ist zum Großteil<br />

ungeklärt. U.a. wur<strong>de</strong> aber z.B. auch NATO-Rüstungsmaterial<br />

an die HVA geliefert.<br />

Eine wichtige Rolle im Bereich <strong>de</strong>r Embargobeschaffung<br />

<strong>de</strong>s Unternehmens spielte <strong>de</strong>r HVA-Agent Herbert<br />

Rübler. Wischniewski arbeitete bei <strong>de</strong>r Beschaffung<br />

von Embargowaren zumin<strong>de</strong>st bis in die 70er<br />

Jahre sehr eng mit Rübler zusammen. Sie trennten<br />

sich, weil Rübler angeblich nicht bereit war, als Eigentümer<br />

für Schwarzgeldkonten von Wischniewski in<br />

Berlin (West) aufzutreten (Dokument-Nr. 115). 1968<br />

grün<strong>de</strong>te Rübler unter <strong>de</strong>m Namen seiner Frau Helga<br />

das Unternehmen Transimpex in Berlin (West). Es<br />

han<strong>de</strong>lte sich dabei mit großer Wahrscheinlichkeit um<br />

ein Tarnunternehmen Wischniewskis bzw. <strong>de</strong>s MfS,<br />

über das in großem Umfang Embargogeschäfte abgewickelt<br />

wur<strong>de</strong>n (Dokument-Nr. 116). Rübler starb<br />

1988 unter myste riösen Umstän<strong>de</strong>n in einem Hotel in<br />

Berlin (Ost). Möglicherweise war Rübler auch für <strong>de</strong>n<br />

B<strong>und</strong>esnachrichtendienst tätig (Dokument-Nr. 115).<br />

Welche Rolle das Tochterunternehmen Etablissement<br />

F.C. Gerlach Export-Import in Vaduz bei <strong>de</strong>n Embargogeschäften<br />

spielte, ist unbekannt. Es tauchte jedoch<br />

in mehreren Fällen als Geschäftspartner bei illegalen<br />

Geschäften im inner<strong>de</strong>utschen Han<strong>de</strong>l, u.a. im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Nahrungsmittel- <strong>und</strong> Textilindustrie, auf,<br />

wobei es mit großer Wahrscheinlichkeit jedoch nur als<br />

Briefkastenfirma fungierte.<br />

Inwieweit Dr. Schalck-Golodkowski über die einzelnen<br />

MfS-Aufträge bzw. Embargobeschaffungen <strong>de</strong>r<br />

F. C. Gerlach informiert war, ist ebenfalls unklar. Während<br />

er dies selbst abstritt, geht aus einem Brief von<br />

ihm an Wischniewski vom 13. März 1973 hervor, daß<br />

alle Importaktivitäten mit ihm abzustimmen waren<br />

(Dokument-Nr. 117).<br />

Die geschäftlichen Verbindungen zwischen <strong>de</strong>m Unternehmen<br />

F.C. Gerlach Export-Import <strong>und</strong> <strong>de</strong>r HVA<br />

bzw. an<strong>de</strong>ren Diensteinheiten <strong>de</strong>s MfS gingen über<br />

die Beschaffung von Embargowaren weit hinaus. So<br />

unterhielt das Unternehmen laut Aussage von Manfred<br />

Sei<strong>de</strong>l u.a, auch eine Reparaturwerkstatt für<br />

PKW <strong>de</strong>r HVA. Außer<strong>de</strong>m beschaffte es Importwaren<br />

für die sog. MfS-Firma Letex. Laut eigener Aussage<br />

Wischniewskis vor <strong>de</strong>m Untersuchungsausschuß <strong>de</strong>s<br />

Bayerischen Landtages war das MfS einer seiner besten<br />

K<strong>und</strong>en (11. Sitzung, Protokoll S. 178).<br />

Bei <strong>de</strong>m Geschäftsführer <strong>de</strong>r F.C. Gerlach Export-Import,<br />

Wischniewski, han<strong>de</strong>lte es sich um eine Person<br />

mit langjähriger krimineller Vergangenheit <strong>und</strong> starkem<br />

nachrichtendienstlichem Hintergr<strong>und</strong>. Er wikkelte<br />

seine Geschäfte u.a. unter <strong>de</strong>n Aliasnamen Henri,<br />

Heinrich o<strong>de</strong>r Hersz Libermann, Michael, Marian<br />

o<strong>de</strong>r Michelle Wischniewski <strong>und</strong> Dr. Gebhardt ab.<br />

Es besteht <strong>de</strong>r Verdacht, daß Wischniewski zeitweise<br />

für <strong>de</strong>n sowjetischen Nachrichtendienst tätig war. Seit<br />

1950 arbeitete er für die Bezirksverwaltung (BV) Berlin<br />

<strong>de</strong>s MfS unter Führung <strong>de</strong>s damaligen Leiters <strong>de</strong>r

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