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Figuren wird deutlich, dass alle untypischen Frauenfiguren in einer ungewöhnlichen<br />

Beziehung zu einer männlichen Figur stehen; sie selbst tragen selten bestimmte Merkmale<br />

oder Eigenschaften, sondern werden einzig durch ihre Stellung zur patriarchalischen<br />

Gesellschaft in ihrer besonderen Rolle definiert.<br />

Gegenbeispiel: Atyp zu „the angel in the house“<br />

Mary Sutherland aus „Case of Identity“ (1/3) ist eine der wenigen Frauenfiguren, die sich<br />

nicht durch besondere Schönheit oder Grazie auszeichnen, vielmehr wird sie als körperlich<br />

plump und übertrieben gekleidet beschrieben. 350 Durch ihre Kurzsichtigkeit fällt sie den<br />

Tricks ihres Stiefvaters, der sie um ihres Vermögens willen betrügt, zum Opfer, was ihr<br />

eindeutig tragikomische Züge verleiht. Mary Sutherland ist jedoch vor allem deshalb als<br />

interessant zu bewerten, weil sie neben den Gouvernanten als einzige weibliche Hauptfigur im<br />

Sinne der Frauenbewegung eine „New Woman“ darstellt, die selbst einem Beruf nachgeht -<br />

sie ist Sekretärin - und somit finanziell nicht völlig von einem Mann abhängig ist.<br />

Conan Doyle zeichnet hier ein lächerliches Bild der sogenannten surplus woman, wie das<br />

Schlagwort den Frauenüberschuss im viktorianischen Zeitalter bezeichnete. Die surplus<br />

women stellten insofern ein großes Problem dar, als sie sich - teils wegen ihres Standes, teils<br />

aus Mangel an Arbeit für Frauen - nicht selbst versorgen konnten und so wiederum indirekt<br />

abhängig von männlichen Verwandten waren. Auch aus diesem Grund konnten Frauen bei der<br />

Wahl ihrer Ehemänner nicht übermäßig wählerisch sein. Conan Doyle zeigt hier die<br />

arbeitende Frau als Witzfigur, die sich trotz ihres Berufes nichts sehnlicher wünscht, als unter<br />

die Haube zu kommen und dafür gar die Tatsache übersieht, dass ihr Verlobter in Wirklichkeit<br />

ihr Stiefvater ist.<br />

Lady Frances Carfax ist eine besonders interessante Figur, obwohl sie niemals selber in der<br />

Erzählung zu Wort kommt - der Leser erfährt über sie nur durch Berichte von anderen<br />

Figuren. Sie ist die einzige weibliche Person, die trotz ihres nicht mehr jugendlichen Alters<br />

die weibliche Hauptfigur in einer Erzählung darstellt. Sie fällt somit aus der Rolle der sonst so<br />

typischen young lady in distress völlig heraus. Interessant ist sie auch deshalb, weil sie im<br />

Alter von ungefähr vierzig Jahren noch unverheiratet ist; einen Antrag von Philipp Green<br />

hatte sie in der Jugend abgelehnt. Ihre dadurch entstandene Geldnot - sie lebt vom Geld ihres<br />

verarmten Vaters - nimmt sie in Kauf, um nicht mit dem als „savage“ bezeichneten Green<br />

zusammenleben zu müssen. Allerdings wird ihr Lebensstil stark in Frage gestellt; so erklärt<br />

350 „Case of Identity“ (1/3), S. 57.

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