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Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
jahrplanung im Bereich selbst hatte er die Federführung.
Dr. Schalck-Golodkowski gab den in dem jeweiligen
Plan festgelegten Betrag der Gewinnabführung
des Bereichs an die operative Staatsdevisenreserve
vor. Der Bereich Kommerzielle Koordinierung
war devisenrechtlich selbständig. Dr. Schalck-Golodkowski
konnte entscheiden, wie die großen Geldfonds
des Bereichs eingesetzt wurden. Ein erheblicher
Teil der Gewinne des Bereichs konnte so auf
Konten des Bereichs verbleiben und zu den von Dr.
Schalck-Golodkowski bestimmten Zwecken verwendet
werden. Hier eröffneten sich Spielräume für außerökonomische
Verwendungen von umfangreichen
Geldbeträgen. Die Kompetenzen, über die Dr.
-
Schalck-Golodkowski als Leiter des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung verfügte, nutzte er zur Entfaltung
der Möglichkeiten seines Bereichs.
Dr. Schalck-Golodkowski wurde von der Partei- und
Staatsführung in Wirtschaftsfragen konsultiert und in
Regierungsverhandlungen internationaler Schwerpunktobjekte
eingebunden, teilweise war er federführend.
Das Politbüro zog ihn zu Beratungen über
aktuelle finanz- und wirtschaftspolitische Themen
hinzu. Dr. Schalck-Golodkowski wurde zu den Rapporten
der einzelnen Ressortminister über Plan- und
Exportplan-Erfüllungen hinzugezogen. Er war bei
den Auseinandersetzungen um die Realisierung der
Produktions- und Außenhandels-Kennziffern der einzelnen
Ministerien anwesend. Da Dr. Schalck-Golodkowski
bei zahlreichen Wi rtschaftsberatungen auf
höchster Ebene beteiligt war, hatte er einen umfassenden
und weitestgehend realistischen Überblick
über den jeweiligen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung
der DDR.
Dr. Günter Mittag bezog Dr. Schalck-Golodkowski in
Regierungsfunktionen ein und betraute ihn mit Aufgaben
und Funktionen, die weit über seine ursprüngliche
Position als Staatssekretär hinausgingen. Dr.
Schalck-Golodkowski und sein Bereich wurden von
der Regierung der DDR für die Durchführung sämtlicher
kommerzieller Vereinbarungen zwischen den
Regierungen der DDR und der Bundesrepublik
Deutschland eingesetzt. Federführend war er für deren
ökonomische Beurteilung und Realisierung, auch
wenn andere Ministerien als Partner der bundesdeutschen
Gremien auftraten. Entsprechendes galt für die
kommerzielle Regelung aller von den Kirchen der
Bundesrepublik Deutschland finanzierten Bauten
und Investitionen im kirchlich-sozialen Bereich.
Nachdem Dr. Schalck-Golodkowski bereits 1976 in
eine Reihe von Arbeitsgruppen des Politbüros der
SED - insbesondere der AG Zahlungsbilanz - berufen
worden war, wurde ihm 1982 aufgrund einer mündlichen
Weisung Dr. Günter Mittags die Koordination
auf dem Gebiet der Bank- und Kreditpolitik, also von
Bereichen übertragen, die unmittelbaren Einfluß auf
die Zahlungsfähigkeit der DDR hatten. Seine Kompetenzen
gingen soweit, daß er angesichts einer Verschuldung
der DDR, die im Jahre 1989 51,6 Mrd. VM
erreichte, Liquiditätsreserven in Milliardenhöhe anlegen
konnte, über die die Staatliche Plankommission
und das Politbüro der SED - abgesehen von Honekker,
Dr. Mittag und Mielke - nichts wußten. Als Dr.
Schalck-Golodkowski am 14. November 1989 ge-
meinsam mit Dr. Herta König, Stellvertreterin des Ministers
der Finanzen, den Leiter der Staatlichen Plankommission,
Gerhard Schürer, und den gerade neugewählten
Ministerpräsidenten der DDR, Dr. Hans
Modrow, aufgrund einer dringenden Anfrage Schürers
über die tatsächliche Verschuldungssituation der
DDR aufklärte, legte er zwar Liquiditätsreserven in
Höhe von 12,6 Mrd. VM offen, um die sich die Verschuldung
der DDR verringere. Aber er informierte
sie nicht über die Goldbestände des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung (in Höhe von rund 0,5 Mrd.
DM) und die Guthaben des Bereichs auf Konten bei
ausländischen Banken.
Zum Zeitpunkt der Wende waren Dr. Schalck-Golodkowski
- soweit der Untersuchungsaussschuß dies
feststellen konnte - zwölf volkseigene Außenhandelsbetriebe
und zwei privat geführte sog. Vertreterfirmen
direkt unterstellt. Außerdem verfügte der Bereich
Kommerzielle Koordinierung in der Bundesrepublik
Deutschland und im westlichen Ausland über
20 eigene Unternehmen und sechs Beteiligungsgesellschaften.
Alle diese Unternehmen mußten die erzielten
Gewinne und Provisionen an den Bereich
Kommerzielle Koordinierung abführen, der hieraus -
genauso wie aus den Einnahmen eigener Geld- und
Kreditgeschäfte - Valutaeinnahmen erzielte.
Dr. Schalck-Golodkowski leitete den Bereich Kommerzielle
Koordinierung politisch und fachlich und
nahm die Vertretung des Bereichs gegenüber der Parteiführung
und der Regierung persönlich wahr. Er
war ein treuer Gefolgsmann der herrschenden Staatspartei
SED und ein loyaler Diener des Staates DDR.
Um das Überleben der DDR zu sichern und die
Machtstrukturen unverändert zu erhalten, an denen
er teilhatte, setzte er sein gesamtes Können, seine Einsatzbereitschaft
und seine Kompetenz ein. Dr.
Schalck-Golodkowski ließ es nicht bei der Ausführung
von Anweisungen bewenden, sondern entwikkelte
eigene Initiativen und gab zahlreiche Denkanstöße
zur Effektivierung der Devisenerwirtschaftung
für die Staatspartei SED, den Staat DDR und das Ministerium
für Staatssicherheit. Als hauptamtlicher Parteisekretär
hatte Schalck-Golodkowski in den Jahren
1965 und 1966 an der Gründung des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung mitgewirkt. Als Leiter des
Bereichs formulierte er in seiner Dissertation gemeinsam
mit dem MfS-Offizier Heinz Volpert 1970 wichtige
Ideen, wie die Devisenerwirtschaftung durch den
Bereich im Zusammenwirken mit dem MfS verbessert
und ausgedehnt werden könnte. Eine Reihe dieser
Ideen wurden in den Folgejahren unter seiner Leitung
umgesetzt.
Willfährig sorgte Dr. Schalck-Golodkowski allerdings
über die bisher genannten wirtschaftlichen und politischen
Aufgaben hinaus auch dafür, daß es vor allem
Erich Honecker, Dr. Günter Mittag und Erich Mielke
an nichts fehlte. Der Bereich Kommerzielle Koordinierung
unterhielt zwei Kuriergruppen, um jederzeit
auch die ausgefallensten Sonderwünsche der Partei-
und Staatsführung der DDR befriedigen zu können.
Eine der beiden Gruppen von Kurieren, die sog. Croy
Gruppe, wie sie nach einem der Mitarbeiter genannt
wurde, war Dr. Schalck-Golodkowski direkt zugeordnet
und erhielt jeden Morgen von ihm ihre Aufträge.