Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

genüber dem Untersuchungsausschuß bedingt bestätigt
hat (vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache 12/
3462, Dokument-Nr. 22, S. 123).
Im Hinblick auf die Frage nach der „Geheim"-Einstufung
der Dissertation ist festzustellen, daß es gängige
Praxis war, viele Doktorarbeiten in verschiedene Geheimhaltungskategorien
einzustufen. Oftmals lag es
in der Hand von Parteisekretären, ob eine Dissertation
den Stempel „Nur für den Dienstgebrauch",
„Vertrauliche Dienstsache" oder gar „Geheime Verschlußsache"
erhielt. Die Gemeinschaftsdissertation
von Schalck-Golodkowski und Volpert, in der das
Konzept des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
dargelegt wurde, gehörte zu den streng geheimen
Verschlußsachen. (Vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache
12/3462, Dokument-Nr. 22, S. 329f.)
Mit der Dissertation über die „Vermeidung ökonomischer
Verluste und Erwirtschaftung zusätzlicher Devisen"
wurde der Praxis des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
eine Theorie an die Seite gestellt. So unverzichtbar
eine Analyse der konzeptionellen Grundlagen
auch ist, die Realisation bleibt ihr Korrektiv.
III. Organisation des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung
1. Zusammenfassung des Zweiten Teilberichts
Der Bereich Kommerzielle Koordinierung bestand am
1. Oktober 1989 aus drei Hauptabteilungen und vier
weiteren Abteilungen, die direkt Dr. Schalck-Golodkowski
unterstellt waren. Nach den Feststellungen
des Untersuchungsausschusses, die bereits im Zweiten
Teilbericht (BT-Drucksache 12/3920) dargelegt
wurden, waren die Unternehmen des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung weitgehend den Hauptabteilungen
I und II und der Abteilung Firmen zugeordnet.
Diese Zuordnung war zum Teil historisch bedingt,
zum Teil erfolgte sie aufgrund der Aufgabenstellung
der jeweiligen Abteilung.
Die Hauptabteilung I hatte im Bereich Kommerzielle
Koordinierung wegen ihrer engen Anbindung an das
Ministerium für Staatssicherheit eine Sonderstellung.
Leiter war Manfred Seidel, Stellvertreter von Dr.
Schalck-Golodkowski und wie dieser OibE des MfS
im Dienstgrad eines Oberst. Seidel war Verbindungsoffizier
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung zur
Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung
(AG BKK) im Mf S.
Zur Hauptabteilung I gehörten die sog. MfS-Firmen
(„Operative Firmen"). Es handelte sich um die Unternehmen
Asimex Import-Export-Agentur, Ca rnet, F. C.
Gerlach Export-Import, Günther Forgber Wahrnehmung
von Interessen für Industrie und Handel, Interport
Industrievertretungen, Intertechna GmbH und
Letex Staatliches Handelsobjekt VEB. Zur Geschäftstätigkeit
dieser Unternehmen gehörte u.a. die Beschaffung
von Embargowaren und militärisch nutzbarer
Technik, aber auch die Belieferung der Prominentensiedlung
Wandlitz mit westlichen Produkten. Die
Aktivitäten dieser Unternehmen wurden zum Teil von
der Hauptverwaltung Aufklärung gesteuert.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/7600
In der Hauptabteilung I wurden ebenfalls die Befisa
S.A. in Lugano und die mit ihr verbundenen Unternehmen
zusammengefaßt. Die Befisa S.A. sollte Devisen
erwirtschaften.
Zum Aufgabengebiet der Hauptabteilung I gehörten
des weiteren die wirtschaftlichen Beziehungen zu
bzw. die Beziehung zwischen den Kirchen in beiden
Teilen Deutschlands. Dazu zählten auch der Häftlingsfreikauf
und die Familienzusammenführung, soweit
es sich um die Abwicklung der Gegenleistungen
aus der Bundesrepublik Deutschland handelte (sog.
Kirchengeschäft B).
Schließlich wurde in der Hauptabteilung I die Kunst
und Antiquitäten GmbH geführt.
Die Hauptabteilung II war zuständig für die gewinnträchtigsten
Unternehmen des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung. Leiterin der Hauptabteilung II
war seit 1983 Meta Bleßing. Die Aufgabe der Hauptabteilung
II bestand in der wirtschaftlichen Kontrolle
der Unternehmen Intrac Handelsgesellschaft mbH,
forum Handelsgesellschaft mbH, Transinter GmbH,
BIEG (Berliner Import-Export Gesellschaft mbH),
IMES GmbH und Kunst und Antiquitäten GmbH. Die
IMES GmbH unterstand im übrigen der Abteilung
Handelspolitik, die Kunst und Antiquitäten GmbH
der Hauptabteilung I. Die ökonomische Kontrolle bezog
sich auf die Erstellung und Einhaltung der Pläne
und die Überwachung der Gewinnabführung. Meta
Bleßing hatte keinen Einfluß auf die Geschäfte der
Unternehmen. Die Aufgabe der Unternehmen war
neben der Erwirtschaftung von Devisen, z.B. durch
die Beseitigung von Abfallstoffen auf dem Territorium
der DDR, die Beschaffung von Investitionsgütern und
Ersatzteilen aus dem Westen für die gesamte Wirtschaft
der DDR. Das Anfragemonopol für Lieferungen
aus dem Westen hatte die Transinter GmbH. Das bedeutete,
daß Unternehmen in der DDR, die Ersatzteile
oder andere Güter aus dem Westen zur Aufrechterhaltung
bzw. Herstellung der Produktion benötigten,
deren Bedarf über die Transinter GmbH decken mußten.
Die Aufgabe der Hauptabteilung III, deren Leiter Dieter
Paul war, bestand in der Abstimmung des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung mit der Indust rie der
DDR, insbesondere mit der metallverarbeitenden Industrie,
der Grundstoffindustrie und der Elektronikindustrie.
Die Hauptabteilung III war auch zuständig
für die Erteilung der Erlaubnis an westliche Unternehmen,
in der DDR zu produzieren. Zur Hauptabteilung
III gehörte auch die Abteilung „BRD/Westberlin";
sie hatte die Aufgabe, Dr. Schalck-Golodkowski
als Mitglied der Arbeitsgruppe „BRD" des Politbüros
zuzuarbeiten.
Leiterin der Abteilung Firmen war Waltraud Lisowski.
Aufgabe der Abteilung war die Leitung der Unternehmen
im sog. Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet,
insbesondere der sog. Parteifirmen. Dies erfolgte in
enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Verkehr
des ZK der SED und der Simpex GmbH.
Der Abteilung Firmen waren außer den Holdings, die
zum Teil nur als Briefkastenfirmen fungierten, auch
die über die sog. Parteifirmen gesteuerten „gemischten
Gesellschaften" unterstellt. An letzteren war der