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3.2.1.7 Irreführung des Lesers durch misdirection<br />

Der Krimiautor kann verschiedene Tricks anwenden, um die Lösung des Rätsels zu verzögern<br />

und damit die Spannung bis zum Ende der Erzählung durchgängig zu erhalten. Zur<br />

Irreführung des Lesers gibt es neben dem gezielten Einsetzen von red herrings auch die<br />

Möglichkeit, durch Aussagen anderer Figuren bestimmte Figuren ‘fragwürdig’ oder ‘nicht<br />

fragwürdig’ erscheinen zu lassen. 535* In diesem Zusammenhang stehen die Begriffe<br />

‘fragwürdig’ und ‘nicht fragwürdig’ auf der Inhaltsebene nur indirekt mit den Begriffen<br />

‘verdächtig’ oder ‘nicht verdächtig’ in Verbindung. ‘Fraglos’ und ‘fragwürdig’ sind Figuren,<br />

die dem Leser auf Grund der vom Autor gegebenen Informationen entweder keine oder sehr<br />

viele Fragen aufgeben. So erscheinen manche Figuren durch die Charakterisierungen und<br />

Aussagen anderer Figuren fragwürdig: Sie werden als undurchsichtig, grob oder unverschämt<br />

beschrieben, während andere Figuren durchaus positiv gezeichnet und so durchschaubar<br />

werden und ein scheinbar widerspruchsloses Bild abgeben. Fragwürdige Figuren hinterlassen<br />

beim Leser ein Gefühl des Undurchschaubaren, des Unverständlichen. Trotzdem können<br />

sowohl fragwürdige als auch fraglose Figuren gleichermaßen verdächtig sein; dadurch, dass<br />

jedoch fragwürdige Figuren dem Leser sehr viel mysteriöser erscheinen, tendiert er dazu,<br />

diese auch eher als verdächtig anzusehen.<br />

Den Eindruck, den der Leser von einer Figur erhält, setzt sich aus verschiedenen Aussagen<br />

von anderen Verdächtigen oder Beteiligten zusammen, aber auch aus Bemerkungen des<br />

Detektivs. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Erzählperspektive: der stets<br />

ahnungslose Watson übersieht so oftmals wichtige Details, die jedoch von Holmes<br />

wahrgenommen werden. Die misdirection wird somit zu einem Großteil auch aus einem<br />

Mangel an Information über Figuren herbeigeführt. 536 Gleichzeitig wird der Leser auf<br />

Sachverhalte und Figuren im Text aufmerksam gemacht, die ihm fragwürdig erscheinen,<br />

während über andere Details und Figuren kaum Aussagen gemacht werden.<br />

Der Leser darf hierbei jedoch nie den Eindruck gewinnen, dass ihm Hinweise auf die Figuren<br />

verborgen geblieben sind, wie es beispielsweise noch in Poes Erzählung „The Murders in the<br />

Rue Morgue“ geschieht: Der am Ende der Erzählung als Täter identifizierte Orang-Utan kann<br />

dem Leser unmöglich verdächtig erscheinen, weil ihm vom Autor Hinweise auf den Affen<br />

absolut vorenthalten werden.<br />

535 Vgl. hierzu Deitmer, Sabine: „Der Detektivroman und sein literarischer Wert - Versuch zur Neubewertung<br />

einer Gattung“. In: Anglistik und Englischunterricht: Trivialliteratur 2. Trier 1977, S. 27-41. Hier: S. 35.<br />

536 Ibid., S. 37.

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