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280<br />

Stadt spielt bei Conan Doyle vor allem auch der nur äußerlich harmlose ländliche Schauplatz<br />

als Kontrast zur Metropole eine Rolle. Wie schon oben 682 gezeigt wurde, indizieren hierbei<br />

die verschiedenen settings verschiedene Verbrechensformen. Conan Doyle setzt settings nicht<br />

symbolisch, sondern stereotypenhaft, vergleichbar mit einem Szenenaufzug, ein, wobei die<br />

zwei verschiedenen settings immer als Indikatoren für verschiedene Storytypen dienen.<br />

Daneben verfolgt Poe durchaus auch einen edukativ-philosophischen Ansatz in seinen<br />

Rätselgeschichten: Dem Leser wird in den tales of ratiocination implizit immer auch die<br />

Verrätselung des eigenen Lebenskreises vor Augen geführt. In „The Purloined Letter” steht<br />

der gestohlene Brief, der sichtbar zusammen mit anderen Briefen und Visitenkarten im<br />

Zimmer des Diebes aufbewahrt wird, sinnbildlich auch dafür, dass gerade das Offensichtliche<br />

dem Betrachter oft verborgen bleibt. Poe thematisiert somit die Verborgenheit der Wahrheit,<br />

die nur durch das künstlerische Auge durchbrochen werden kann. Einen solch<br />

anspruchsvollen Ansatz hat Conan Doyle nicht: In seiner Story „Scandal in Bohemia”, die er<br />

mit Elementen aus Poes Erzählung entwirft, wird so das verräterische Foto in einem<br />

Geheimfach in der Wand - für den Betrachter nicht sichtbar - verborgen. Während sich in<br />

Poes Rätselgeschichten immer auch eine zweite, symbolische Ebene entdecken lässt, enthebt<br />

Conan Doyle seine Stories grundsätzlich einer solchen Bildlichkeit und konzipiert sie als<br />

reines Rätselspiel. Dies soll nicht heißen, dass sich in Conan Doyles Erzählungen nicht auch<br />

Symbolisches finden lässt; es fehlt allerdings die unterliegende symbolische Ebene, die den<br />

Poe’schen Geschichten eigen ist.<br />

Auch in Bezug auf den Verlauf der Handlung lassen sich Unterschiede zwischen Poe und<br />

Conan Doyle ausmachen. Schon oben wurde auf die differente Struktur des Verlaufs der<br />

Sherlock-Holmes-Stories hingewiesen, die gänzlich anders gestaltet ist als die der tales of<br />

ratiocination. Wie in Kapitel 2 gezeigt wurde, nehmen die drei Geschichten von Poe sehr<br />

divergente Verläufe, die in den verschiedenen Verlaufsformen immer auch den Gang der<br />

Gedanken des Detektivs verbildlichen, der durch verschiedene Schachzüge seines Geistes den<br />

jeweiligen Fall aufzuklären versucht. Im Gegensatz dazu manifestiert sich bei Conan Doyle<br />

von Beginn an das bekannte rigide Schema, das innerhalb bestimmter Grenzen fixiert ist.<br />

Trotz starker Variierung wird das Schema nur selten gebrochen. Grundsätzlich bietet genau<br />

die von Conan Doyle entwickelte Form den perfekten Rahmen für das Rätsel- und<br />

Aufklärungskonzept der Detektivgeschichte: der stringente Verlauf liefert gleich einem streng<br />

682 Vgl. hierzu Kap. 3.2.1.1.

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