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42<br />

Schklovskij und Knight ihre Betrachtungen nur in Hinsicht auf die erste<br />

Geschichtensammlung The Adventures of Sherlock Holmes durchführten. Denn nur bei einer<br />

Einschätzung des Gesamtwerks auf allen drei Ebenen – Figuren, Handlungselemente und<br />

Handlungsverlauf – kann man aufzeigen, in welchen Bereichen die Erzählungen divergieren<br />

und wie groß der Variantenreichtum der Erzählungen allgemein ist. Das Konzept zur<br />

Untersuchung aller drei Variationskategorien soll im Anschluss an die Darstellung der<br />

Resultate von Knight und Schklovskij vorgestellt werden.<br />

2.3.2.1 Schklovskijs Strukturanalyse von The Adventures of Sherlock Holmes<br />

Schklovskij kritisiert an Conan Doyle primär die „Gleichförmigkeit“, die seiner Meinung nach<br />

allen Sherlock-Holmes-Stories zugrunde liegt 137 . Er erklärt, dass nur ein einziges, rigides<br />

Handlungsschema bei Conan Doyle nachzuweisen sei, welches sich folgendermaßen darstelle:<br />

I. Erwartung, Gespräch über frühere Fälle, Analyse<br />

II. Auftritt eines Klienten.<br />

Hauptteil der Erzählung:<br />

III. Indizien, die in der Erzählung angeführt werden. Am wichtigsten sind zweitrangige Angaben, die so<br />

eingebaut sind, dass der Leser sie nicht zur Kenntnis nimmt. Hier eben wird das Material für eine falsche<br />

Lösung geboten.<br />

IV. Watson gibt den Indizien eine falsche Deutung.<br />

V. Fahrt zum Tatort, wobei das Verbrechen sehr oft noch nicht ausgeführt wurde, wodurch die Erzählung<br />

Aktualität bekommt und aus einem Roman mit Verbrechen zu einem Roman mit einem Detektiv wird.<br />

Indizien am Tatort.<br />

VI. Der beamtete Detektiv gibt eine falsche Lösung; wenn kein Detektiv vorhanden ist, wird die falsche Lösung<br />

von einer Zeitung geboten, von den Leidtragenden oder von Sherlock Holmes selbst.<br />

VII. Die Zwischenzeit wird ausgefüllt mit Gedanken Watsons, der nicht versteht, worum es geht. Sherlock<br />

Holmes raucht oder macht Musik. Manchmal fasst er die Fakten in Gruppen zusammen, ohne eine endgültige<br />

Schlußfolgerung zu ziehen.<br />

VIII. Die Lösung ist fast immer unerwartet. Um sie herbeizuführen wird sehr oft ein Mordanschlag, den jemand<br />

vorhat, ausgenützt.<br />

IX. Die Analyse der Fakten durch Sherlock Holmes. 138<br />

Doch nicht nur in Bezug auf den Handlungsverlauf sieht Schklovskij viele Ähnlichkeiten<br />

zwischen den Geschichten; er geht davon aus, dass Conan Doyle generell die grundlegenden<br />

Elemente der Kriminalerzählung wenig variiert. Er bemerkt dazu: „Ich möchte Conan Doyle<br />

nicht kritisieren, aber man muss darauf hinweisen, dass sich bei ihm nicht nur die Sujet-<br />

Schemata wiederholen, sondern auch die Elemente ihrer Ausfüllung“ 139 und verweist als<br />

137<br />

Schklovskij, „Kriminalerzählung“, S. 77.<br />

138<br />

Ibid., S. 93-94.<br />

139<br />

Schklovskij, „Kriminalerzählung“, S. 91.

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