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sowohl in Radcliffes The Mysteries of Udolpho als auch in Lewis’ The Monk die<br />

Protagonisten die mysteriösen Geschehnisse in unheimlichen alten Gemäuern auf. Schon hier<br />

lässt sich also in Grundzügen die der Detektivgeschichte als typisch zugeschriebene Funktion<br />

der Aufklärung entdecken, wobei sich jedoch die Zweischichtigkeit von verdeckter und<br />

offener Handlung hier nicht finden lässt, da der Leser die bösen Machenschaften der Gothic<br />

villains von Anfang miterlebt und diese somit kein ungelöstes Rätsel darstellen.<br />

In Bezug auf die selektiven Funktionen der neuen Gattung `Detektivgeschichte´ lässt sich<br />

feststellen, dass die Form der Kurzgeschichte nach dem Poe’schen Prinzip am<br />

angemessensten für die Sherlock-Holmes-Stories war, denn wie Poe es schon in seiner<br />

Philosophy of Composition aufzeigt, läuft auch hier alles auf die Aufklärung des Falles in<br />

einem single effect hinaus, wobei nichts in der Erzählung enthalten sein darf, was von diesem<br />

Überraschungseffekt ablenken würde.<br />

Auch die Idee, einen übermenschlichen Detektiv als Helden einzusetzen, der sein Leben<br />

grundsätzlich in Einsamkeit fristet und nur einen Vetrauten hat, der wiederum als Vermittler<br />

zwischen Detektiv und Leser fungiert, hat Conan Doyle von Poe übernommen. Neben diesen<br />

Parallelen konstruiert Conan Doyle seine Erzählungen jedoch völlig anders: den sehr<br />

extensiven, ruhigen Monologen der Hauptakteure setzt Conan Doyle sehr viel dynamischere<br />

und effektvollere Methoden zur Verbrechensaufklärung des Detektivs entgegen; die Betonung<br />

liegt in den Sherlock-Holmes-Stories sehr viel mehr auf der Ermittlung und der aktionsreichen<br />

Verfolgung der Verbrecher, wohingegen Auguste Dupin zumeist zu Hause im Lehnstuhl über<br />

den Fall sinniert. In Poes Erzählungen liegen beinahe niemals Verdächtige vor, die als<br />

Akteure in der Handlung vorkommen, 700 was es dem Leser erschwert, die oftmals<br />

überraschenden Auflösungen zu akzeptieren.<br />

Geht man Hempfers Kernthese nach, dass sich Gattungen als Antwort auf gesellschaftliche<br />

Bedürfnisse entwickeln, dann lassen sich für die Entstehung der Gattung der klassischen<br />

Detektivgeschichte nach Conan Doyle soziologische und psychologische Gründe anführen.<br />

Dabei können nach Hempfer Gründe dieser Art immer nur Mutmaßungen darstellen, weil bis<br />

zum heutigen Tag kaum Forschungen zum historischen und kulturspezifischen Charakter von<br />

Bedürfnissen vorliegen. 701 Doch vielleicht lassen sich gerade auch aus diesem Grunde relativ<br />

frei Vermutungen anstellen, warum die Sherlock-Holmes-Stories so erfolgreich werden<br />

konnten.<br />

700 Ausgenommen davon ist die Erzählung „The Purloined Letter“, in der der Täter von Beginn an bekannt ist.<br />

701 Vgl. hierzu Hempfer, Gattungstheorie, S. 111.

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