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283<br />

Smuda verkennt dabei den oben beschriebenen, völlig anderen Ansatz, den die Sherlock-<br />

Holmes-Stories verfolgen und dem zu Folge Conan Doyle ein völlig anderes<br />

Konstruktionsprinzip hat als seine Vorgänger: die Erzählungen haben keinen ästhetischen,<br />

keinen anspruchsvollen Charakter, sondern sie stellen unterhaltsame literarische Spielformen<br />

dar, die in dieser Form als gänzlich neu zu erachten sind.<br />

4.2 Zur Gattungsgenese der Detektivgeschichte<br />

Bei genauer Betrachtung wird evident, dass sich Conan Doyles Konstruktion der<br />

Detektivgeschichte und ihrer Variationen im Grunde völlig von Poes tales of ratiocination<br />

absetzt. Das bedeutet, dass nicht Poes Erzählungen um den Detektiv Dupin, sondern die<br />

Sherlock-Holmes-Stories als Archetypus der Detektivgeschichte anzusehen sind.<br />

Voßkamp geht davon aus, dass der Erfolg einer literarischen Gattung nur auf Grund eines<br />

Wechselverhältnisses von außerliterarischen Erwartungen des Publikums und der<br />

Werkreaktionen der Autoren begründet ist: „Erst die Komplementarität von Erwartungen und<br />

Werkproduktion als Antwortverhältnis ermöglicht die Gattungskonstitution.“ 686 Dabei liefern<br />

Voßkamps Meinung nach literarische Gattungen Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung<br />

des Lesers, weil in der Literatur Probleme artikuliert und Lösungsstrategien diskutiert werden,<br />

die ihn persönlich betreffen. Schließlich werden beim Lesen auch bestimmte neue Bedürfnisse<br />

erzeugt, weshalb es zu „Modifikationen, Variationen und Umbesetzungen von<br />

Diskurselementen in Gattungen bis hin zur Entstehung neuer Gattungsausprägungen“ 687<br />

kommen kann. Neue Gattungen entstehen auch dann, wenn auf <strong>Seite</strong>n des Lesers die<br />

Bedürfnisbefriedigung gesichert ist und er ein neues Angebot zur Bedürfnisbefriedigung<br />

wahrnimmt.<br />

Hempfer geht davon aus, dass eine neue Gattung immer eine Kombination und Veränderung<br />

einer Vielzahl von Elementen aus verschiedenen, bereits existierenden Gattungen darstellt. 688<br />

Voßkamp erkennt daneben drei Funktionen - oppositive, selektive und synthetisierende -, die<br />

zum Entstehen einer neuen Gattung notwendig sind. Dabei entsprechen sich Voßkamps<br />

Definitionen der selektiven und synthetisierenden Funktionen jedoch so sehr, dass sie im<br />

Folgenden als ein Kriterium behandelt werden sollen.<br />

Zum einen muss eine neue Gattung nach Voßkamp einen Kontrast - eine oppositive Funktion<br />

- zu anderen literarischen Formen der Zeit darstellen, wobei das gerade entstandene Genre<br />

686 Voßkamp, Wilhelm: „Thomas Morus’ Utopia: Zur Konstituierung eines gattungsgeschichtlichen Prototyps“.<br />

In: Ds. (Hg): Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie. Bd. 2 1989. S. 183-196. Hier:<br />

S. 183.<br />

687 Ibid., S. 184.

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