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129<br />

Holmes, dass eine alleinlebende Frau nicht auf sich Acht geben kann: „One of the most<br />

dangerous classes in the world [...] is the drifting and friendless woman. She is the most<br />

harmless, and often the most useful of mortals, but she is the inevitable inciter of crime in<br />

others. She is helpless. [...]“ 351<br />

So wird letztlich durch die Läuterung des Philipp Green, der durch seine Beharrlichkeit bei<br />

der Suche nach Lady Frances sein gutes Wesen offenbart, eine Aufnahme der Romanze der<br />

beiden nach der Befreiung von Lady Frances impliziert, da die hilflose und schwache Lady<br />

Frances einen starken, besonders männlichen Beschützer braucht. In dieser Konstellation<br />

entsprechen die beiden trotz ihres nicht mehr ganz jugendlichen Alters dem typischen<br />

Liebespaar-Mythos 352 . Somit wird auch hier durch Conan Doyle der Frau jegliche<br />

Eigenständigkeit abgesprochen.<br />

Eine ungewöhnliche Frauenfigur ist Violet de Merville, die den schönen, aber bösen Adelbert<br />

Gruner in der Erzählung „Illustrious Client“ (5/1) heiraten will. Entscheidend ist hierbei, dass<br />

sie dies gegen den Willen ihres Vaters tun will, was den Vorstellungen der Zeit völlig<br />

widerspricht. Als „master in the house“ 353 herrschte der Vater über den Haushalt und seine<br />

Familie; in seiner Hand liefen alle Fäden zusammen, und er regelte allein alle Belange des<br />

viktorianischen Haushalts. Den anderen Personen im Haushalt wurde absoluter Gehorsam<br />

abverlangt. 354 Vor allem Kinder wurden ihren Eltern und besonders dem Vater gegenüber zu<br />

unbedingter Folgsamkeit verpflichtet. In vielen Magazinen wurden Eltern Ratschläge zur<br />

richtigen Erziehung erteilt; so findet sich z.B. in The British Workwoman vom Juni 1864<br />

folgende Anweisung: „You should teach your children that they must always obey you; that<br />

your word must never be questioned; your commands never neglected.“ 355<br />

Violet de Merville lehnt sich, indem sie sich den Wünschen ihres Vaters widersetzt, ebenfalls<br />

gegen die Rolle des angel in the house auf. Anders als andere ‘gute’ Tochterfiguren, die sich<br />

ihrem Vater absolut unterwerfen und gehorchen, wie z.B. Edith Presbury aus „Creeping Man“<br />

(5/8), entscheidet sie aus eigenem Willen. Dies kann natürlich bei Conan Doyle nicht positiv<br />

bewertet werden: Adelbert Gruner wird letztlich, obwohl Violet de Merville zunächst jeden<br />

Zweifel an ihm verwirft, vor ihren Augen als perfider Verführer und Verbrecher demaskiert.<br />

Violet de Merville muss ihren Irrtum eingestehen und sich reumütig zurück in die Obhut ihres<br />

Vaters begeben.<br />

351<br />

„Lady Frances Carfax“ (4/6), S. 132.<br />

352<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen von Schmidt im Zusammenhang mit dem Kapitel über die „Geliebte“.<br />

353<br />

Calder, Women and Marriage, S. 83.<br />

354<br />

Vgl. Calder, Women and Marriage, S. 86.<br />

355<br />

The British Workwoman, 1, June 1864. Wie zitiert in Calder, Woman and Marriage, S. 86.

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