Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
treterfirma alle noch nicht in der DDR vertretenen Embargolieferanten
des Handelsbereichs 4 zuzuführen.
Dem Vorschlag zufolge sollte die neue Vertreterfirma
dem Bereich Kommerzielle Koordinierung und dem
Handelsbereich 4 doppelt unterstellt werden; Vorgesetzter
des Leiters sollte Dr. Schalck-Golodkowski
werden.
Zur Begründung, diese neue Institution zu bilden,
stellte das Papier fest: Das Unternehmen Forgber und
das ihm unterstellte Industriebüro würden von westlichen
Nachrichtendiensten als Organ des Ministeriums
für Staatssicherheit betrachtet. Diese Tatsache
gefährde die Beschaffung und die Tätigkeit der sog.
Lieferfirmen. „Durch unsere Zusammenarbeit mit
Forgber und seinem Industriebüro ist die Zeit absehbar,
daß auch unser Importbereich öffentlichkeitswirksam
als Organ des MfS arbeitend dargestellt werden
kann" , heißt es außerdem in dem Papier.
Ronneberger hat in seiner Vernehmung vor dem Bundeskriminalamt
ausgesagt, er habe diesen Vorschlag
ausgearbeitet. Den Auftrag dafür habe ihm Oberst Artur
Wenzel erteilt, mit der Verpflichtung, mit keiner
dritten Person darüber zu sprechen. Wenzel habe vorgehabt,
diesen Vorschlag aus taktischen Gründen
selbst Dr. Schalck-Golodkowski zur Entscheidungsfindung
zu übergeben und in diesem Zusammenhang
den Sicherheitsaspekt mit ihm zu erläutern. Später sei
Wenzel allerdings nicht wieder auf diesen Vorschlag
zurückgekommen.
4. Organisation und Abwicklung der Geschäfte
a) Beratungen und Planungen
Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, bestand unter
Leitung von Staatssekretär Karl Nendel vom Ministerium
für Elektrotechnik und Elektronik (MEE) eine
Arbeitsgruppe zur Planung, Finanzierung und Beschaffung
von Bauelementen, Baugruppen, Technologien
und technologischen Spezialausrüstungen für
die Mikroelektronik. Dieses Gremium tagte im Abstand
von 14 Tagen und entschied, welche Ausrüstungen
zu importieren waren. Beteiligt waren an den Besprechungen
neben Karl Nendel als Leiter:
- Siegfried Stöckert als Vertreter des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung
- Gerhardt Ronneberger als Leiter des Handelsbereichs
4 des AHB Elektronik
- Wolfram Zahn als stellvertretender Generaldirektor
des Kombinats Mikroelektronik Erfu rt
- Werner Engler, Leiter des Sektors Kompensationsinvestitionen
im MEE, der gelegentlich von seiner
Mitarbeiterin Doris Klimke vertreten wurde.
Die Aufgabe des Gremiums lag da rin, die zur Verfügung
gestellten Fonds auf die „Bedarfsträger", also
die Kombinate, aufzuteilen. Der Sektor Kompensationsinvestitionen
im MEE listete dafür den Bedarf der
Kombinate der Mikroelektronik auf. Diese Bedarfsliste
wurde Ronneberger, Zahn und Stöckert ausgehändigt.
Auf dieser Arbeitsgrundlage stellte das Gremium
Auftragslisten zusammen, die nach Aussage
von Engler vor dem Bayerischen Landeskriminalamt
eine Warenbeschreibung („Spezifikation"), den Preis
und den Liefertermin enthielten. Welches „Beschaffungsorgan"
welche Waren zu beschaffen hatte, wurde
durch Ronneberger und Zahn vorgeschlagen und
festgelegt (Dokument-Nr. 552).
Wurde zum Beispiel ein Auftrag dem Handelsbereich
4 übertragen, wählte man do rt aus, welcher Lieferant
das Importobjekt beschaffen sollte. Ronneberger hielt
dafür Rücksprache mit seinen Stellvertretern und
Kontordirektoren, die den nach ihrer Einschätzung
am besten geeigneten Geschäftspartner nennen mußten.
Den Mitarbeitern war es strengstens untersagt,
für eine Ware mehrere Angebote einzuholen. Damit
sollte eine Gefährdung der Lieferanten vermieden
werden.
Zum Jahresbeginn erhielt Ronneberger vom Bereich
Kommerzielle Koordinierung und vom Ministerium
für Elektrotechnik und Elektronik eine schriftliche
Aufgabenstellung, in der das Volumen der Importe
aufgelistet war. Dazu kam eine Gesamtarbeitsliste,
aus der ersichtlich war, welche Importgüter vom Handelsbereich
4 und welche von den SBO eingeführt
werden sollten. In den Übersichten waren auch die
entsprechenden Finanzmittel angegeben. Für Embargoware,
die von den SBO importiert wurde, flossen
die Finanzmittel ebenfalls über den Handelsbereich
4.
b) Warenart und Menge
Bei der Darstellung der Waren und Güter, die von der
DDR unter Umgehung der CoCom-Liste eingeführt
wurden, sind nur ungefähre Angaben möglich. Der
Untersuchungsausschuß hat -im
Rahmen der Beweis-
erhebung festgestellt, daß die Beschaffung von militärtechnischen
Unterlagen bis zur Einführung einer
kompletten Leiterplattenfabrik reichte.
In einem Brief beschrieb Ronneberger die vom Handelsbereich
4 importierten Waren und Güter so:
„Der Handelsbereich ist schwerpunktmäßig für den
NSW-Import folgender Erzeugnisgruppen zuständig:
- elektronische Bauelemente
- Materialien und Baugruppen für die Mikroelektronik
- Baugruppen und Geräte der CAD/CAM- und
Meßtechnik, Software und Dienstleistungen
- technologische Spezialausrüstungen und knowhow
für die Mikroelektronik
- komplette Produktionslinien und Ausrüstungen
mit Anlagencharakter. " (Dokument-Nr. 557)
Es war für die Importeure in der DDR unproblematisch,
elektronische Bauelemente, Computertechnik,
Mikroprozessoren und hochintegrierte Schaltkreise
zu beschaffen, die Embargobestimmungen unterla-
gen. Diese Güter wurden nach Aussage von Ronne
berger quasi „an jeder Straßenecke gehandelt".
Schwieriger gestaltete sich insbesondere ab 1987/
1988 die Einfuhr von Produktionsausrüstungen zur
Herstellung von Bauelementen, für die es weltweit