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Die Figur der Mrs. Ferguson stellt eine Variante der südländischen, wilden „Geliebten” (Typ<br />

W.I.2) dar: Als Ferguson sie kennen lernt, ist er von ihrer leidenschaftlichen, wilden Art<br />

fasziniert; in der Ehe jedoch erscheinen ihm die exotischen Züge seiner Frau plötzlich<br />

unheimlich. Er traut ihr gar zu, ihrem eigenen Kind Schaden zuzufügen. Anders als die<br />

anderen Geliebte-Figuren der Sherlock-Holmes-Stories, die tatsächlich eines Verbrechens<br />

fähig sind (vgl. hierzu z.B. Mme. Fournaye in „Second Stain“ (3/13) und Kitty Winter in<br />

„Illustrious Client“ (5/1)), ist Mrs. Ferguson eine liebende, treu ergebene Gattin. Mit Hilfe der<br />

Verkehrung des Motivs gelingt es Conan Doyle, den Leser hereinzulegen: Auf Grund der<br />

kriminellen Energie, die alle anderen exotischen Frauenfiguren besitzen, scheint auch Mrs.<br />

Ferguson durchaus fähig zu sein, das Blut ihres Babies zu trinken. Dabei ist sie im Gegensatz<br />

zu den anderen „exotischen“ Frauen nicht rachsüchtig und heißblütig, sondern versucht<br />

lediglich auf temperamentvolle Art und Weise, ihr Kind vor den Angriffen des Stiefsohnes zu<br />

schützen. Das Motiv des Vampirismus wird nur in der vorliegenden Erzählung eingesetzt.<br />

Kinder kommen in den Erzählungen nur sehr selten vor, und wenn, stellen sie nur<br />

unscheinbare Nebenfiguren dar. Holmes kann so z.B. am Verhalten des grausamen Sohn der<br />

Rucastles in „Copper Beeches”(1/12) erkennen, dass auch der Vater einen üblen Charakter<br />

besitzen muss; der junge Arthur Lord Saltyre aus „Priory School”(3/5) wird zum Opfer einer<br />

Entführung. Jack Ferguson aber ist das einzige Kind, das einen Täter darstellt. Sein Motiv -<br />

Eifersucht - ist in diesem Zusammenhang neu: Eifersucht gibt es sonst nur zwischen Mann<br />

und Frau. In keiner anderen Erzählung wird - obwohl Familienzwistigkeiten häufig der Grund<br />

für ein Verbrechen sind, das Holmes aufzuklären hat - das Kain-und-Abel-Motiv des<br />

„Brudermordes“ so konkret thematisiert wie hier (der Fratrizid in „Devil’s Foot“ (4/6) wird<br />

nicht aus Eifersucht, sondern aus Habgier begangen). Daneben stellt Conan Doyle gelungen<br />

die innere Zerrissenheit des Jungen dar: Seinem Vater in tiefer Liebe ergeben, kann er ihn<br />

nicht mit anderen teilen. Den Hass auf seinen Bruder kann Jack gut verbergen; nur Holmes<br />

sieht sein von Hass verzerrtes Gesicht im Spiegelbild der Fensterscheibe. Perfide probiert er<br />

den Giftanschlag mit einem Giftpfeil auf seinen Bruder vorher am Familienhund aus.<br />

Interessant ist, dass Conan Doyle Jack als Krüppel darstellt, wodurch schon relativ früh seine<br />

potenzielle Täterschaft - der üble Charakter vieler Täter wird durch eine körperliche<br />

Behinderung transferiert - in den Blickpunkt gerückt wird. So erscheint er aber dem Leser, der<br />

erfährt, dass Mrs. Ferguson ihn geschlagen hat, nur umso bemitleidenswerter. Zur Figur des<br />

Jack Ferguson gibt es kein Äquvalent und keine Variante.

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