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3.4 Abschließende Bemerkungen zur Auswertung<br />

Bei der Betrachtung des Figureninventars der Sherlock-Holmes-Stories wird augenfällig, dass<br />

sich viele der Figuren in Grundzügen stark gleichen. Aus diesem Grund lassen sie sich in<br />

verschiedene Gruppen unterteilen, die mehr oder weniger stark variiert werden. Es wurde<br />

deutlich, dass viele der sehr typischen Figuren kaum oder gar nicht näher beschrieben werden.<br />

Conan Doyle arbeitet bezüglich der typisierten Figuren auch stark mit gewissen Vorurteilen:<br />

Verbrecher und Seeleute werden so oft skizzenhaft mit Beschreibungen ihres Äußeren<br />

versehen, die gleichzeitig ihre böse Natur erkennen lassen. Noch sehr viel typisierter sind die<br />

Frauenfiguren: Wie Abziehbilder wirken häufig die Dienstmädchen, devote Ehefrauen,<br />

eifersüchtige Geliebte und kluge Gouvernanten.<br />

Interessanterweise lässt sich bei genauer Untersuchung der Figuren jedoch auch feststellen,<br />

dass sich nur relativ selten Figuren finden lassen, die in ihrer Zeichnung absolut identisch<br />

sind, und wenn dies der Fall ist, so haben sie grundsätzlich keine wichtige Funktion für die<br />

Erzählung, wie z.B. die Figuren Norton und Morton des Typs „Verlobter”. Figuren, die<br />

prominente Rollen in den Stories spielen, werden immer wieder - wenn oftmals auch nur<br />

leicht - abgewandelt. Andererseits scheint aber gerade auch die starke Typisierung der Figuren<br />

zu einem großen Teil für den Erfolg der Sherlock-Holmes-Stories verantwortlich zu sein:<br />

Denn gerade das wiederholte Einsetzen von bestimmten Figurentypen - wie z.B. des Gothic<br />

villain - garantiert eine gewisse Grundspannung und Erwartungshaltung beim Leser. Der<br />

Wiedererkennungswert von bestimmten Figuren ist der Erzählung also qualitativ nicht<br />

abträglich, sondern sorgt beim Leser für eine als angenehm empfundene Gewöhnung. Zudem<br />

werden die Figuren in den Stories auch immer wieder in Variationen verschieden miteinander<br />

kombiniert, wodurch zum einen gewisse Elemente wiedererkannt werden, die jedoch zum<br />

anderen durch die Neukombination auch originell erscheinen.<br />

Conan Doyle war sich des Erfolgsrezeptes seiner Erzählungen durchaus bewusst, was sich<br />

auch daran erkennen lässt, dass er bekannte Schablonen dazu einsetzt, den Leser in die Irre zu<br />

führen. Die typischen, bekannten Schablonen werden somit aus ihrem ursprünglichen Kontext<br />

genommen und verfremdet. Somit wird beim Leser, der an die stereotype Verwendung der<br />

Typen gewöhnt ist, Überraschung ausgelöst. Die heißblütige Südländerin z.B., die vom Leser<br />

durch vorheriges Einführen des Typs als rachsüchtig und unheilbringend eingestuft wird,<br />

bewirkt in der Erzählung „Sussex Vampire“ (5/5) durch die Verkehrung des Motivs - die<br />

Südamerikanerin stellt sich am Ende als liebende, aufopfernde Frau heraus - eine Täuschung<br />

des Lesers und führt so ein überraschendes Ende der Erzählung herbei. Stark typisierte

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