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6. Altenbericht

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Zwar kann es in dieser Sichtweise keine spezifische Ethik des Alters geben, dennoch<br />

verweist die Kategorie der Angewiesenheit insbesondere mit Blick auf das Alter darauf,<br />

dass asymmetrische Beziehungen anerkannt und sinnvoll bewältigt werden müssen. Wer<br />

sich in einer entsprechenden Lage befindet, hat ein Recht darauf, in seiner Würde ernst<br />

genommen und entsprechend „behandelt“ zu werden – und zwar unabhängig davon, ob<br />

er oder sie diesen Anspruch selbst artikulieren kann oder nicht. Entscheidend ist der jeweilige<br />

Bedarf an „Hilfe“, der befriedigt werden muss – und nicht die jeweiligen Neigungen<br />

derjenigen, die in der Situation Hilfe erbringen könnten. Jeder und jede Einzelne sollte so<br />

handeln, wie es seiner und ihrer grundsätzlichen Angewiesenheit auf andere entspricht.<br />

Es ergibt sich folglich eine Pflicht zur Unterstützung, die moralisch noch dadurch untermauert<br />

werden kann, dass man ja selbst in der ersten Lebensphase Entsprechendes<br />

durch die nun Älteren erfahren hat. Dieser Aspekt wird in der theologischen Diskussion<br />

über das Verhältnis der Generationen insbesondere in einer entsprechenden Auslegung<br />

des 4. Gebotes („Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land,<br />

das der Herr, dein Gott, dir gibt.“ Exodus 20,12) herausgearbeitet. Während das 4. Gebot<br />

früher stark in Richtung einer Unterordnung der Kinder unter die Eltern ausgelegt und so<br />

in eine patriarchalisch-gerontokratische Lebensordnung eingepasst wurde, interpretiert<br />

man es heute im Sinne einer Solidarität zwischen den Generationen. Über die Pflicht hinaus<br />

greift hier auch die christliche Kategorie des Mitleids, die aus der Geschöpflichkeit<br />

des Menschen als solcher resultiert und nicht auf Gegenseitigkeit abhebt. Symbolisch<br />

leitend ist in diesem Zusammenhang auch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Es<br />

ist grundlegend für die Motivation der großen christlichen Hilfswerke wie Caritas und Diakonie,<br />

deren Arbeit insbesondere älteren Menschen zugutekommt.<br />

Aus diesen Grundbestimmungen ergibt sich eine große Flexibilität in der Gestaltung konkreter<br />

Altersbilder bis hin zur Infragestellung der Preisgabe von Bildern überhaupt, da<br />

diese den einzelnen Menschen in unzulässiger Weise zum Objekt degradieren würde,<br />

was seiner unveräußerlichen Würde widerspricht. Im Konkreten hängt alles an der Begegnung<br />

der Menschen, in der sich Bilder jeder Art verflüchtigen sollten. Ältere haben<br />

Kompetenzen, die Jüngeren fehlen und die für das Gemeinwesen unverzichtbar sind.<br />

Aber es gehört auch dazu, dass sie sich zurücknehmen und Schwächen zulassen können.<br />

Altersspezifische Klischees sind unangebracht und Altersdiskriminierung sollte überwunden<br />

werden (Mäule 2009). Auf der anderen Seite sind all diese Bilder und Nicht-Bilder<br />

eingerahmt durch die Geschöpflichkeit des Menschen, die das Älterwerden konstitutionell<br />

umgreift. Von großer Bedeutung ist an dieser Stelle, das menschliche Leben insgesamt in<br />

einer positiven Weise als Fragment zu begreifen (Luther 1992). Gerade als ein immer<br />

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