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Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
zu dem er im Laufe der Jahre ein Vertrauensverhältnis
entwickelte, erhielt Dr. Schalck-Golodkowski
nach eigenen Angaben Zugang zu internen Kreisen
des MfS und lernte all die Personen kennen, die für
seinen weiteren beruflichen Werdegang von großer
Bedeutung waren. U.a. brachte ihn Fruck Anfang der
60er Jahre mit dem damaligen stellvertretenden Abteilungsleiter
der HA XX des MfS und späteren Offizier
für Sonderaufgaben, Heinz Volpert, mit dem damaligen
ZK-Sekretär für Wirtschaft, Dr. Günter Mittag,
und mit dem späteren Minister für Außenhandel,
Dr. Gerhard Beil, in Verbindung. Dr. Schalck-Golodkowski
hat in der Vernehmung vor der Staatsanwaltschaft
bei dem Kammergericht Berlin am 11. Juni
1992 zugegeben, daß er den Verbindungen mit dem
MfS seinen Einsatz als Leiter des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung zu verdanken gehabt habe und
daß hierbei insbesondere Fruck und Dr. Volpert eine
große Rolle gespielt hätten.
Der Kaderakte Dr. Schalck-Golodkowskis ist an verschiedenen
Stellen zu entnehmen, daß er bereits seit
1960 außerdem als IM für das MfS tätig war. Der Vorschlag
des MfS zur Auszeichnung Dr. Schalck-Golodkowskis
mit dem Kampforden in Gold vom Januar 1972
und ein Personalfragebogen des MfS nannten als Beginn
der Dienstzeit Schalck-Golodkowskis als Inoffizieller
Mitarbeiter den 1. Juni 1960 (Dokument-Nr. 82).
Dr. Schalck-Golodkowski hat eine IM-Tätigkeit vor
dem Untersuchungsausschuß entschieden abgestritten.
Er hat darauf beharrt, vor 1966 weder offizieller
noch Inoffizieller Mitarbeiter des MfS gewesen zu sein,
sondern lediglich offizielle Kontakte zu diesem unterhalten
zu haben. Weder habe er irgendwelche Geldleistungen
vom MfS erhalten, noch sich in irgendeiner
Weise für das Ministerium verpflichtet. Während seiner
Tätigkeit als Parteifunktionär habe sogar ein offizielles
Verbot für das MfS bestanden, ihn als Inoffiziellen Mitarbeiter
einzusetzen. Als Erklärung für die Eintragungen
in seiner Kaderakte hat er angegeben, daß diese
nachträglich erfolgt seien, um bei einer späteren Festlegung
des Gehalts und der Altersrente ein höheres
Dienstalter anrechnen zu können. Er selber habe bei
seiner „Attestierung" als OibE 1966 Wert auf diese Anrechnung
gelegt. Dr. Schalck-Golodkowski hat weiterhin
darauf hingewiesen, daß diese Methode bei Mitarbeitern
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung häufig
angewendet worden sei. So sei z.B. auch bei seiner
Sekretärin, Gisela Brachaus, eine derartige Rückdatierung
vorgenommen worden, obwohl diese vor ihrer Attestierung
als OibE nie für das MfS gearbeitet habe
(11. Sitzung, Protokoll S. 44; 73. Sitzung, Protokoll S. 8,
20ff). Auf Nachfrage des Untersuchungsausschusses
gab Gisela Brachaus allerdings an, daß ihr die Möglichkeit
einer solchen Rückdatierung völlig neu und bei ihr
eine solche nicht durchgeführt worden sei. Sie gab zu,
bereits über zehn Jahre vor ihrer „Attestierung" mit
dem MfS zusammengearbeitet zu haben. (81. Sitzung,
Protokoll S. 90ff, 108ff.)
