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257<br />

Im ersten Band der Sherlock-Holmes-Stories lassen sich keine Erzählungen mit starkem<br />

Variationsgrad nachweisen. Aber schon ab dem zweiten Band nimmt Conan Doyle starke<br />

Variationen vor. Schon im Band Memoirs folgt der Verlauf von drei Erzählungen dem Typ 3a.<br />

Von diesen drei Stories sind zwei einer starken Variation durch Veränderung der<br />

Erzählperspektive unterworfen, weil Conan Doyle hier Holmes in der Retrospektive über alte<br />

Fälle berichten lässt. Die Erzählung (2/11) nimmt einen ungewöhnlichen Verlauf, weil<br />

Holmes hier keinen Täter verfolgt, sondern selbst vor Moriarty fliehen muss und letztlich gar<br />

in den Reichenbach-Fällen verschwindet, wodurch die übliche Rätselaufklärung nicht<br />

stattfindet. Starke Variationen liegen auch in zwei Geschichten aus dem Band Return vor;<br />

wobei in der Erzählung Empty House (3/1) ebenso wie in der letzten Erzählung aus Band 2<br />

kaum die Verbrechensermittlung im Mittelpunkt steht, sondern vielmehr die Rückkehr des<br />

totgeglaubten Holmes. Die Erzählung „Charles Augustus Milverton“ (3/7) wurde von den<br />

Kriminalgeschichten um Hornungs Einbrecher-Detektiv Raffles inspiriert 652 , der auf seinen<br />

Raubzügen oftmals auf ein mysteriöses Ereignis stößt, das er aufzuklären versucht. Somit<br />

weist Conan Doyles Erzählung, bedingt durch den fremden Einfluss, einen sehr<br />

ungewöhnlichen Handlungsverlauf auf, der der Struktur der Sherlock-Holmes-Stories<br />

ansonsten überhaupt nicht entspricht.<br />

Die Erzählungen „Lady Frances Carfax“ (4/6) und „Veiled Lodger“ (5/10) weisen neben dem<br />

Fehlen von bestimmten Sequenzen ungewöhnliche Einschübe auf, die sich nur in ihrem<br />

spezifischen Fall dokumentieren lassen. Auch an diesen singulären Einschüben lässt sich der<br />

Typ 3 festmachen.<br />

Die fünf Extremvarianten sind nur in den Bänden 4 und 5 zu finden. Sie zeigen völlige<br />

Umkonstruktionen des ursprünglichen Modells und enthalten dieses nur noch in Fragmenten.<br />

In vier der fünf Fälle liegt die starke Umkonzipierung des Handlungsverlaufs vor allem auch<br />

in der Erzählperspektive begründet, mit der Conan Doyle in den späteren Jahren vermehrt<br />

experimentiert. Die Ereignisse werden dann nicht mehr vom Chronisten Watson geschildert.<br />

Um aufzuzeigen, wie Conan Doyle die erzählerische Perspektive variiert, bieten sich mehrere<br />

Modelle zur Veranschaulichung an. Das von Nünning in Anlehnung an Genette entworfene<br />

Modell erscheint zur Beschreibung der Erzählinstanz am geeignetsten zu sein, 653 während<br />

Genettes Frage nach der Fokalisierung, nämlich danach, durch die Augen welcher Figur die<br />

652 Vgl. zur näheren Erläuterung die Analyse der Story 3/7 in Anhang I.<br />

653 Nünning, Ansgar/Jahn, Manfred: „A Survey of Narratological Models”. In: Literatur in Wissenschaft und<br />

Unterricht, 27/4, 1994, S. 283-303. Vgl. ebenso zu Nünnings Modell Wenzel, Peter: „Der Text und seine<br />

Analyse”. In: Fabian, Bernhard: Ein anglistischer Grundkurs. Einführung in die Literaturwissenschaft. 8.,<br />

durchges. u. erg. Auflage. Berlin 1998, S. 149-203. Hier: S. 188.

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