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2.2 Fazit: Poes Spielregeln der Rätselgeschichte<br />

Betrachtet man abschließend die drei Rätselgeschichten in Bezug auf die grundlegenden<br />

„Spielregeln“, so lassen sich wichtige Punkte festhalten. Über den Weg von drei<br />

verschiedenen Erzählungen entwickelt Poe eine Vorform der Kriminalgeschichte; in der<br />

ersten Geschichte stellt er dar, wie der analytische Geist mit einem Rätsel umzugehen hat.<br />

Dazu braucht dieser nicht nur die genannten analytischen Fähigkeiten, sondern auch Phantasie<br />

und ein spielerisches Vergnügen daran, ein Rätsel lösen zu wollen. Neben ihrer Funktion als<br />

Einleitung hat die Sequenz über die Wichtigkeit des analytischen Geistes aber auch die<br />

Funktion, den Leser anzusprechen, damit dieser erproben kann, wie groß seine eigenen<br />

geistigen Fähigkeiten sind. Um die wirkliche Auflösung des Rätsels durch den Leser geht es<br />

nicht: es soll letztlich bloß der große Geist des Detektivs, und dadurch die Phantasie des<br />

Autors, glänzen. Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Form um eine neue Art von<br />

Literatur, die den Leser „auffordert“, sich zu involvieren. Hat auch Literatur vor der<br />

Kriminalliteratur den Leser schon immer veranlasst, sich mit dem Protagonisten zu<br />

identifizieren, so liegt hier eine andere Art von Beziehung zwischen Protagonist und Leser<br />

vor: Der Leser fühlt sich mit dem Detektiv verbunden, ist aber gleichzeitig auch sein<br />

Konkurrent.<br />

Die zweite Erzählung „Marie Rôget“, die bisher in der Literatur zumeist als eine der<br />

schlechtesten Poes angesehen wurde, hat mit Sicherheit nicht die erzählerische Stärke, die<br />

andere Geschichten Poes aufweisen; dabei ist aber auch zu beachten, dass Poe hier eine Art<br />

von neuer Literatur selbst erprobte und dass er später seinen Fehler, die Geschichte durch zu<br />

viele Details verkompliziert zu haben, erkannte und änderte. Besonders wichtig ist es in<br />

diesem Zusammenhang, auch zu beachten, dass Poe hier demonstriert, wie der Prozess der<br />

Rätsellösung vor sich geht: Er gibt dem Leser eine Spielanleitung für die Lösung von<br />

Kriminalgeschichten. Er zeigt, dass jedes Detail beachtet werden muss, dass es wie bei der<br />

Vielzahl der Möglichkeiten beim Würfelspiel eine Vielzahl von möglichen Lösungen gibt.<br />

Die unwahrscheinlichen Möglichkeiten müssen alle durch analytisches Vorgehen<br />

ausgeschlossen werden, bis schließlich nur noch die einzig denkbare Lösung übrigbleibt.<br />

Die letzte der Rätselgeschichten Poes ist sowohl erzählerisch als auch formal die beste. Der<br />

Spannungsbogen wird gehalten, der Leser hat großes Interesse an der Aufklärung des Falles.<br />

Wie schon gezeigt wurde, entspricht die Geschichte vielen formalen Kriterien, die später bei

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