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17<br />

1.2.2.1 Variation als spielerisches Prinzip der Kunst<br />

Die Variation wird grundsätzlich als Veränderung einer vorgegebenen Struktur definiert. Der<br />

Begriff stammt vom lateinischen Wort ‘variatio’ und bezeichnet das Konzept der<br />

Verschiedenheit, Abwandlung oder Verwandlung. 56 Eine Variation gilt dann als gelungen,<br />

wenn die vorgegebene Struktur mit ihren Hauptelementen noch zu erkennen ist und diese<br />

auch bei weitreichenden Abwandlungen noch erhalten bleiben. 57<br />

Kurt von Fischer weist in seinem Werk über die Variation in der Musik darauf hin, dass sich<br />

die Variation als Prinzip des Veränderns aus dem menschlichen Spieltrieb herleitet. 58<br />

Suerbaum bezeichnet die Variation als eines der Grundprinzipien aller Künste und definiert<br />

sie als „Widerspiel zwischen Imitation und Originalität“ 59 . Die Variation ist somit als<br />

Spielprinzip im künstlerischen Bereich – sei es Musik, Malerei oder Literatur – anzusehen.<br />

Schon oft haben Schriftsteller selbst auf die Ähnlichkeit zwischen ihren Texten und der Musik<br />

hingewiesen. 60 Ursprünglich stammt dieser Gedanke von Friedrich Schlegel, der als<br />

romantisches Ideal eine Einheit aller Künste vor Augen hatte. So wird die Literatur häufig<br />

auch als „Sister Art of Music“ 61 angesehen. Die Affinität zwischen Literatur und Musik hat<br />

zwei Aspekte; so kann die Musik zum einen auf der Handlungsebene eine wichtige Rolle als<br />

textimmanentes Thema haben, zum anderen können jedoch auch auf der Diskursebene<br />

Ähnlichkeiten auftreten, die durch den kompositorischen Charakter zustande kommen. In der<br />

Musik spricht man beispielsweise von ‘Variationsreihen’, wenn mehrere dasselbe Material<br />

variierende Stücke aneinandergereiht werden 62 , in der Literatur spricht man von einem<br />

‘Zyklus’, wenn alle Erzählungen der Sammlung eines Autors aus dem gleichen Thema<br />

gespeist werden.<br />

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Kunstformen besteht darin, dass Musik dem<br />

Konzept des Klanges nach aus mehreren ‘Schichten’ aufgebaut ist, während man es im<br />

Bereich der Literatur mit dem Konzept des „Wortes“ zu tun hat, aus dem nur eine lineare<br />

Sequenz aufgebaut werden kann. 63* Doch gerade dadurch bietet sich ein Vergleich zwischen<br />

56<br />

Wohlfarth, H.: „Variation“. In: Honegger, Marc/ Massenkeil, Günther (Hgg.): Das große Lexikon der Musik<br />

(Bd. 8). Freiburg 1987, S. 229.<br />

57<br />

Ibid.<br />

58<br />

Fischer, Kurt von: Die Variation. Köln 1956, S. 5.<br />

59<br />

Suerbaum, „Gefesselter Detektivroman“, S. 443.<br />

60<br />

Vgl. hierzu Wolf, Werner: „Can Stories be Read as Music? Possibilities and Limitations of Applying Musical<br />

Metaphors to Fiction.“ In:Lehmann, Elmar/Lenz, Bernd (Hgg.): Telling Stories. Studies in Honour of Ulrich<br />

Broich on the Occasion of his 60th Birthday. Amsterdam/ Philadalphia 1992, S. 205-231. Hier: S. 206.<br />

61<br />

Ibid., S. 207.<br />

62 Fischer, Variation, S. 5.<br />

63 Wolf, „Stories as Music“, S. 208.

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