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Musik und dem Kriminalschema an, da dieses ebenfalls aus zwei Schichten besteht, die<br />

miteinander verflochten werden: dem Handlungsstrang der Aufklärung und dem<br />

Handlungsstrang des Verbrechens, der als Grundlage für diesen anzusehen ist. 64 Andere<br />

Parallelen lassen sich aber auch durch das Variationsprinzip dokumentieren, da dieses im<br />

besonderen der Kriminalliteratur – eben als „Variationsgattung“– als Prinzip zu eigen ist. Dies<br />

soll im Folgenden näher beleuchtet werden.<br />

1.2.2.2 Zu den Ursprüngen der Variation<br />

Die Vorstellung, dass Originalität in der Kunst eine Tugend ist, ist ein Konzept der Moderne.<br />

Sie entstammt der Annahme, dass der individuelle Künstler immer etwas Besonderes, Eigenes<br />

in die Arbeit miteinfließen lässt, um sein Werk deutlich von den Werken anderer Künstler<br />

unterscheiden zu können. Bis zum Beginn der Neuzeit jedoch ist dieser Gedanke der Kunst<br />

unbekannt; davor galt als künstlerisch, schon bestehende Strukturen durch eigene kreative<br />

Vorstellungen zu modifizieren. In der frühen Geschichte und im Mittelalter wurden<br />

Geschichten im Zuge einer schriftlosen Gesellschaft hauptsächlich mündlich überliefert, so<br />

dass bei der Weitergabe von Sagen oder Liedern der jeweilige Erzähler zwar Hauptelemente<br />

beibehielt, die Geschichte jedoch durch verschiedene Umgestaltungen abänderte. Dies<br />

geschah vor allen Dingen deshalb, weil sich ein Erzähler nicht immer sehr lange epische<br />

Texte in ihrer Gänze merken konnte. Durch die „improvisierende Nachdichtung“ oder<br />

„transmission mémorielle“ 65 und Weitergabe an andere Erzähler entstanden durch Variationen<br />

verschiedene Versionen ein und derselben Überlieferung. Gleichzeitig mussten jedoch<br />

bestimmte Grundstrukturen und Erzählschablonen erhalten bleiben, da dadurch nicht nur dem<br />

Erzähler das Improvisieren, sondern auch dem Zuhörer das Rezipieren des Textes leichter<br />

gemacht wurde. Dieser fühlte sich sonst durch zuviel Neues in Geschichten überfordert.<br />

Seit dem Mittelalter verfestigt sich auch die schriftliche Variation. Damals wurden in den<br />

Schriftstuben der Klöster Bücher abgeschrieben und kopiert. Weil Plagiatur zu dieser Zeit<br />

nichts Negatives, sondern „eine grundlegende Technik wissenschaftlichen Arbeitens“ 66 war,<br />

lassen sich neben der Übernahme von kompletten Textstellen aus den Werken von anderen<br />

Autoren auch viele Anmerkungen oder „Neukompositionen“ aus verschiedenen Texten<br />

finden. Da sich erst im 18. und 19. Jahrhundert der Begriff des ‘geistigen Eigentums’<br />

64 Vgl. hierzu Kap. 2.1.1 und 2.1.2.<br />

65 Vgl.: „Oral poetry“ in Dinzelbacher, Peter (Hg.): Sachwörterbuch Mediävistik. Stuttgart 1992, S. 601-602.<br />

66 Wilpert, „Plagiat“, S. 685.

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