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Aufklärungsszene erfährt, nicht aus 49 ; er muss ja erfolglos bleiben, um von der Lösung<br />

überrascht zu werden. Dies ändert jedoch nichts an der Haltung des Lesers, sich<br />

herausgefordert zu fühlen und mitzuraten. Diese Ausgrenzung aus der Welt lässt sich<br />

jedoch auch daran festmachen, dass zum Spielen häufig ein bestimmter Ort gewählt wird.<br />

Auch hier lassen sich Parallelen zur Kriminalerzählung feststellen: Während im<br />

Kinderspiel beispielsweise eine imaginierte Ritterburg als Spielort dient 50 , wird in der<br />

klassischen englischen Detektivgeschichte zumeist ein ländliches Manor House oder eine<br />

Residenz der besseren Kreise in London als Schauplatz eingesetzt.<br />

6. Die Detektivgeschichte ist aber auch – im Sinne Piagets – als Übung der Intelligenz<br />

anzusehen. Da der Leser durch die vorherige Lektüre von Kriminalgeschichten weiß, wie<br />

diese funktionieren, versucht er, mit Hilfe der so gesammelten Erfahrungen das vom Autor<br />

gestellte Rätsel zu lösen. In diesem Sinne sieht auch Hienger die Kriminalliteratur als<br />

Einladung zur Phantasie, zum Gedankenspiel, aus dem der Leser „erfrischt, nicht sediert“<br />

in die Wirklichkeit zurückkehrt 51 . Hienger differenziert in Bezug auf diesen Punkt auch<br />

zwischen den verschiedenen Sparten der Schemaliteratur, sieht er doch einen starken<br />

Unterschied zwischen der „Weltflucht“, die beispielsweise im Liebesroman evoziert wird,<br />

und der Einladung in eine Phantasiewelt der Kriminalliteratur, die er als<br />

„komplementierende Lektüre“ 52 zur Lösung von Problemen in der Realität ansieht.<br />

Neben den aufgezeigten Ähnlichkeiten zwischen Spiel und Detektivgeschichten, die in der<br />

Literatur zum Spiel zu finden sind, lassen sich aber auch noch andere Übereinstimmungen<br />

entdecken: Vergleichbar mit den Figuren in einem Spiel gibt es in jeder Detektivgeschichte<br />

ein festes Figureninventar, wobei jede Figur eine ganz bestimmte Rolle übernimmt. So muss<br />

es immer einen Täter, ein Opfer, einen Detektiv und andere handlungstragende Figuren geben.<br />

Daneben wird im Kriminalroman auch - wie in einem Spiel - der Handlung ein bestimmtes<br />

setting gegeben.<br />

Als Beispiel für die Ähnlichkeit der Strukturen von Spiel und Detektivgeschichte lässt sich<br />

das Spiel Cluedo anführen: Mit den gleichen Elementen wie denen der klassischen<br />

Kriminalgeschichte wird hier ein von den Spielern zu lösender Kriminalfall suggeriert. Es gibt<br />

49 Vgl. Dunker, Michael: Beeinflußung und Steuerung des Lesers in der englischsprachigen Detektiv- und<br />

Kriminalliteratur: eine vergleichende Untersuchung zur Beziehung Autor-Text-Leser in Werken von Doyle,<br />

Christie und Highsmith. Frankfurt a.M. 1991, S. 35.<br />

50 Vgl. hierzu Einsiedler, Spiel der Kinder, S. 13.<br />

51 Hienger, Jörg: „Spannungsliteratur und Spiel“. In: Hienger, Jörg (Hg.): Unterhaltungsliteratur. Zu ihrer<br />

Theorie und Verteidigung. Göttingen 1976, S. 32-55. Hier: S. 36.<br />

52 Ibid.

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