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Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
Arbeitsgruppe MAH (Arbeitsgruppe Baude)
1979 wurde die Arbeitsgruppe MAH gegründet, die
zur MfS-Abteilung Verwaltung Rückwärtige Dienste
(VRD) gehörte und im Gebäude des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung tätig war. Die Mitarbeiter der AG
MAH waren Angehörige des MfS und wurden als Offiziere
im besonderen Einsatz (OibE) geführt. Die AG
MAH ging unter „Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung"
vor; die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe
sollte Mitarbeitern des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
nicht bekannt werden. Vielmehr sollte die AG
MAH nur als Gruppe zur Erfüllung von Außenhandelsaufgaben
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung in
Erscheinung treten. Dr. Schalck-Golodkowski, seine
Sekretärin Gisela Brachaus und Seidel waren allerdings
über die Zugehörigkeit der AG MAH zum MfS
informiert (Dokument-Nr. 571).
Leiter der AG MAH war in der Anfangszeit Oberst
Willi Böhme. Ihn löste 1981 Heinz Baude ab, der seit
März 1955 hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS war
und nach einjähriger Ausbildung durch die Schule
der HVA mit seiner Frau Ingeburg als Agent in der
Bundesrepublik Deutschland gelebt hatte. Das Ehepaar
trat unter den Aliasnamen Dietrich und Helga
Schröder auf; es wurde 1962 vom Oberlandesgericht
Koblenz wegen verräterischer Beziehungen im Sinne
des § 100e StGB in Tateinheit mit fortgesetzter Urkundenfälschung
zu Gefängnisstrafen verurteilt. Im August
1963 kehrte Baude in die DDR zurück und arbeitete
für verschiedene MfS-Abteilungen. Von 1983 bis
zu seinem Ausscheiden im Jahr 1989 hatte er den
Dienstrang eines Oberstleutnants.
In der Arbeitsgruppe Baude waren neben ihrem Leiter
die Mitarbeiter Wolfgang Haustein (der Stellvertreter
Baudes war), Monika Landgraf, Gabriele Viehweger,
Christina Voigt und Johann Pracht beschäftigt.
Die Gruppe war aus Gründen der Tarnung zunächst
in den Büroräumen des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung in der Wallstraße untergebracht. Wie
Dr. Schalck-Golodkowski in einer Vernehmung durch
das Bundeskriminalamt ausgesagt hat, habe er eine
Verlegung der Arbeitsgruppe erreicht. Dies sei nach
seinen Angaben geschehen, weil dort Sicherheitsmaßnahmen
vernachlässigt worden seien und beispielsweise
Fahrzeuge mit West-Berliner Kennzeichen
auf den Hof gefahren seien. Die Arbeitsgruppe
wechselte in die Schlegelstraße in Berlin (Ost), wo
auch das Unternehmen Günther Forgber ihren Sitz
hatte.
Aufgabe der Arbeitsgruppe war es, schnell und unbürokratisch
für das MfS, die NVA und das Ministerium
des Innern (MdI) Waren aus dem Westen zu besorgen -
beispielsweise elektronische Bauelemente, Computer
und Software, Ersatzteile für Autos, medizinische Geräte,
Büromaterialien, Fotoapparate, Kopiergeräte und
Handfunksprechgeräte. Nach Angaben von Seidel vor
der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht Berlin
beschaffte die AG MAH gelegentlich auch Munition
und Waffen. Die Aufträge des MfS erteilte der Arbeitsgruppe
Major Klaus Jokiel von der MfS-Abteilung Verwaltung
Rückwärtige Dienste (VRD).
Für den Import von Embargowaren konnte die Ar
beitsgruppe nach Aussage von Seidel diejenigen Un
ternehmen des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
nutzen, die in der Schweiz oder der Bundesrepublik
Deutschland angesiedelt waren. Neben den Geschäften
mit diesen Lieferanten baute sie eigene Firmenverbindungen
auf - sogenannte „Beschaffungslinien".
Ihnen gegenüber trat die Arbeitsgruppe unter
der Bezeichnung „Ministerium für Außenhandel, Bereich
Kommerzielle Koordinierung, Handelsabteilung
" auf.
Mitarbeiter dieser „Beschaffungslinien" führten jeweils
während der Leipziger Messe mit Mitarbeitern
der AG MAH Verhandlungsgespräche. Dazu zählten
im wesentlichen folgende Unternehmen, die von der
AG BKK des MfS laufend überprüft wurden:
- Remex, Berlin (West) (Renate und Jürgen Müller),
- Allimex, Schweiz (Michael Grossauer)
- Jan Plon A/S, Dänemark (Jan Plon),
- Transcommerz Industriewaren HGmbH, Berlin
(West) (Geschäftsführer We rner Krüger),
- Chemoplast, Im- und Export GmbH, Berlin (West)
(Reinhold Bechtle).
Gelegentlich hat die Arbeitsgruppe, wie Mitarbeiter
Wolfgang Haustein vor dem Generalbundesanwalt
ausgesagt hat, auch für den Bereich Kommerzielle Koordinierung
im Auftrag von Dr. Schalck-Golodkowski
und Seidel Importe durchgeführt. Die finanziellen
Mittel erhielt die Arbeitsgruppe vom MfS, Abteilung
VRD. Nach Angaben von Baude vor dem Generalbundesanwalt
hat die Größenordnung der Importe etwa
5 bis 6 Mio. DM pro Jahr betragen.
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Inwieweit Dr. Schalck-Golodkowski Einblick in die
Geschäfte der Arbeitsgruppe Baude hatte, hat der Untersuchungsausschuß
im Zuge der Beweiserhebung
nicht im einzelnen feststellen können.
Arbeitsgruppe Embargo
Um die Arbeit der im MfS mit der Beschaffung von
Embargowaren beauftragten Diensteinheiten zu koordinieren,
wurde 1987 auf Befehl von Mielke eine
„Arbeitsgruppe Embargo" gebildet, die sich vier bis
fünfmal im Jahr treffen sollte. Sie wurde geleitet von
Generalmajor Horst Vogel, dem Leiter des Sektors
Wissenschaft und Technik (SWT). Als Sekretär der Arbeitsgruppe
war Major Bernd Kaden von der Abteilung
XIV des SWT vorgesehen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe waren
- der Leiter oder Stellvertreter der Hauptabteilung
XVIII,
- der Leiter oder ein Stellvertreter des Operativ
Technischen Sektors (OTS)
- der Leiter der AG BKK
- der Leiter der Abteilung XIV des Sektors Wissenschaft
und Technik der HVA
- der Leiter der Abteilung V des SWT der HVA und
- der Leiter der Arbeitsgruppe XV/BV (Bezirksverwaltung)
der HVA.