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6. Altenbericht

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gewürdigt worden ist (Westerholt 2008). Solche lokalen Alters-Pioniere setzen, so lässt<br />

sich mit Matilda und John Riley (1994: 445f.) sagen, durch kleine anschauliche Beispiele<br />

„oftmals fast unmerkliche Prozesse und Mechanismen in Gang“, die insgesamt zu einer<br />

Erneuerung oder Erweiterung von Altersbildern, von „altersbezogenen Ideen, Wertvorstellungen<br />

und Überzeugungen“, „von Rollenmöglichkeiten für ältere Menschen“ führen.<br />

b) Altern in prekären Lebenslagen und im Lebenslaufregime<br />

Die Kehrseite der Multioptionsgesellschaft besteht in neuen Grenzen, Regularien und in<br />

zum Teil enormen Risiken. Davon sind vor allem diejenigen Bevölkerungskreise betroffen,<br />

die aufgrund von prekären ökonomischen, sozialen und kulturellen Lebenslagen weit weniger<br />

imstande sind, Optionen zu wählen oder gar umfassend wahrzunehmen und ihre<br />

Wahl im Hinblick auf die nicht gewählten Alternativen zu reflektieren. Wer über knappes<br />

Einkommen und geringe Bildung verfügt, dessen Optionsmöglichkeiten sind deutlich reduziert,<br />

und der ist auch und besonders im Alter von Krisen härter betroffen. Ulrich Beck<br />

(1986: 46 und 153) hat deshalb geradezu von einem „’Gesetz’ der klassenspezifischen<br />

Verteilung von Risiken“ gesprochen, von der „Konzentration der Risiken bei den Armen<br />

und Schwachen“.<br />

Über den materiellen Lebensstandard hinaus ist die Wahrnehmung von Optionen vor allem<br />

abhängig vom Bildungsstand, von der Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken, von<br />

schichtspezifischen Geschmacksvorlieben, Erlebnisschemata, Auswahlmustern. Amrhein<br />

(2008) spricht deshalb von „Drehbüchern des Alter(n)s“, von milieutypischen Modellen der<br />

Lebensführung älterer Menschen. Allzu optimistische oder avantgardistische Bilder vom<br />

multioptionalen, insbesondere vom aktiven, produktiven und erfolgreichen Altern müssen<br />

sich also fragen lassen, was sie im Hinblick auf Bevölkerungskreise zu leisten vermögen,<br />

die über wenig Einkommen, Bildung und Einfluss verfügen. Deren Handlungsspielräume<br />

und Lebenschancen sind deutlich eingeschränkt; ihr Gesundheitszustand ist schlechter,<br />

ihre Lebenserwartung geringer.<br />

Aber auch unabhängig von sozialen und geschlechtsspezifischen Unterschieden ist die<br />

Reichweite wirklicher Optionen in der Multioptionsgesellschaft umstritten. So hat Martin<br />

Kohli (1992: 285) auf die Grenzen „der Gestaltbarkeit der Lebensalter durch individuelles<br />

Handeln“ hingewiesen. Bei allem Strukturwandel in der Industrie und aller Deregulierung<br />

der Arbeitswelt (Rückgang regulärer Arbeitsverhältnisse), bei aller Pluralisierung von Lebensformen<br />

und Präferenzlagen gibt es umfassende und starke Einschränkungen, wie sie<br />

aus dem „Lebenslaufregime moderner Gesellschaften“ resultieren. Demnach ist die Zeiteinteilung<br />

der allermeisten Menschen nach wie vor entscheidend von der Arbeitswelt geprägt.<br />

Die seit dem 19. Jahrhundert etablierte und institutionalisierte Dreigliederung des<br />

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