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Dabei erweckten die Rätselerzählungen um den Detektiv Dupin jedoch nie so das Interesse<br />

beim Leser, wie es später die Sherlock-Holmes-Stories von Conan Doyle taten. Somit muss<br />

davon ausgegangen werden, dass Conan Doyle seine Geschichten derart konstruierte, dass<br />

ihnen etwas Neues, gänzlich anderes als den Vorgänger-Geschichten inne war. Wie stellt sich<br />

diese Umkonzipierung und Konstruktion, die letztlich zur Ausformung einer neuen Gattung<br />

führte, nun dar?<br />

Geht man von Hempfers und Voßkamps Grundidee aus, dass zwischen Leserbedürfnissen des<br />

Publikums und dem Schreibprozess des Schriftstellers eine reziproke Beziehung besteht, so<br />

kann der Beweis für diese These wohl kaum jemals so überzeugend geführt werden wie in<br />

Bezug auf die Sherlock-Holmes-Stories. Denn der große Erfolg beim Publikum und die<br />

daraus resultierende Flut von Kriminalstories, die Conan Doyle auf Drängen seiner Leser<br />

mehr nolens als volens verfasste, sprechen durchaus für diese These. Schon oben wurde<br />

darauf eingegangen, dass Conan Doyle durch einen Trivialisierungsprozess die von Poe<br />

entworfene Rätselgeschichte modifizierte. Daneben lassen sich aber auch gattungsgenetische,<br />

strukturelle und leserspezifische Gründe nachweisen, die erklären, warum Conan Doyles<br />

Sherlock-Holmes-Stories faktisch den Archetypus einer neuen Gattung darstellen.<br />

Nach Voßkamps Prinzip lassen sich auch in Bezug auf die Sherlock-Holmes-Stories sowohl<br />

oppositive als auch selektive Funktionen entdecken, die zur Ausformung einer neuen Gattung<br />

synthetisiert werden.<br />

Voßkamp stellt in Bezug auf die oppositiven Funktionen von Morus’ Utopia vor allen Dingen<br />

die Bedeutung des Werkes für eine bestimmte Leserschicht heraus, die bis dato realiter nicht<br />

angesprochen worden war. In diesem Sinne sind auch die Sherlock-Holmes-Stories<br />

bahnbrechend, denn auch sie interessierten ein bisher von der Literatur eher vernachlässigtes<br />

Publikum, das zwar aus allen Schichten der Gesellschaft, in erster Linie aber aus Lesern<br />

bestand, die bisher - durch die „hohe“ Literatur - nicht angesprochen worden waren. Die<br />

Sherlock-Holmes-Stories lieferten eine neue Form der Literatur, die für alle Leser verständlich<br />

war, gleichzeitig aber nicht den Charakter eines Groschenromans besaß. Zudem waren die<br />

Stories jedem Leser zugänglich, da sie zunächst im Strand Magazine erschienen, das ein<br />

breites Publikum erreichte. Anders als die voluminösen viktorianischen Romane konnten sie -<br />

in der Tradition von Poes Kurzgeschichten-Konzept - in kurzer Zeit gelesen werden. Obwohl<br />

man die Sherlock-Holmes-Stories nicht als Ursprung der „Trivialliteratur“ bezeichnen kann,<br />

ist dennoch ihre Bedeutung als Literatur für die breite Masse nicht zu verkennen. Das Lesen<br />

der Sherlock-Holmes-Stories bedurfte keiner hohen Bildung, keiner Vorkenntnisse und die

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