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282<br />

Schklovskij stellte die These auf, dass Conan Doyle das Schema der Detektivgeschichte nicht<br />

von Poe übernommen hat, sondern dass es eine Konsequenz des Inhaltes sei. 683 Diese<br />

Überlegung erscheint in Folge der geführten Untersuchungen in neuem Licht: Zur<br />

Konstruktion der Detektivgeschichte bedarf es fester, rigider Elemente und Strukturen, die<br />

den Rätselcharakter der Erzählung ausmachen, wie beispielsweise der festgelegte<br />

Figurenkreis, ein bestimmtes, die Außenwelt ausschließendes setting, Schauerelemente,<br />

Hinweise und falsche Spuren zur Spannungssteigerung. Natürlich lassen sich schon vor<br />

Conan Doyle diese später für die Detektivgeschichte als typisch erachteten Elemente auch in<br />

anderen Literaturformen finden, aber erst Conan Doyle führt alle diese Elemente so<br />

zusammen, dass daraus die Urform der klassischen Detektivgeschichte entsteht.<br />

Smuda verweist darauf, dass Poe selbst das Prinzip der in der Gleichstellung von Imagination<br />

und analytischer Fähigkeit begründeten Kunst der ratiocination schon in seiner zweiten<br />

Erzählung „Marie Rôget“ durch das vermehrt in den Vordergrund gestellte Prinzip der<br />

detection stark variiert, wobei die ratiocination letztlich in der Erzählung „The Purloined<br />

Letter“ beinahe gänzlich zu Gunsten der detection in den Hintergrund tritt. 684 Dieser These ist<br />

nicht zuzustimmen, denn besonders in der letzten Erzählung wird Dupins ratiocination<br />

hervorgehoben, denn er weiß schon, bevor er das Büro des Ministers betritt, wo dieser den<br />

gestohlenen Brief verbirgt, und will sich nur seiner Annahmen vergewissern. Es fehlen<br />

allerdings die ansonsten so prominenten extensiven Monologe zur Aufklärung durch Dupin,<br />

was jedoch nicht bedeutet, dass der Detektiv hier mehr auf der Basis der Detektion an Stelle<br />

der Verstandeskunst den Fall löst. Smuda versucht an Hand dieser These zu untermauern, dass<br />

das Schema, das Conan Doyle später verwenden wird, schon in „The Purloined Letter“<br />

herausgebildet wird. Poe wird somit von Smuda eine Entwicklung durch Variation<br />

zugesprochen, während sich Conan Doyle nur eines einzigen Musters bediene:<br />

Während die Variation bei Poe noch aufgrund gegenseitiger kritischer Infragestellung der Modelle in der<br />

Dimension des Quasi-Ästhetischen bleibt, beginnt sie bereits bei seinem Nachfolger in der Detektivgeschichte,<br />

Sir Arthur Conan Doyle, den Weg der Trivialisierung. In den Geschichten um Sherlock Holmes werden die<br />

Erfindungen Poes stereotypisiert. Die ratiocination wird zur Spitzfindigkeit der detection. Conan Doyle weiß von<br />

der ersten Geschichte Sherlock Holmes’ an, was er seinem Leser schuldet. Er spekuliert mit der Erwartung und<br />

läßt daher den Rahmen seiner Detektivgeschichten zum immer gleichen erstarren. [...] Im Hinblick auf die<br />

Variationen Poes handelt es sich bei Conan Doyle um Variationen von sekundärem Charakter. Sie sind nicht<br />

kritisch, sondern nur expansiv. 685<br />

683 Vgl. hierzu Kap. 2.3.1.<br />

684 Smuda, „Variation“, S. 174 ff.<br />

685 Ibid., S. 177.

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