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289<br />

Detektivgeschichte ist ein Ratespiel, in dem die Lösbarkeit durch Analyse nur suggeriert<br />

wird.“ 704<br />

Hauptsächlich liegt der Erfolg der Sherlock-Holmes-Stories jedoch in ihrem Schema selbst<br />

begründet. Conan Doyle entwickelt ein relativ rigides Schema, das sowohl inhaltlich als auch<br />

bezüglich der Form sehr festgelegte Konstituenten in sich birgt, was im Gegensatz zu den drei<br />

divergenten Schemata der tales of ratiocination bei Poe steht. Schon bei Betrachtung der<br />

ersten drei Erzählungen von Conan Doyle, „A Scandal in Bohemia“, „The Red-Headed-<br />

League“ und „A Case of Identity“, läßt sich das typische Verlaufsmuster der Erzählungen in<br />

beinahe identischer Weise entdecken; hingegen verlaufen die Erzählungen Poes,<br />

ausgenommen die Aufklärungsmonologe, sehr unterschiedlich und weisen drei sehr<br />

divergente Grundstrukturen auf. Wie in Kap. 2 gezeigt wurde, ähnelt Poes Erzählung „The<br />

Purloined Letter“ am ehesten dem Conan Doyle’schen Schema, aber auch hier lassen sich<br />

offensichtliche Unterschiede aufzeigen. 705<br />

Conan Doyle schafft im Gegensatz zu Poe ein fest umrissenes Schema für die<br />

Detektivgeschichte, das aus verschiedenen „Bausteinen” besteht. Der Leser erkennt diese<br />

bestimmten Strukturen stets wieder, was für ihn eine Orientierungserleichterung bedeutet.<br />

Dieses Schema wird jedoch gleichzeitig immer wieder durch Variationen verändert, so dass<br />

der Leser sich stets mit einem interessanten Wechselspiel zwischen Bekanntem und Neuem<br />

konfrontiert sieht. Gerade in diesem Widerspiel von Grundform und Modifikation liegt der<br />

Reiz der Stories begründet: Durch die Variationen wird das Schema nie als langweilig<br />

empfunden. Das gleiche Prinzip lässt sich heute in den beim Publikum überaus beliebten<br />

Fernsehserien wiederfinden, die gleicher Art konstruiert sind. Bekannte Figuren werden in<br />

einem festgelegten Umfeld immer wieder neuen, veränderten Problemsituationen - durch<br />

Modifikation der Beziehungen untereinander, Veränderung der Charaktere, Einsetzen neuer<br />

Motive - ausgesetzt. Auch hier werden bekannte Elemente immer wieder durch neue<br />

Konstellationen und Umstrukturierungen variiert.<br />

Gerade in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Schema und Modifikation des Schemas<br />

durch Variationen liegt der Reiz der Schemaliteratur und ihre Popularität beim Publikum also<br />

begründet - ein Grund, warum gerade auch die Sherlock-Holmes-Stories noch bis zum<br />

heutigen Tage zu den beliebtesten Kriminalstories zählen.<br />

704 Suerbaum, „Kreuzworträtsel“, S. 189.

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