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10<br />

Kriminalliteratur, nämlich auf die Gesamtheit der Sherlock-Holmes-Geschichten, die in dieser<br />

Form bisher noch nicht betrachtet worden sind.<br />

Eine gute Detektivgeschichte ist eine Komposition aus grundlegenden Strukturen und<br />

variierbaren Elementen. Anstatt innovativ neue Strukturen oder Formen zu schaffen, muss der<br />

Kriminalschriftsteller innerhalb der Struktur mit ihren Elementen kreativ umgehen. Die Kunst<br />

des Autors von Kriminalliteratur liegt darin, „einen Themenkreis im Rahmen konventioneller<br />

Formen abzuwandeln“ 29 . Ein guter Kriminalautor variiert somit das festliegende<br />

Grundschema mit neuen Elementen, Eigenschaften der Figuren oder dadurch, dass er die<br />

Stereotype modifiziert miteinander verbindet. Nach Cawelti ist eine Kriminalgeschichte dann<br />

gelungen, wenn das Grundschema mit „unique or special characteristics of its own“ 30<br />

verändert wird, wobei diese Eigenheiten des Autors immer darauf ausgerichtet sein müssen,<br />

das gegebene Schema zu stützen. Cawelti vergleicht dieses Vorgehen mit einer „variation of<br />

theme“ 31 . Das heißt: Starke Variation innerhalb des Schemas ist erforderlich,<br />

schemabrechende Innovation unerwünscht.<br />

Die Autoren von Kriminalliteratur folgen einem strengen Aufbaumuster, dessen Struktur,<br />

wenn es sich um eine gute Geschichte handelt, virtuos ausgefüllt werden muss. Die<br />

Konstruktion einer Kriminalgeschichte ist beinahe als ‘Handwerk’ zu bezeichnen, muss sie<br />

doch völlig schlüssig sein und alle Handlungsstränge bis zur Auflösung durchziehen.<br />

Die in dieser Arbeit untersuchten Sherlock-Holmes-Erzählungen von Arthur Conan Doyle<br />

gehören zu den ersten Detektivgeschichten; sie sind zugleich Prototypen und bestes Beispiel<br />

für die klassische Kriminalgeschichte. Wie gezeigt werden wird, kreierte Conan Doyle zum<br />

einen auf der Basis von Motiven und Strukturen aus Erzählungen Poes die Grundform der<br />

Detektivgeschichte, zum anderen wurde kaum jemals wieder diese klassische Form so streng<br />

eingehalten wie bei ihm. Conan Doyle ist kein Meister des Erzählens, aber er versteht es, den<br />

Spielcharakter der Kriminalgeschichte mit den verschiedenen gattungsimmanenten Strukturen<br />

durch Variationen zu einem Kunstwerk mit eigenen Ausprägungen zu gestalten. Da der<br />

Spielcharakter maßgeblich für das Funktionieren von Kriminalerzählungen ist, soll dieses<br />

Thema im Folgenden ausführlich untersucht werden.<br />

Oben wurde bereits auf die Ähnlichkeit zwischen den Konventionen der Kriminalgeschichte<br />

und den Regeln eines Spiels hingewiesen. 32 Sowohl Autoren als auch Kritiker von<br />

Kriminalliteratur haben sich mit diesen Parallelen auseinandergesetzt. Schon Poe weist in der<br />

29 Suerbaum, „Gefesselter Detektivroman“, S. 443.<br />

30 Cawelti, Adventure, S. 10.<br />

31 Ibid.

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