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292<br />

Detektivgeschichte, wie es Conan Doyle zu Anfang konstruiert hatte, in einigen Stories völlig<br />

gebrochen wird. Dies hat zur Folge, dass die Stories, die Extremvarianten des<br />

Handlungsverlaufs aufweisen, den Rätselcharakter der Detektivgeschichte verloren haben,<br />

weil dem Leser durch die neue Perspektive und die völlige Umkehr des ursprünglichen<br />

Ablaufs die Möglichkeit zum Mitraten, ja, zum Mitspielen, genommen wird. Die<br />

Extremvarianten stellen somit keine Detektivgeschichten in der Form, wie sie Conan Doyle<br />

zunächst begründet und zu seinem Prinzip erhoben hatte, mehr dar. Allerdings kehrte Conan<br />

Doyle, nachdem er mit diesen Formen experimentiert hatte, immer wieder zum<br />

ursprünglichen Gestaltungskonzept zurück.<br />

Im Vergleich zum Grundprinzip der Detektivgeschichten im System von Agatha Christie<br />

wurde deutlich, dass diese nach anderen Prinzipien konstruiert werden als die von Conan<br />

Doyle. Christie experimentiert grundsätzlich mit sehr verschiedenen Formen der Variation,<br />

sowohl inhaltlich als auch formal.<br />

Jede der Figuren hat bei Agatha Christie ein eigenes Geheimnis, ein eigenes Motiv, wodurch<br />

sich die Variationsmöglichkeiten beträchtlich vergrößern. Zusätzlich experimentiert Christie<br />

in großem Maße mit den Elementen auf der Handlungsebene sowie mit divergenten settings<br />

und Milieus. 711 Grundsätzlich liegt die inhaltliche Differenz zu den Sherlock-Holmes-Stories<br />

jedoch darin begründet, dass Christie eine völlig andere Rätselkonstruktion verfolgt als Conan<br />

Doyle, denn die Konzipierung des Verbrechensfalles basiert bei Christie kaum auf clues und<br />

red herrings, sondern sehr viel mehr auf der Irreführung des Lesers durch misdirection. Auch<br />

die Handlungsverläufe der Christie’schen Stories weisen große Unterschiede zueinander auf;<br />

schon bei Betrachtung der fünf Stories in Kap. 3.6 konnten fünf verschiedene Varianten<br />

dokumentiert werden. Natürlich hängt die größere Divergenz des Christie’schen Prinzips auch<br />

mit gattungsgenetischen Voraussetzungen zusammen, denn die individuellen Schemata von<br />

Autoren eines Genre werden zum einen durch Bekräftigungen, aber auch durch Verstöße<br />

gegen vorausgehende Schemata bestimmt. 712 Christie schafft somit von Anfang an ein sehr<br />

viel breit gefächerteres System, das bei Conan Doyle auf Grund der ursprünglichen<br />

Limitierung bei der Ausfüllung seiner Elemente nicht möglich gewesen wäre.<br />

Conan Doyle konzipiert de facto seine Erzählungen wie ein streng reglementiertes Spiel: Für<br />

die Geschichten wird ein bestimmtes Spielbrett mit einer bestimmten Szenerie ausgewählt - in<br />

der Erzählung setting und Milieu -, das mit verschiedenen Figurentypen mit unterschiedlichen<br />

Eigenschaften bestückt wird. Diese Figuren können aus bekannten, schon oft gespielten<br />

711 Vgl. hierzu Kap. 3.6.

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