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villain (Typ M.I.10) entwickelt. Als dem master in the house 254 stand es dem Vater im<br />

viktorianischen Haushalt zu, alle Belange des täglichen Lebens für die Familie zu regeln. „A<br />

vital element of [the Victorian] life-style was the patriarchal role, for the ideal towards which<br />

middle-class family strove was highly structured and organized, and such an organization<br />

required, it was felt, a master at the top.“ 255 Die außerordentlich strenge Erziehung der Kinder<br />

war gesellschaftlich legitimiert. Besonders die Söhne als Stammhalter der Familie waren<br />

besonders strengen erzieherischen Maßnahmen unterworfen, da von ihnen am meisten<br />

erwartet wurde. In dieser Sherlock-Holmes-Story liegen die Dinge anders: Alexander Holder<br />

verzieht seinen Sohn, der daraufhin zu einem ungestümen, charakterlosen Menschen<br />

herangewachsen zu sein scheint. Trotzdem steht der Vater zunächst auch weiterhin für ihn<br />

ein:<br />

He has been a disappointment to me, Mr. Holmes, a grievous disappointment. I have no doubt that I am myself to<br />

blame. People tell me that I have spoiled him [...]He was wild, wayward, and to speak the truth, I could not trust<br />

him in the handling of large sums of money [...] He learned to play heavily at cards and to squander money on the<br />

turf, until he had again and again to come to me and implore me to give him advance on his allowance, that he<br />

might settle his debts of honour. 256<br />

Auf Grund der tiefen Liebe zu seinen Kindern erkennt Holder nicht, dass seine Pflegetochter<br />

ihn hintergeht. Als die Wahrheit ans Licht kommt, ist er zutiefst bestürzt und will bei seinem<br />

Sohn Abbitte für die ungerechte Behandlung leisten.<br />

Auch Colonel Emsworth („Blanched Soldier“, 5/2) ist eine außergewöhnliche Figur, weil für<br />

den geübten Sherlock-Holmes-Leser alles darauf hindeutet, dass er ein böser Vater und ein<br />

Gothic villain ist. Bei den Nachforschungen nach seinem verschwundenen Sohn stellt er sich<br />

James Dodd in den Weg und ist barsch und unhöflich. Wie im Falle von Windicraft („Case of<br />

Identity“, 1/3) und Dr. Roylott („Speckled Band“, 1/8) scheint ihn dieses Verhalten eindeutig<br />

als Übeltäter auszuweisen. Dabei stellt sich Emsworth letztlich als liebender, seinem Sohn<br />

zutiefst ergebener Vater heraus, der den an Pseudo-Lepra Erkrankten nur vor der<br />

Öffentlichkeit schützen will.<br />

Gegenbeispiel 6: Atyp zu „der gefallene Aristokrat“ (Typ M.II. 3)<br />

Reginald Musgrave („Musgrave Ritual“, 2/5) ist ein Freund von Holmes und der einzige<br />

Aristokrat in den Sherlock-Holmes-Stories, der sympathische Züge trägt. Die von<br />

gemeinsamen Freunden als Arroganz ausgelegte stolze Natur von Musgrave erkennt Holmes<br />

254 Vgl. Calder, Jenni: Women and Marriage in Victorian Fiction. London, 1976, S. 90.<br />

255 Ibid., S. 82.

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