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279<br />

4. Schlussbemerkungen und weiterführende Überlegungen<br />

4.1 Zum Trivialisierungsprozess in den Sherlock-Holmes-Stories<br />

Die Literaturkritik betrachtet Edgar Allan Poe als den „Erfinder“ der Detektivgeschichte. 679<br />

Seine tales of ratiocination beinhalten de facto einige Elemente, die sich später als typische<br />

Merkmale in der klassischen Detektivgeschichte etablieren. Dabei lassen sich jedoch auch<br />

eminente Unterschiede zwischen der Grundkonzeption der Poe’schen und der Conan<br />

Doyle’schen Erzählform der Detektivgeschichte finden. Böker weist aus diesem Grund zu<br />

Recht darauf hin, dass es die „[...] Aufgabe der Forschung wäre [...], das missing link<br />

zwischen der Detektivgeschichte um 1860 und jener Conan Doyles zu ergänzen“ 680 .<br />

Obwohl nicht abzusprechen ist, dass Conan Doyle Elemente von Poes Rätselgeschichten<br />

übernimmt, wird doch bei Betrachtung der Sherlock-Holmes-Stories deutlich, dass diese<br />

Elemente durch einen Trivialisierungsvorgang stark verändert werden. Conan Doyle<br />

konzipiert seine Detektivgeschichten als reine Rätselgeschichten, die nicht - wie bei Poe -, das<br />

Ziel haben, den Leser auf einer ästhetischen Ebene anzusprechen. Im Zentrum von Poes tales<br />

of ratiocination steht das Verstandesspiel um das unlösbar scheinende Rätsel, das von einem<br />

Genie scheinbar ohne Schwierigkeiten aufgeklärt wird. Thematisiert wird somit die über allem<br />

stehende analytische Kraft der menschlichen Ratio. Das eigentliche Verbrechen und seine<br />

Aufklärung treten in den Hintergrund und werden bloßes Mittel zum Zweck, um, wie Kesting<br />

gezeigt hat, die Selbstthematisierung des künstlerischen Erkenntnisvermögens ins Zentrum zu<br />

stellen, das auf Beobachtung und Inspiration beruht und letztlich die alternative<br />

Wirklichkeitserfassung des Künstlers aufzeigt. 681 Aus diesem Grund ist es logisch, dass<br />

Conan Doyle seine Erzählungen von einem anderen Standpunkt aus entwirft als Poe. So<br />

lassen sich auf verschiedenen Ebenen konzeptionelle Unterschiede feststellen.<br />

Zur Verdeutlichung des Trivialisierungsprozesses bei Conan Doyle lässt sich das Einsetzen<br />

des settings bei beiden Autoren anführen. Bei Poe steht die labyrinthische Metropole Paris in<br />

den tales of ratiocination für die verschlüsselte menschliche Psyche; so wie Dupin nachts die<br />

dunkle Großstadt beim Spazierengehen durchstreift, erforscht er bei seinen Gedankengängen<br />

das Innenleben seiner Mitmenschen und ihre Motive. Conan Doyle hingegen bedient sich zum<br />

einen des Stereotyps der dunklen, mysteriösen Metropole, die bei ihm jedoch keine<br />

symbolische Bedeutung hat: das setting dient viel mehr als Spielort, als Spielplan. Neben der<br />

679 Vgl. hierzu Kap. 2.1.<br />

680 Böker, Uwe: „‘Hunting with my Brains’: Neues zur frühen englischen Poe-Rezeption und zu den Anfängen<br />

der Detektivgeschichte“. In: Anglia: Zeitschrift für englische Philologie, 100: 1-2, 1982, S. 49-67. Hier: S. 67.<br />

681 Vgl. Kesting, „Auguste Dupin“, S. 56 ff.

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