Unabhängig davon, ob Dr. Schalck-Golodkowski tatsächlich
als Inoffizieller Mitarbeiter für das MfS arbeitete,
lagen dem Untersuchungsausschuß Unterlagen
vor, die belegen, daß er in jedem Fall auch bereits vor
seiner „Attestierung" als OibE aktiv für das MfS tätig
war. Volpert begründete den Vorschlag zur Einstellung
Schalck-Golodkowskis als OibE vom 8. Septem-
ber 1966 folgendermaßen: „Zu dem Kandidaten besteht
seit vielen Jahren offizieller Kontakt. Mit dem
Einsatz als Hauptverwaltungsleiter beim MAI gestalteten
sich die Verbindungen und Kontakte zu ihm aktiver
und fester. Auf Grund der Vielseitigkeit seiner
Aufgaben als Hauptverwaltungsleiter und 1. Sekretär
unterhält der Kandidat zu vielen Genossen des MfS
Verbindungen, um gemeinsam operative Maßnahmen
zu realisieren. Alle übertragenen Aufgaben vom
MfS wurden sehr zuverlässig und pünktlich erfüllt.
Eine besonders enge Zusammenarbeit besteht zwischen
dem Kandidaten und der HVA des MfS. In allen
Fällen und Situationen stand er beratend zur Seite,
setzte sich dafür ein, bestimmte Probleme im MAI im
Interesse des MfS durchzusetzen. So war seine Hilfe
und Unterstützung für die HVA bei der Suche und der
Auswahl zuverlässiger Kader für das kapitalistische
Ausland von unschätzbarem Wert." Aus einer Stellungnahme
des MfS-Majors Becker vom 26. September
1966 zur Bestätigung Schalck-Golodkowskis als
OibE ist ebenfalls zu entnehmen, daß durch seine
„langjährigen Kontakte zu den Organen des Ministeriums
für Staatssicherheit und entsprechende aktive
Mitarbeit für die Interessen desselben", die „Zuverlässigkeit
und Korrektheit" Schalck-Golodkowskis
festgestellt werden konnte. Die Bestätigung als OibE
für das MfS sollte ein „Beweis des Vertrauens sein
und die psychologische Wirkung haben, sich noch intensiver
und qualifizierter für die Belange des Ministeriums
für Staatssicherheit einzusetzen. Entsprechend
seiner Vorbildung, seinen Kenntnissen und Erfahrungen
auf dem Fachgebiet sowie den gezeigten
Leistungen und den Vorkenntnissen, die er aus der
Tätigkeit der Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit
besitzt, wird er für den Einsatz und die Aufgaben
als geeignet angesehen." (Dokument-Nr. 83)
Dr. Schalck-Golodkowski hat vor dem Untersuchungsausschuß
angegeben, die Zusammenarbeit
mit der HVA habe sich darauf bezogen, die HVA als
SED-Kreissekretär bei der Herauslösung von Mitarbeitern
aus seinem Bereich mit Hilfe von Legenden zu
unterstützen. Ansonsten habe seine wichtigste „operative
Aufgabe" lediglich darin bestanden, Stimmungsberichte
über die Sicherheitslage und den Außenhandel
zu liefern. (73. Sitzung, Protokoll S. 28ff.)
Der Untersuchungsausschuß hatte Anlaß zu vermuten,
daß sich hinter der „Realisierung" operativer Aufgaben
möglicherweise doch etwas anderes verbarg,
als von Dr. Schalck-Golodkowski angegeben wurde.
Insbesondere sprach hierfür die enge Beziehung Dr.
Schalck-Golodkowskis zu den sog. HVA-Firmen F.C.
Gerlach Export-Import und Simon Industrievertretungen.
Schalck-Golodkowski hatte diese Unternehmen
bzw. ihre Geschäftsführer Michael Wischniewski und
Simon Goldenberg über Fruck, unter dessen Aufsicht
sie zu diesem Zeitpunkt standen, Anfang der 60er
Jahre kennengelernt. Aus dem Brief von Schalck-Golodkowski
an das Politbüro-Mitglied Hermann Matern
vom 29. Dezember 1965 geht hervor, daß
Schalck-Golodkowski bereits zu diesem Zeitpunkt
Geschäfte illegalen Charakters mit diesen Unternehmen
abwickelte (vgl. Erster Teilbericht, BT-Drucksache
12/3462, Dokument-Nr. 4, S. 48). Obwohl sich
Dr. Schalck-Golodkowski vor dem Untersuchungsausschuß
zu dem Brief bekannt hat, hat er diesen Teil