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2.1.3 Spielcharakter und Grundschema in den tales of ratiocination<br />

30<br />

2.1.3.1 „The Murders in the Rue Morgue“<br />

Die theoretische Abhandlung am Anfang der ersten Erzählung „The Murders in the Rue<br />

Morgue“ wird häufig als unwichtig überlesen oder in manchen Fassungen sogar<br />

weggelassen 102 und ist dennoch der Schlüssel zu den Spielregeln der Rätselgeschichte.<br />

Sowohl der Gedanke des „thinking over doing“ als auch der spielerische Aspekt, der durch die<br />

Beschreibung der Spiele Schach und Dame eingeführt wird, weisen auf eine neue Art von<br />

Literatur hin, bei deren Lektüre der Leser eine neue, interessante Rolle als Gegenspieler des<br />

Autors einnehmen soll.<br />

Schon zu Beginn der Erzählung „Murders in the Rue Morgue“ wird der Leser darauf<br />

aufmerksam gemacht, dass die Geschichte von der Auflösung eines Rätsels handelt: „As the<br />

strong man exults in his physical ability, delighting in such exercises as call his muscles into<br />

action, so glories the analyst in that moral activity which disentangles.“ 103 Schon hier fordert<br />

Poe den Leser heraus, sich mit ihm zu messen, wenn er glaubt, die gleichen Fähigkeiten zu<br />

besitzen wie der Autor. Knight beschreibt die detaillierte Sprache in „Murders in the Rue<br />

Morgue“, die zum einen die analytische Scharfsinnigkeit des Detektivs, aber auch die des<br />

Verfassers der Geschichte widerspiegelt. 104 Knight verweist in diesem Zusammenhang auf die<br />

grammatikalischen Gegebenheiten, die durch ihren „wise tone“ auf gute Bildung und großes<br />

Wissen schließen lassen. Betrachtet man nun den Leser als Mitrater bzw. Gegenspieler des<br />

Autors, so macht Poe an dieser Stelle deutlich, dass er von seinem Leser eine ebenso gute<br />

Bildung und einen analytischen Verstand verlangt, damit sie sich als gleichberechtigte<br />

Gegenspieler gegenüber stehen können. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass Poe, wie<br />

Knight andeutet 105 , diesen Prolog einzig in der Tradition der typischen ausgedehnten,<br />

viktorianischen Einleitungssequenzen einsetzte. Der Einleitungsteil ist vielmehr eine<br />

„Spielanleitung“ für den Leser, der mit bestimmten Fähigkeiten ausgestattet sein muss, um<br />

sich mit dem Detektiv messen zu können.<br />

Zunächst wird dem Leser jedoch eine Anleitung zur Analyse gegeben, die aus der Erläuterung<br />

des methodischen Gegensatzes zwischen den Spielen Schach und Dame besteht. Es wurde<br />

102<br />

Vgl. hierzu Buchloh, Paul G./Becker, Jens-Peter: Der Detektivroman. Studien zur Geschichte und Form der<br />

englischen und amerikanischen Detektivliteratur. 3., unveränd. Aufl. Darmstadt 1989, S. 35.<br />

103<br />

Poe, E.A.: „The Murders in the Rue Morgue“. In: The Complete Tales and Poems of Edgar Allan Poe, S. 315-<br />

342. Hier: S. 315.<br />

104<br />

Knights Analyse zeigt folgende Zusammenhänge auf: „The vocabulary is fairly learned; verbs tend to be<br />

passive; adverbs which assess sagely and inactively the state of things are quite common - and their assessments<br />

are personal insights [...]“. Vgl. in diesem Zusammenhang Knight, Form and Ideology, S. 46<br />

105<br />

Knight, Form and Ideology, S. 48.

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