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6<br />

und eine wollüstige Erleichterung der Gefäße; aber der Geist geht leer aus, und die edlere<br />

Kraft im Menschen wird ganz und gar nicht dadurch gestärkt.“ 10<br />

Aus solchen und ähnlichen Auffassungen begründete sich eine Tradition, die für lange Zeit<br />

Literatur, die nicht künstlerisch war, auch als moralisch schlecht ansah 11 . Obwohl sich die<br />

Ansicht über die Trivialliteratur mittlerweile stark geändert hat, galt die durch die klassische<br />

Ästhetik begründete Dichotomie bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus noch als<br />

Richtschnur für „gute“ und „schlechte“ Literatur. Bis in die sechziger Jahre galt das „Dogma<br />

vom ästhetisch-moralischen Wertgegensatz zwischen Dichtung und Trivialliteratur“ 12 , d.h.<br />

zwischen dem, was man de facto als Kunst und „Gegenkunst“ ansah.<br />

1.1.1.2 Der Trivialliteraturstreit<br />

In den 60er Jahren entwickelten sich zwei entgegengesetzte Richtungen im Hinblick auf die<br />

Bewertung von Trivialliteratur, die beide ihren Ursprung in politisch linksgerichteten<br />

Positionen hatten. Die ‘Neue Linke’ wies mit Blick auf Adorno darauf hin, dass die<br />

herrschende Klasse die Trivialliteratur als Kompensationsangebot für die Arbeiterklasse<br />

benutze, um auch im Bildungsbereich das bestehende Gesellschaftssystem aufrecht erhalten<br />

zu können, und übte gleichzeitig Kritik an der Konsumideologie des Systems. Sie sah<br />

Trivialliteratur als Beleg für den kritikwürdigen Zustand der Gesellschaft an, die<br />

unüberbrückbar in zwei Teile gespalten war. Die Trivialliteratur wurde als Hilfsmittel der<br />

oberen Klassen zur Ausbeutung und Unterdrückung erachtet, die der Arbeiterklasse in dieser<br />

Form „Surrogate“, nämlich Suggestionen einer heilen Welt zur Verdrängung der eigentlichen<br />

Zustände liefere 13 . Sie galt als Teil einer ganzen wirklichkeitsverfälschenden Industrie, die<br />

„der herrschenden Klasse als konterrevolutionäres Palliativ [dient]“ 14 .<br />

Die Gegenposition war nicht daran interessiert, einen Nachweis für die Minderwertigkeit der<br />

Schemaliteratur zu finden. Sie betonte vielmehr deren historische und poetologische<br />

10<br />

Schiller, Friedrich: Sämtliche Werke, hrsg. von Gerhard Fricke u.a., Bd. 5, München 1959, S. 864. Wie zitiert<br />

in: Schulte-Sasse, Kritik, S. 74.<br />

11<br />

Vgl. hierzu Bausinger, „Wege“, S. 15.<br />

12<br />

Hienger, Jörg: „Spannungsliteratur und Spiel. Bemerkungen zu einer Gruppe populärer Erzählformen“. In: Ds.<br />

(Hg.): Unterhaltungsliteratur. Zu ihrer Theorie und Verteidigung. Göttingen 1976, S. 55-82. Hier: S. 38.<br />

13<br />

Vgl. hierzu Scheck, Frank Rainer: „Augenschein und Zukunft. Die antiutopische Reaktion: Samjatins „Wir“,<br />

Huxleys „Schöne neue Welt“, Orwells „1984““. In : Barmeyer, Eike (Hg.): Science Fiction. Theorie und<br />

Geschichte. München 1972, S. 259-275. Hier: S. 270.<br />

14<br />

Vgl. Pehlke, Michael/ Lingfeld, Norbert: Roboter und Gartenlaube. Ideologie und Unterhaltung in der<br />

Science-Fiction-Literatur. München 1970, S. 28.

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